«Bones and All» Da beisst Timothée Chalamet auch gern mal einen Nippel ab

Von Fabian Tschamper

19.11.2022

Das Coming-of-Age-Drama «Bones and All» handelt von einer Liebesgeschichte mit zwei Kannibalen. Der romantische Horror ist schwer verdaulich und schürft nicht nur buchstäblich tief.

Von Fabian Tschamper

Dein Crush auf Timothée Chalamet wird in «Bones and All» auf eine harte Probe gestellt. Der 26-jährige New Yorker taucht meist in Dramen auf, die den Kampf des Erwachsenwerdens thematisieren. Und er ist überdurchschnittlich gut darin, jene Teenager-Krisen darzustellen: «Call Me By Your Name», «Lady Bird» und «Little Women» unterstreichen seine schauspielerische Fähigkeit – und sein Ruf als Crush von so mancher und manchem.

Diesmal hat er sein Bad-Boy-Image allerdings noch einen Gang hochgeschaltet. «Bones and All» erzählt die Geschichte von zwei Kannibalen, die sich selbst lieben lernen. Die ausser Kontrolle geratenen Teenager begehen eine Mordserie. Doch was wie «Natural Born Killers» klingt, ist eher «Interview with a Vampire».

Das Drama verpackt eine berauschende Geschichte über Liebe und Selbstfindung in einen blutigen Horrorfilm. Eine mutige Kombination, bei der mir nicht ganz wohl ist. Einen starken Magen brauchst du auch.

Morden, fliehen und lieben

Der junge Herumtreiber Lee (Chalamet) trifft auf die kürzlich verstossene Maren (Taylor Russell), die ihre verschollene Mutter sucht. Die beiden realisieren schnell, dass sie beide «Eater» sind – «Esser». Grundsätzlich sind sie eben Kannibalen, die sich nach menschlichem Fleisch sehnen. What the hell.

Ihr erstes Treffen beinhaltet einen Mord und die hastige Entscheidung, sich zusammenzutun und zu verschwinden – in einem gestohlenen Auto. Schon beim ersten Blick erkennst du, dass sie etwas in sich sehen, wofür die Welt blind ist.

Maren und Lee jagen zusammen. Sie suchen nach der Wahrheit über Marens Mutter und weichen anderen «Essern» aus. Deren Wildheit und Seltsamkeit ist beunruhigend bis erschreckend.

Kannibalismus als Metapher für LGBTQ+

Und ja, Maren ist eine junge Frau und Lee ist ein junger Mann. Doch im Film wird Lee als sexuell «fluid» bezeichnet. Er wird gar mit einem beleidigenden Wort für Schwule verspottet. Der Kannibalismus wird als Metapher für das Queersein verwendet.

Bevor du jetzt erblasst: Das ist keine Neuerscheinung. «Interview with a Vampire», wo zwei Blutsauger eine Lebensgemeinschaft bilden, ist nur ein Beispiel. Immer wieder finden schreckliche Figuren eine dauerhafte Bindung an ein gleichgeschlechtliches Geschöpf – durch die Angst vor den Augen der Gesellschaft.

In «Bones and All» leiden die Protagonisten unter Armut – wie viele LGBTQ+-Jugendliche wurden sie aufgrund ihrer Begehren enterbt oder geächtet, also leben sie auf der Strasse. Lee ist dabei das ruhige Gegenstück, das Marens letzten Nerv besänftigt. Doch er maskiert seinen Schmerz, der unvermeidlich ausbrechen wird.

Unter anderem deswegen scheut sich Regisseur Luca Guadagnino nicht, die Brutalität der beiden zu zeigen. Die Menge an Fleisch, das zerrissen und verspeist wird, ist schockierend. Gerade auch, weil der Film generell einen sehr träumerischen Ton hat – versteckt in einem Nebel von Lust und Verbrechen. Bei Letzterem wird auch gern gezeigt, wie ein männlicher Nippel abgebissen wird.

Der DiCaprio für Arme

Chalamet war zudem die richtige Wahl für Lee, ein McDreamy quasi, der zum Albtraum werden kann. Mit seinem schlaksigen Körperbau, zerzausten pinken Haaren und einem Arsenal an blumigen Shirts ist er wie die Secondhand-Version von Leonardo DiCaprio in Shakespeare's «Romeo and Juliet». Timothée ist buchstäblich der Leo für Arme – mit all der Anziehung und ohne das Budget.

Guadagnino begrüsst in seinem neusten Werk den Bodyhorror, um damit die homophobe Gesellschaft zu verbildlichen, die im filmischen Setting in Amerika unter Ronald Reagan entstanden ist.

«Bones and All» ist eine strahlende Romanze, die gleichlaufend entsetzlich ist. Vielleicht solltest du es kurz vor oder nach dem Film vermeiden, etwas zu essen.

«Bones and All» läuft ab 24. November in allen blue Cinema Kinos.


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