Eddie Redmayne als eiskalter Killer«Das Drehbuch zeigt jeden Charakter – niemand ist nur gut oder nur böse»
Von Rachel Kasuch/Teleschau
15.12.2024
Seine Rolle in der Serie «The Day of the Jackal» brachte Oscar-Preisträger Eddie Redmayne zum Nachdenken – über die Gesellschaft und sich selbst. Im Interview erklärt er, was das alles mit Musiker David Bowie zu tun hat.
Von Rachel Kasuch/Teleschau
15.12.2024, 10:22
15.12.2024, 12:25
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In der ersten Staffel der TV-Serie «The Day of the Jackal» spielt Eddie Redmayne einen meisterhaft getarnten Auftragskiller.
Im Interview erzählt der 42-jährige Schauspieler, wie ihn ein Interview von Musiker David Bowie bei der Charakterentwicklung inspiriert hat.
E«s ist eines seiner ersten Interviews, in denen er nicht stark geschminkt oder extravagant gestylt ist. Er zeigt sich ganz pur und lässt sich von einem Journalisten interviewen», so Redmayne.
Mit seiner Rolle in TV-Serie «The Day of the Jackal» taucht Eddie Redmayne tief in die Abgründe eines charismatischen Bösewichts ein. Denn jener «Schakal» ist nach der gleichbetitelten Buchvorlage von Frederick Forsythe aus den 70ern ein sich meisterhaft tarnender Auftragskiller.
Im Interview erzählt der 42-jährige Schauspieler, wie ein unerwarteter Einfluss von David Bowie ihn bei der Charakterentwicklung inspiriert hat, warum moralische Grauzonen das Herz der Geschichte bilden und wie ihn die Arbeit an der Rolle dazu brachte, über seinen eigenen Umgang mit Druck und Leidenschaft nachzudenken.
Seit dieser Woche ist bei Sky Atlantic das Finale der erste Staffel zu sehen. Eine zweite Season ist bereits angekündigt.
Eddie Redmayne, wie haben Sie in Ihre Rolle «The Jackal» hineingefunden? Was hat Ihnen geholfen?
Ich wollte unbedingt wieder mit der wunderbaren Bewegungstrainerin Alexandra Reynolds arbeiten. Wir haben schon bei einigen meiner früheren Charaktere zusammengearbeitet, und diesmal brachte sie eine wirklich faszinierende Inspiration mit: ein Interview mit David Bowie aus den 70ern.
Es ist eines seiner ersten Interviews, in denen er nicht stark geschminkt oder extravagant gestylt ist. Er zeigt sich ganz pur und lässt sich von einem Journalisten interviewen.
Was hat Sie an David Bowie fasziniert?
Was mich sofort fasziniert hat, war nicht nur seine Körperhaltung, diese ruhige Unnahbarkeit, sondern auch, wie er darüber spricht, warum er verschiedene Persönlichkeiten annimmt und sich in diesen Rollen wohler fühlt als in seiner eigenen Haut. Das war so aufschlussreich.
Wie genau haben Sie das für Ihre Rolle genutzt?
Ich habe versucht, ein wenig von dieser Haltung, dieser Distanz und Gelassenheit, in meinen Charakter einfliessen zu lassen. Es war, als würde ich ein Stück von Bowies Denkweise adaptieren, um meiner Figur eine neue Tiefe zu verleihen.
Und was hat Sie an der Geschichte fasziniert?
Ehrlich gesagt, vieles! Aber was mich wirklich gepackt hat – und vielleicht geht es Ihnen beim Zuschauen ähnlich – ist die Art, wie die Geschichte mit Gut und Böse spielt. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie sich von einer Figur gleichzeitig angezogen und abgestossen fühlen? Genau so ist es mit dem Jackal.
Er ist eigentlich der Bösewicht, aber so charismatisch, dass man fast vergisst, was er tut. Das Drehbuch zeigt jeden Charakter auf einem moralischen Spektrum – niemand ist nur gut oder nur böse.
Bianca (Anmerkung der Redaktion: Die Geheimdienstoffizierin wird gespielt von Lashana Lynch) und der Jackal sind wie zwei Seiten derselben Medaille: beide extrem pedantisch, obsessiv und talentiert. Aber genau diese moralischen Grauzonen machen sie so spannend.
Kann man aus der Geschichte auch etwas für das Leben in unserer Welt lernen?
Absolut. Ich finde, unsere Welt hat sich stark verändert, vor allem, wenn es um Machtverhältnisse geht. Es ist längst nicht mehr so klar, wer die Fäden in der Hand hält und wer nur eine Marionette ist. Und dann die Frage: Kämpfen diese Puppenspieler überhaupt für das Richtige? Oder vielleicht für etwas völlig Mehrdeutiges?
Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, wer eigentlich die Kontrolle hat – und ob diese Entscheidungen wirklich im besten Sinne getroffen werden?
Genau das spiegelt auch unsere Gesellschaft wider. Manchmal fühlt es sich an, als würden wir in einem Spiel mitspielen, dessen Regeln wir nicht kennen. Und während wir uns fragen, wer die Kontrolle hat, merkt man, wie fliessend die Grenzen zwischen Gut, Böse und all den Grautönen dazwischen geworden sind. Das macht es so spannend – und so erschreckend.
Hat diese Rolle Sie auch dazu gebracht, über Ihren eigenen Umgang mit Druck und Extremsituationen nachzudenken?
Absolut, es hat mich wirklich dazu gebracht, über alles nachzudenken. Ich bin ehrlich gesagt kein ruhiger Mensch in einer Krise – mein Kopf verwandelt sich in solchen Momenten oft in weisses Rauschen. Und dann spielt man jemanden, der genau das Gegenteil ist. Ich habe ihn mir im Skript wie ein «Messer durch Butter» beschrieben: präzise, kühl, effizient (überlegt).
Ich frage mich: Kann man sich diese Haltung auch im echten Leben aneignen? Es ist wie bei einem Scharfschützenschuss – du atmest tief ein, legst die Fingerspitze behutsam auf den Abzug, und während du ausatmest, löst du den Schuss. Es geht um Haltung, Fokus, eine fast meditative Ruhe.
Ein schwer erreichbares Ziel.
Manchmal frage ich mich, wie sehr uns allen ein Moment der Besinnung helfen würde – diese bewusste Ruhe, egal wie gross der Druck ist. Vielleicht sollten wir uns öfter fragen: Wie schaffen wir es, in den entscheidenden Momenten wirklich gelassen zu bleiben? Das war für mich eine wichtige Erkenntnis – auf der Leinwand und im echten Leben.
Denken Sie, dass Leidenschaft und Ehrgeiz manchmal mehr schaden als nutzen können?
Absolut, ja. Für mich war es fast wie eine Analyse von Sucht. Ich sehe ihn in gewisser Weise als Süchtigen. Wenn jemand ein Talent hat, das so unbestreitbar ist, und er sagt: «Das ist mein letzter Job. Danach ist Schluss.» Dann spürt man diese tiefe innere Zerrissenheit.
Es sind zwei Menschen, die wie zwei Seiten derselben Medaille sind. Beide sind von dem, was sie tun, regelrecht besessen. Das ist wie eine Art Workaholismus – einerseits wollen sie ein erfülltes, echtes Leben führen, als Partner, vielleicht als Eltern. Andererseits ist ihre Arbeit nicht nur ihre Leidenschaft, sondern auch ihre Sucht. Und das führt zwangsläufig zu Konflikten.
Glauben Sie, dass diese Balance überhaupt erreichbar ist – oder ist es ein ewiger Kampf?
Genau das frage ich mich auch oft. Kennen Sie das Gefühl, wenn man sich so in etwas verliert, dass alles andere aus dem Gleichgewicht gerät? Genau das macht dieses Thema so faszinierend und gleichzeitig so kompliziert. Es ist ein Knoten, den man kaum lösen kann – diese Balance zwischen Leidenschaft und persönlichem Leben. Und genau da beginnt die wirkliche Spannung.
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