Interview Christian Bale: «Ich sah das letzte Rennen von Senna. Das war hart»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

13.11.2019

Christian Bale zählt zu den physisch wandelbarsten Schauspielern: Er verändert regelmässig sein Körpergewicht für verschiedene Rollen. Ab 14. November sieht man ihn abgemagert als Rennfahrer Ken Miles in «Le Mans 66».
Christian Bale zählt zu den physisch wandelbarsten Schauspielern: Er verändert regelmässig sein Körpergewicht für verschiedene Rollen. Ab 14. November sieht man ihn abgemagert als Rennfahrer Ken Miles in «Le Mans 66».
Bild: Getty Images

In «Le Mans 66» spielt Christian Bale einen Rennfahrer. Im «Bluewin»-Interview erzählt der Filmstar, welche drastische Hungerkur er für die Rolle auf sich nahm und was er von den Renn-Legenden gelernt hat.

Bolzen in alten Boliden: Christian Bale spielt in «Le Mans 66» den eigenwilligen Ford-Rennfahrer Ken Miles, der in den sechziger Jahren an der Dominanz von Ferrari rüttelte. In unserem Auto-Interview erzählt der Verwandlungskünstler, wie er sich auf die Rolle und das 24-Stunden-Rennen von Le Mans vorbereitete, bei dem damals auch der Schweizer Jo Siffert mitfuhr.

Christian Bale, wenn Ihr Auto ein seltsames Geräusch von sich gibt, erkennen Sie das Problem und können es auch beheben?

Ich habe einen 2003 Toyota Tacoma Pick Up Truck – um den Erdball herum bekannt als Hilux. Bei dem muss man nie etwas flicken! Deshalb fahren sie ihn auch in den Wüsten von Nordafrika und im Nahen Osten, wo es keine Garagen gibt.

Der scheinbar unkaputtbare Toyota Hilux: Christian Bale schwört auf dieses Auto.
Der scheinbar unkaputtbare Toyota Hilux: Christian Bale schwört auf dieses Auto.
Bild: Vauxford

Was war Ihr erstes Auto?

Mein erstes Auto war ein alter Buick. Mein Vater und ich kauften ihn einer alten Lady ab, die nicht mehr fahren konnte. Er war wie ein Panzer.

Welches ist Ihr Traumauto?

Der Ford GT40 ist natürlich seit ‹Le Mans 66› schon ein Traumauto. Und der Ferrari P3 – ihre teuer gemachten Film-Kopien bei den Dreharbeiten zu sehen, gab mir Gänsehaut. Der Ferrari hat so elegante Kurven, ist eher feminin. Der Ford ist dagegen ein maskulines Biest. Aber die Versicherungen verderben einem ja jeden Spass. Wenn ich im GT40 sitze, zieht mich ja der Kamerawagen. Und ich muss sagen: Meine erste Liebe waren immer Motorräder, aber meine Familie hat mir verboten, auf welche zu steigen.

Weil es zu gefährlich ist?

Ja, ich habe schon ziemlich viel Metall in meinem Körper. Und mit 45 Jahren erhole ich mich von Verletzungen und Operationen nicht mehr so gut wie früher. Seit Kurzem konzentriere ich mich jetzt also auf das Leben in der langsamen Spur. Ich geniesse die Kunst der Langsamkeit. Auch im Auto: Ich fahre frustrierend langsam. Raser nerven mich. Wenn man bolzen will, geht man auf die Rennbahn.

Der Ford GT40 ist seit «Le Mans 66» Christian Bales neues Traumauto.
Der Ford GT40 ist seit «Le Mans 66» Christian Bales neues Traumauto.
Bild: Dan Smith

Haben Sie Zeit auf der Rennbahn verbracht?

Ja, ich bin in eine Formel-1-Fahrschule gegangen, was sehr viel Spass gemacht hat. Ich behauptete, dass ein bisschen Rennfahr-Erfahrung wirklich wichtig sei zur Vorbereitung für den Film. Ich habe also ein paar Bremsspuren hinterlassen: Das Gefühl dabei war für mich ein Gebräu aus Adrenalin-Rush und totaler Entspannung.

Verfolgen Sie Autorennen als Fan?

Mein Vater und ich haben die Rennen zusammen am Fernsehen geschaut, als ich noch ein Kind war. Einmal gingen wir nach Brands Hatch (Rennstrecke in England, Anm. d. Red.). Niki Lauda, Alain Prost und Ayrton Senna fuhren damals noch. Ich löcherte Dad mit so Fragen wie: Wenn ich jetzt die Strasse überqueren würde und das Auto fährt gleichzeitig am Ende der Strasse ab, wäre es dann so schnell, mich zu erwischen? Ich sah das letzte Rennen von Senna. Das war hart. Dieses Jahr hatte ich einen super Platz beim Indy-500-Rennen: Matt Damon und ich schwenkten als Ehrenstarter die grüne Flagge.

‹Le Mans 66› handelt vom 24-Stunden-Rennen, in dem Sie es als Ford-Fahrer Ken Miles mit Ferrari aufnehmen. Der Schweizer Rennfahrer Jo Siffert landete damals auf dem vierten Platz. Haben Sie sich über ihn und andere Fahrer auch schlaugemacht?

Nein, nicht wirklich. Ich habe mich ganz auf Ken Miles konzentriert. Aber über das Rennen könnte man einen eigenen, dreistündigen Film machen. Das Schöne war, dass wir beim Rennstart ein paar Söhne der damaligen Fahrer dabei hatten wie Alex Gurney, der seinen Vater Dan Gurney spielt, sowie Phil Hills Sohn Derrick.



Um von Dick Cheney in ‹Vice› zu Ken Miles zu kommen, mussten Sie wieder ziemlich abspecken …

Ja, aber deshalb habe ich die Rolle nicht gewählt. Ehrlich nicht! Ken Miles war ein interessanter Typ. Er war im Zweiten Weltkrieg am D-Day in einem Panzer und war bei der Befreiung von Belsen dabei. Er gehörte der Renn-Generation an, die sich als Mechaniker sah. Er baute ganze Autos. Er war ein Purist, der keine Kompromisse eingehen wollte. Regisseur James Mangold meinte, darin sei er mir sehr ähnlich, aber darüber will ich nicht nachdenken. Er gewann nämlich viele Schlachten, aber verlor quasi jeden Krieg. Er hatte Ärger mit der Steuerbehörde. Und dann entwickelt sich diese Bruderschaft mit Carroll Shelby, der die gleiche Leidenschaft fürs Rennen hat wie er. Also ein toller Part, für den ich halt wieder abnehmen musste.

War das schwieriger oder einfacher als damals für ‹The Machinist›?

‹The Machinist› war eigentlich schwieriger, da ich von normal auf sehr dünn kommen musste. Wenn man Fett hat, bringt man es einfacher wieder weg. In den sechs Monaten zwischen ‹Vice› und ‹Le Mans 66› habe ich wohl die Masse eines Primarschülers abgenommen.

Wie macht man das?

Weniger essen, mehr bewegen. That’s it. Man muss hungrig und sich elendig fühlend ins Bett gehen, dann nimmt man ab. Meine Frau war mein Arzt, sie überprüfte nachts, ob ich noch atme. [lacht] Ich habe mit Gary Oldman korrespondiert und war überrascht, dass er nicht zunahm, um Winston Churchill zu spielen. Er trug einen Fettanzug und Maske. Vielleicht sollte ich das nächste Mal auch so machen. Denn Gary Oldman war immer mein Schauspiel-Idol. Er und Rowan Atkinson.

Atkinson alias Mr. Bean? Was beeindruckt Sie an ihm?

Mein erster Job war mit ihm, im Stück ‹The Nerd› noch bevor er Mr. Bean war. Er wollte, dass wir uns alle jeden Abend in der gleichen Reihenfolge nebeneinander aufstellten. Dann kam er vorbei und schüttelte jedem die Hand und sagte immer dasselbe: ‹Wie geht es dir, Christian? Wie war dein Tag?› Ich fand das faszinierend. Er war sehr höflich, aber wir lernten uns nicht wirklich kennen. Und wenn der Vorhang aufging, war er plötzlich ein ganz anderer Mensch. So stellte ich mir die Schauspielerei vor.

Sie transformieren sich ja jeweils auch extrem – nicht nur äusserlich. Auf dem Set sprachen Sie mit Ken Miles’ Akzent auch wenn die Kamera nicht lief. Woher kommt diese Disziplin?

Mein Vater sagte jeweils, geboren zu sein, sei die grösste Sünde. Ich glaube, das ist irgendwie hängen geblieben, und deshalb versuche ich mich immer zu beweisen. Aber vermutlich hat es auch damit zu tun, dass ich keine richtige Schauspielerausbildung hatte. Es gibt Schauspieler, die haben das Werkzeug, sich vor der Kamera einfach ein- und ausschalten zu können. Ich habe keine Ahnung, wie sie das machen. Es ist also eine Überlebensstrategie: Wenn ich nicht alles gebe, klaut mir vielleicht jemand meinen Job.

Apropos Konkurrenz: Joaquin Phoenix hat gerade den ‹Joker› gespielt. Was halten Sie als ehemaliger Batman von seiner Interpretation?

Ich gehe nicht oft aus, und in der Regel schaue ich mir nicht viele Filme an, aber den werde ich sicher noch sehen. Ich finde es wahnsinnig mutig von Joaquin, nach Heath Ledgers Performance diese Rolle zu spielen. Aber er ist ein phänomenaler Schauspieler. Mich interessiert immer, was er macht.

«Le Mans 66 – Gegen jede Chance» läuft ab 14. November in unseren Kinos.

Die Kino-Highlights im November
Zurück zur Startseite