Interview Marc Forster: «Manchmal bricht mein Schweizer Perfektionismus durch»

tsch

15.8.2018

Bei Blockbustern wie «James Bond 007 - Ein Quantum Trost» oder «World War Z» sass er bereits auf dem Regiestuhl, nun hat sich Marc Forster eines honigliebenden Bären angenommen.

Marc Forster lässt sich nicht in eine Schublade stecken: Neben den grossen Kassenhits wie «Ein Quantum Trost» wagt sich der deutsch-schweizerische Regisseur, der bereits seit vielen Jahren in den USA lebt, auch an Independent-Produktionen. Sein «Monster's Ball» verhalf Halle Berry zu ihrem Oscar und auch sonst hat der 48-Jährige bereits mit vielen Hollywoodgrössen zusammengearbeitet. Nun widmet sich Forster einem herzerwärmenden Familienfilm rund um Winnie Puuh und einem erwachsenen Christopher Robin, verkörpert von Ewan McGregor. Wir sprachen mit dem Regisseur und Produzenten über das innere Kind, den weisen Bären und sein US-schweizerisches Herz.

«Bluewin»: Puuh hat ja eigentlich jeder gern. Mit welcher Figur aus dem Hundertmorgenwald fühlen Sie sich denn am meisten verbunden?

Marc Forster: Ich würde sagen, dass ich ebenfalls am meisten mit Puuh gemeinsam habe. Aber in mir steckt auch ein wenig I-Ah und Ferkel. Tigger eher weniger – ich bin nicht so sprunghaft und überschwänglich.

Bilder aus dem Film «Christopher Robin»

Puuhs Weisheiten sind ein wichtiges Element im Film. Haben Sie eine Lieblingsweisheit?

Ja, definitiv: «Weeds are flowers too, once you get to know them.» (Deutsch: Unkraut sind auch Blumen, wenn man sie ein wenig besser kennt).

Warum genau diese Weisheit?

Ich finde es einfach wahnsinnig süss, denn oft denkt man von Dingen, dass sie unnütz oder unschön sind und stellt erst auf den zweiten Blick fest, wie schön sie sein können. Wir achten viel zu viel auf Äusserlichkeiten.

Was ja in Hollywood gang und gäbe ist ...

Das stimmt zwar, aber auch dort findet langsam aber sicher ein Wandel statt. Klar hält sich dieses Klischee hartnäckig, aber ich denke, es ist ein weltweites Problem. In der Welt der Selfies wird es immer ausgeprägter.

Und Puuh holt einen wieder zurück aus diesen Sphären?

Ja, ich denke schon. Denn mit seinen doch so einfachen Weisheiten hat er oftmals recht. Er ist ein Herzensbär. Für mich symbolisiert der rote Pullover, den er anhat, auch ein Herz - und davon hat er viel!

Und ein wenig faul ist er auch.

Sehr sogar. Das ist ja auch ein wichtiger Satz von ihm: «Man sagt, nichts ist unmöglich, aber ich tue jeden Tag nichts.»

Können Sie auch manchmal einfach nichts tun?

Ich mache jetzt auch einfach zwei Monate gar nichts.

Gar nichts?

Ich gehe viel schwimmen und wandern. Ich verbringe unglaublich gerne Zeit in der Natur. Egal, ob in der Schweiz, den USA oder woanders auf der Welt. Ich bin sehr naturverbunden und das ist mir wichtig. Das hilft mir aufzutanken.

Gab es einen Helden, ein Stofftier oder ähnliches, der oder das Ihre Kindheit prägte?

Ich hatte tatsächlich einen Stofftiger. Den habe ich sehr gemocht - bis zu einem wirklich traumatischen Erlebnis ...

Was ist passiert?

Eines Tages kam ich nach Hause und unser Hund hatte das Stofftier total zerfetzt. Das war ein ganz schöner Schock. Mein Lieblingskuscheltier und Freund war weg. Ich war sehr lange ziemlich traurig.

Glauben Sie, dass es uns Erwachsenen durchaus guttäte, wenn wir öfter wieder zum Kind werden würden?

Absolut. Es liegt in unserer Erziehung, dass man, sobald man erwachsen ist, mehr Verantwortung trägt, ausserdem erfolgreich im Job und seriös sein muss. Da verliert man gerne mal das innere Kind aus den Augen. Und das ist schade. Denn es gibt nichts Schöneres, als weiterhin spielen zu können.

Können Sie das denn?

Gott sei Dank! Mein Beruf gibt mir da viel Freiraum und ausserdem ist es wichtig, dass man liebt, was man macht. Denn ohne diese Leidenschaft kann man nicht gut in dem sein, was man tut. Zumindest ist das bei mir so.

Ist diese gewisse Grundentspanntheit auch etwas, was die Schweiz mit Kalifornien verbindet?

(lacht) Naja, es sind schon zwei ganz gegensätzliche Welten. Ich wohne ja nun auch schon sehr lange in den USA, bin aber noch regelmässig in der Schweiz.

Gibt es in der Arbeitsweise einen Unterschied zwischen Ihnen und einem amerikanischen Regisseur?

Bestimmt - aber es gibt ja immer Unterschiede zwischen den Regisseuren. Doch manchmal bricht schon mein schweizerischer Perfektionismus durch.

Fluchen Sie denn am Set auf Schweizerdeutsch?

(lacht) Eher selten. Meistens fluche ich dann schon auf Englisch. Das kommt einfach mit den vielen Jahren, die ich schon in Los Angeles lebe.

Woran merken Sie besonders stark, dass Ihnen die Schweiz fehlt?

Definitiv an den Jahreszeiten. In Los Angeles ist es eigentlich immer ziemlich gleichbleibend. Da fehlt mir schon der Schnee und die Berge. Aber es gibt auch tolle Orte in den USA. Trotzdem ist es ein Unterschied, vor allem für mich als sehr naturverbundenen Menschen. Auf der anderen Seite liebe ich die Diversität der USA.

Inwiefern?

Vor allem die Region um Los Angeles herum ist ein wahrer Schmelztiegel. Da stossen so viele verschiedene Menschen aufeinander, aus so vielen Nationen. Und das nicht nur im Technik-Bereich, sondern eben auch auf der künstlerischen Ebene. Das liebe ich sehr.

Es ist grossartig, dass Sie sich aussuchen können, wie und mit wem Sie arbeiten.

Ja, absolut. Ich mache eigentlich immer das, was mir gefällt! Und dieses Mal ist es eben ein Film, der vor allem fürs Herz ist.

Spielt es da auch ein wenig eine Rolle, dass Sie wieder mit Ewan McGregor zusammengearbeitet haben?

Er passt einfach wunderbar. Wir haben schon einmal 2004 für «Stay» zusammengearbeitet und als ich an diese Rolle dachte, kam er mir direkt in den Sinn. Einfach, weil er zeigt, dass sein inneres Kind sehr präsent ist – spätestens wenn er lächelt.

Ist «Christopher Robin» ein klassischer Kinderfilm?

Ich würde ihn eher einen Familienfilm nennen. Denn Puuh ist ein Bär für jeden und nicht nur für Kinder. Als ich beschlossen habe, diesen Film zu machen, hat sich meine Tochter die Zeichentrickklassiker mit Puuh angeschaut und fragte mich, ob denn mein Film auch ein Kinderfilm werden würde. Ich habe ihr erklärt, dass Puuh eigentlich ein Bär ist, der nicht nur Kinder ansprechen soll, sondern eben auch Erwachsene. Und ich hoffe, dass die kleinen Botschaften, die «Christopher Robin» enthält, auch ankommen.

«Christopher Robin» läuft ab Donnerstag, 16. August, in den Schweizer Kinos.

Die Kino-Highlights im August
Die Serien-Highlights im August
Zurück zur Startseite