«Tagesschau»-Journalist Franz Fischlin «Dass ich SRF verlasse, kann ein Vorteil sein»

Von Carlotta Henggeler

27.4.2022

Die Nachricht von Franz Fischlins Abgang sorgte gestern für Aufregung, nicht nur am Leutschenbach. Warum hat er gekündigt – und wohin zieht es den beliebten «Tagesschau»-Anchor? blue News hat nachgefragt.

Von Carlotta Henggeler

Franz Fischlin, was gab den Ausschlag für die Kündigung?

Mein Wunsch nach grösserer zeitlicher Flexibilität, die Lust auf eine neue Etappe. Ich bin als Newsjournalist Jahre, sogar Jahrzehnte in fixe Dienstpläne eingebunden gewesen. Nun freue ich mich auf mehr Spielraum. Für neue berufliche Projekte, aber auch für meine Familie.

Haben Sie einen internen Wechsel in Betracht gezogen?

Nein, das war für mich keine Option. Ich suchte einen Neuanfang.

Können Sie etwas konkreter werden, wie es beruflich weitergeht?

Ich hab konkrete Ideen, aber sie sind noch nicht spruchreif. Sicher ist, ich bleibe dem Journalismus verbunden. So etwa im Verein «Qualität im Journalismus», in dessen Vorstand ich bin. Zudem bin ich in der Jury von verschiedenen Medienpreisen. Hier geht es vor allem um die Debatte, die solche Auszeichnungen auch begleiten, um die Auseinandersetzung mit dem journalistischen Handwerk. Dass ich SRF verlasse, kann ein Vorteil sein, denn so kann ich mich als unabhängige Stimme in die Debatte um Medienqualität einbringen.

Wen oder was werden Sie am meisten vermissen?

Das habe ich mir noch gar nicht überlegt. Vielleicht den Nervenkitzel einer Live-Sendung? Nun ja, ganz sicher aber viele Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich nicht nur super zusammengearbeitet, sondern auch engagiert diskutiert, Wissen ausgetauscht oder wir uns auch bloss mal den neuesten Witz erzählt haben. Zum Glück haben wir noch ein paar Monate miteinander. Und: Fehlen wird mir auch der Dialog und der Austausch mit dem Publikum. Das Publikum hat mich all die Jahre getragen.

«Ein interner Wechsel war keine Option, ich suchte einen Neuanfang»

In letzter Zeit gab es einige Persönlichkeiten, die bei SRF gekündigt haben. Medien sprechen von einem Exodus, nehmen Sie das auch so wahr?

Nein, ich finde, dass es ein Zeichen dafür ist, dass der Markt spielt. Es gehen ja nicht nur Leute von SRF weg, es kommen ja auch welche. So haben wir beispielsweise in vielen Redaktionen grosse Talente, die neu bei uns sind. Klar ist aber, dass wenn beim Medium Fernsehen eine bekannte Persönlichkeit entscheidet, sich neu zu orientieren, dies mehr auffällt als in einem anderen Unternehmen.

Sie haben Ihr Pensum schon mal auf 60 Prozent reduziert, jetzt die Kündigung. Möchten Sie sich noch intensiver um Ihre Kinder kümmern?

Das Private ist sicher auch mit ein Grund. Ich freue mich darauf, keinen Elternabend mehr zu verpassen, eine Gesangsvorführung oder ein Volleyball-Spiel. Und ich möchte auch meine Frau, die einen sehr anspruchsvollen Job hat, noch mehr entlasten.

Wer soll in Franz Fischlins Fussstapfen treten?

Diesen Sommer verlässt Franz Fischlin die «Tagesschau». Wer soll ihn ersetzen? blue News hat eine Umfrage gestartet – und das sind die Resultate: (Publikationsstand: 27. Mai, 10:30 Uhr).Auf dem ersten Platz ist Mario Grossniklaus, gefolgt von Wasiliki Goutziomitros und Patrizia Laeri.

Ich finde es wichtig, dass Frauen Führungspositionen innehaben. Gleichstellung heisst für mich auch, ich will selber etwas tun dafür. Gleichzeitig habe ich aber sicher auch beruflich mehr Spielraum für Spontanität. Zum Beispiel einen Kollegen oder eine Kollegin zu treffen und spannende Ideen auszutauschen. Und an Projekten zu arbeiten, die in den letzten Jahren liegenblieben, weil Zeit und Musse fehlten.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.

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