Inside Buckingham Palace «Er hört nicht auf, Handgranaten auf die Windsors zu werfen»

Von Bruno Bötschi

27.5.2022

In «Palace Papers» liefert Tina Brown intime Einblicke in das Leben der englischen Königsfamilie. Sie schreibt zudem über das zerrüttete Verhältnis zwischen Catherine und Meghan, Prinz Charles' Schwiegertöchtern.

Von Bruno Bötschi

Wahrscheinlich wäre das neuste Buch über die Familie Windsor deutlich weniger prickelnd ausgefallen, würden Charles, William, Harry und Co. die Jobbeschreibung von Queen Mary, also der Grossmutter der heutigen Königin, etwas mehr beherzigen.

Deren Credo lautete: «Wir sind Mitglieder der britischen Königsfamilie. Wir sind niemals müde, und wir alle lieben Krankenhäuser.»

Aber irgendwann ist halt jeder Mensch einmal erschöpft – auch Catherine, Herzogin von Cambridge, Ehefrau des zweiten Thronfolgers William. Wer weiss, vielleicht war sie auch nur müde, weil sie kurz vorher ihr drittes Kind, Prinz Louis, zur Welt gebracht hatte und es einfach leid war, in der Hitze herumzustehen und sich von Meghan, also der künftigen Herzogin von Sussex, herumkommandieren zu lassen.

Und dabei hatte doch alles so schön begonnen.

«Wann ich wusste, dass sie die eine ist? Bei unserer allerersten Begegnung», sagte Prinz Harry, als er zusammen mit Meghan die Verlobung im Kensington Palace in London bekannt gab. 

Müdigkeit und Panikattacke

Catherine versus Meghan. «Eine geradezu unwiderstehliche Story für die Boulevardpresse, die es liebt, Rivalität zwischen Frauen zu schüren», schreibt Tina Brown in ihrem dieser Tage erschienenen über 700 Seiten starken Enthüllungsbuch «Palace Papers».

Die britische Journalistin erzählt, wie kurz vor der Hochzeit von Meghan und Harry die Spannungen zwischen den künftigen Schwägerinnen zunehmen. Bei der Anprobe für die Blumenmädchen soll es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Catherine, nach wie vor meistens nur Kate genannt, und Meghan gekommen sein.

Brown weiter: «Bei der inzwischen sagenumwobenen Episode stellt sich alle Welt die Frage: Wer hat wen zum Weinen gebracht? Später hiess es, Meghan habe darauf bestanden, dass die kleinen Mädchen – zu denen auch Kates dreijährige Tochter Prinzessin Charlotte gehörte – keine Strumpfhosen unter ihren elfenbeinfarbenen Seidenkleidern tragen sollten, und das habe die königliche Traditionalistin Kate an den Rand einer Panikattacke gebracht. Einer anderen Version zufolge war Kate gereizt, weil den Blumenmädchen die Kleider nicht passten.»

Oder war Kate eben doch einfach nur müde?

Schwächen und Streitereien

Schwächen und Streitereien der royalen Familie in ziemlich dicken Büchern offenzulegen, gehört zu den Spezialitäten von Tina Brown. Der «Spiegel» nennt sie die «Nemesis der Windsors».

Die Journalistin hat in den 80er Jahren das kränkelnde Hochglanz-Klatschheftli «Tatler» reanimiert. 2007 erschien ihr erstes Windsor-Buch auf dem Markt: «Diana, die Biographie». Sie beschrieb darin die verstorbene Prinzessin nicht nur als Paparazzi-Opfer, sondern auch als machtbewusste Frau, die die Presse geschickt für sich zu nutzen wusste. In den Augen der royalen Familie ein Tabubruch.

«Palace Papers» sind nun sozusagen die Fortsetzung. Das Buch wird sicher wieder für viele Diskussionen hinter den Palastmauern sorgen.

Dabei schien doch alles langsam wieder gut zu werden.

Keine Szene und keine Wutanfälle

Nachdem sich der Schock über Dianas Unfalltod im Jahr 1997 langsam etwas gelegt hatte, schien Prinz Charles am Ziel seiner Träume zu sein: 2008 konnte er Camilla, die Liebe seines Lebens heiraten. Und seit vergangenem Februar ist zudem bekannt, dass wenn Elisabeth II. dereinst das Zeitliche segnet, sich Camilla sogar «Queen» nennen darf.

Und dann wäre da natürlich noch der Star der Familie: Catherine «Kate» Middleton.

Im Buch heisst es: «Im Jahr 2011 stand die Frage im Raum, ob sich ein Mädchen mit so unspektakulärer Herkunft erfolgreich zu einer künftigen Königin entwickeln könnte. Heute fragt man sich nur noch, wie das Haus Windsor ohne sie überlebt hätte.»

Doch wider Erwarten sei Kate die unerschütterlichste Braut der Welt gewesen – keine tränenreiche Szene, keine Panik in letzter Minute, keine Wutanfälle. Ihre einzige Sorge sei scheinbar gewesen, dass ihr Magenknurren von einem offenen Mikrofon aufgefangen werden könnte, wie Tina Brown von einer nicht genannten Quelle berichtet.

Ausdruckslose Verärgerung und gefühlskalte Verwandte

Kate sei anfänglich, heisst es, auch wunderbar mit Meghan zurechtgekommen, obwohl die sie anfangs «als eher kühl» empfunden habe. Doch irgendwann fing es an zu kriseln zwischen den beiden Frauen.

Möglicherweise hat das mit einem ersten offiziellen gemeinsamen Auftritt  der «Fab Four» im Februar 2018 zu tun. Damals teilten William, Kate und Harry mit, dass Meghan nun auch Mitglied der Royal Foundation sei. Kurz danach riss die gelernte Schauspielerin die Show an sich.

«Frauen müssen keine Stimme finden. Sie haben eine. Sie müssen nur darin bestärkt werden, sie zu benutzen», sagte Meghan zitierfähig, während Harry ihr dabei ehrfürchtig zusah, derweil sein Bruder und Schwägerin mit ausdrucksloser Verärgerung daneben standen.

Es sollte nicht das einzige Problem zwischen den beiden Paaren bleiben. Zu allem Elend fing dann auch noch Harry an zu rebellieren. Er mass der royalen Familie immer weniger Bedeutung zu – wohl auch deshalb, weil er mit jedem Kind, das sein Bruder und künftiger König zeugte, in der Thronfolge weiter nach hinten gereicht wurde.

Vielleicht dachte er sich aber auch: Warum soll ich mich in irgendwelchen Palästen mit gefühlskalten Verwandten langweilen, wenn ich gemeinsam mit meiner Lieblingsfrau zu einem globalen Star werden kann?

Rassistisch, xenophob und selbstmordgefährdend

Der Rest der Geschichte füllte in den letzten vier Jahren so manche Zeitschriften- und Online-Seite. Harry und Meghan kehrten der royalen Familie den Rücken, machten den Megxit und wanderten in die USA aus. Und hielten sich kurz darauf auch nicht mehr an eine royale Hausregel: «Sich nie beschweren, sich nie erklären.»

Als die Sussexes im März 2021 Ophrah Winfrey ihre Geschichte im Fernsehen erzählten, war danach so viel Feuer wie schon lange nicht mehr unter dem Dach des Buckingham-Palastes. Was nicht weiter verwundert: Meghan betitelte im Gespräch den über ein Jahrtausend alten Laden als rassistisch, xenophob und selbstmordgefährdend.

Wirklich gelöscht werden konnten die Flammen seither nicht mehr.

Auf sie wirke Harry immer noch «sehr, sehr wütend», schreibt Tina Brown im Buch «Palace Papers», «er hört nicht auf, Handgranaten auf die Windsors zu werfen». Schon bald soll zudem die Autobiografie des Prinzen erscheinen. Dieses Buch könne jede Chance auf eine Versöhnung der Familie zunichtemachen, orakelt die Autorin weiter.

Und so schaut die Welt umso gespannter nach London, wenn dort nächste Woche das Platinjubiläum von Queen Elizabeth II. begangen wird und Prinz Harry und Herzogin Meghan zusammen mit ihrem dreijährigen Sohn Archie und Baby Lilibet zu den Feierlichkeiten erwartet werden.

Eine Premiere, denn ein gemeinsames Treffen mit der Royal Family hat es seit mehr als zwei Jahren nicht gegeben. Aber wer weiss, vielleicht treffen sich Kate und Meghan ja zu einem Tässchen Tee.


Bibliografie: «Palace Papers»: Die Windsors die Macht und die Wahrheit, Tina Brown, Droemer, ca. 30 Fr.


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