Erster Schweizer Netflix-Film «Das nützt dem Tourismus mehr als jede Werbung mit King Roger»

Von Fabian Tschamper

23.1.2023

Mit seinem Projekt «Early Birds» dreht Michael Steiner gerade den ersten Schweizer Film für die Streamingplattform Netflix. Beim Besuch auf dem Set an der Langstrasse in Zürich erklärt der Regisseur, warum eine Netflix-Produktion weniger Druck als ein klassischer Schweizer Film ausübt.

Von Fabian Tschamper

An der Langstrasse in Zürich wird es düster, nass und kalt. Der Schweizer Erfolgsregisseur Michael Steiner arbeitet derzeit am ersten Netflix-Film der Schweiz überhaupt. Mit «Early Birds», was noch als working title verwendet wird, dreht der 53-Jährige einen Neo-Noir-Thriller, bei dem zwei junge Frauen im Mittelpunkt stehen.

Durch einen Drogendeal, der schiefläuft, sehen sich die beiden Protagonistinnen von der Polizei und den Dealern verfolgt – die Frauen machen sich nämlich mit dem Geld aus dem Staub. Schauplatz ist unter anderem die Langstrasse und ein abgelegenes Chalet in den Schweizer Bergen. Mehr Details sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Zum Cast zählen Anatole Taubman, die deutsche Schauspielerin Nilam Farooq («Contra») und die Newcomerin Silvana Synovia.

Während des Besuchs auf dem Set – genauer: vor der Piranha-Bar an der Langstrasse – gibt Michael Steiner Auskunft zu seinem aktuellen Projekt.

Die Idee wurde dem Filmemacher vor zwei Jahren vorgestellt: «Sie hatten mich gefragt, ob ich da Regie führen will. Mit Drehbuchautor Thomas Ritter habe ich während eines Jahres am Skript gearbeitet», erzählt er. Dabei legt der Regisseur viel Wert auf die Details. Auch schätzt er es, wenn ihm die Schauspieler*innen selbst Inputs liefern. Denn: «Das sind meine Partner und nicht meine Marionetten.»

Dem pflichtet Nilam Farooq während des Interviews ebenfalls bei: «Ich werde es vermissen, mich so viel einbringen zu können wie bei Michael Steiner.»

«Michael Steiner ist mein Endgegner»

Als sich die jetzige Hauptdarstellerin und der Schweizer Regisseur allerdings zum ersten Mal kennengelernt haben, war die Deutsche ein bisschen auf verlorenem Posten: «Das Casting war wegen der Sprache ein Kulturschock für mich. Michi spricht wahnsinnig schnell – zwar auf Hochdeutsch, aber dann doch nicht so richtig. Ich habe die meiste Zeit nur gehofft, dass ich die Fragen richtig verstehe und beantworte.»

Und sie fügt dabei lachend an: «Michael Steiner ist mein Endgegner, was die Schweizer Sprache angeht. Die meisten versteht man ja total gut. Michi als Massstab zu nehmen, wäre schwierig geworden.»

Steiner selbst war Feuer und Flamme, die 33-Jährige für sein Projekt gewinnen zu können. Erst letztes Jahr überzeugte sie Kritiker*innen im deutschen Raum mit ihrer Performance in «Contra», in welchem sie eine Studentin spielt, die von ihrem Juraprofessor (Christoph Maria Herbst) rassistisch beleidigt wird – und schliesslich einen Deal eingehen muss, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Netflix macht vieles einfacher

«Early Birds» ist der erste Film, den die Schweiz für den König der Streamingdienste produziert. Wie sieht es denn da mit dem Druck aus, Herr Steiner?

«Ich bin befreiter, weil es Netflix ist. Beim Schweizer Film muss ich durch alle Förderinstitutionen. Da entscheiden Kommissionen, ob man ein Drehbuch gut findet oder nicht. Bei Netflix habe ich nur mit einer Abteilung zu tun. Daraus resultiert, dass die Vorgaben und die Vorstellung klarer sind, was Netflix genau von mir und dem Film erwartet.»

Die Touristen-Flut könnte folgen

Dass er die Schweiz repräsentieren möchte, liegt auf der Hand. Nicht selten sind erfolgreiche Serien oder Filme auf Netflix der Auslöser für eine Touristen-Flut – so etwa «Emily in Paris». Auch wenn Steiner die klassischen Schweizer Sehenswürdigkeiten mit der Langstrasse nicht wirklich zeigen kann, hat er doch einen Weg gefunden, das Matterhorn in den Film einzubauen: «Ich habe ein Bild des Matterhorns als erste Einstellung aufhängen lassen, dann reihert ein Passant vor das Bild und die Kamera fliegt in die Langstrasse raus», erläutert der Regisseur lachend.

Erst jüngst beantwortete der Direktor von Schweiz Tourismus die Frage, ob es denn automatisch zum Reisehype führt, wenn eine Netflix-Produktion erfolgreich ist – nein, meint dieser. Das Interview hat auch Michael Steiner gelesen – und den passenden Konter parat: «Ich glaube, es hat einen massiven Einfluss auf den Tourismus in einem Land. Sobald im nächsten Jahr die Lex Netflix kommt, wird es unzählige Filme geben, in denen die Wahrzeichen der Schweiz zu sehen sind. Das wird mehr für den Tourismus tun als jeder Werbespot mit oder ohne King Roger», sagt er und schaut verschmitzt.

«Early Birds» wird neben Netflix von CH Media und hugofilm koproduziert und soll im Herbst 2023 Premiere feiern.

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