«Tatort: Liebeswut» mit Moormann und Selb Bremer Krimi-Schocker: Das waren die gruseligsten «Tatorte»

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29.5.2022

War der Bremer «Tatort: Liebeswut» der gruseligste Krimi seit Langem oder Effekthascherei? Welche waren die furchterregendsten «Tatort»-Krimis der letzten Jahre?

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«Tatort: Liebeswut», der dritte Bremer «Tatort» mit den Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) – es fehlte der Exildäne Mads Andersen (Dar Salim) –, war ein echtes Gruselstück. Szenen wie aus einer blutgetränkten Graphic Novel, überlebensgrosse Düster-Verdächtige und – im wahrsten Sinne des Wortes – verwinkelte Schauplätze.

Doch bekam man es ob der grossen Bilder von Regisseurin Anne Zohra Berrached («Tatort: Der Fall Holdt») auch wirklich mit der Angst zu tun? Und bei welchen anderen «Tatort»-Folgen aus den letzten Jahren muss man höllisch aufpassen, dass bloss keine Kinder heimlich mitschauen?

Worum ging es?

Der Wohnungsbrand in einer Mietskaserne sorgt für einen bizarren Leichenfund. Hinter einer verklebten, verspachtelten Tür liegt – gut erhalten – eine tote Frau im Hochzeitskleid. Liv Moormann und Linda Selb lesen an der Wand in grossen Lettern eine kryptische Botschaft. Der Teufel spreche durch die Wände und wolle jemanden holen. Handelt es sich um den Selbstmord einer psychisch Kranken?

Die Tote war Mutter zweier kleinen Töchter, die nicht aufzufinden sind. Der getrennt von der Familie lebende Vater (Matthias Matschke) wartet mit seiner jungen, schwangeren Freundin (Milena Kaltenbach) auf die Ankunft von Zwillingen. Und dann sind da noch die Eltern der Toten (Ulrike Krumbiegel, Thomas Schendel), die ihre Tochter als extrem labil beschreiben.

Worum ging es wirklich?

Der Krimi war eine Stilübung in Sachen Gruselkultur: Beobachtungslöcher in der Wand, verborgene Zimmer, extrem übertriebene Figuren wie der wunderliche Hausmeister (Dirk Martens) oder der dauereislutschende dicke Nachbar im Unterhemd (Aljoscha Stadelmann) – das alles war so weit weg vom klassischen TV-Ermittlungskrimi wie Micky Maus von Freddy Krueger.

Das wider das Genreklischee, dass Horror eine männliche Domäne sei, agierende Kreativduo Martina Mouchot (Buch) und Anne Zohra Berrached (Regie) badete das Bremer Ermittlerinnen-Duo in alten Traumata und Verfolgungsjagden in unterirdischen Höhlengängen. Solange, bis Zuschauende jeglichen Realismus-Wunsch aufgaben, um ins Schweigen der Lämmer einzustimmen. Wer Gruselbilder der Marke Wallander oder «Sieben» von David Fincher mag, wurde hier gut bedient.

Warum gibt es immer mehr Grusel aus Deutschland?

Es ist schon auffällig: In den letzten Jahren spielten deutsche Premium-Krimis wie «Tatort» und «Polizeiruf 110» immer wieder mal mit dem Horror- und Gruselgenre. Etwas, von dem deutsche Fernsehkreative zuvor jahrzehntelang die Finger gelassen haben. Hatte man Angst vor wütenden Protesten alter «Derrick»-Fans, die Krimis eher als TV-Kreuzworträtsel mit dem Lösungswort «Täter» empfinden?

Mit der Horrorserie «Hausen» erschufen Sky Deutschland und ihr Star Charly Hübner 2020 sogar eine komplette Serie in ziemlich manierierten Bildern, die das Gruselhaus-Genre abfeierte. Tatsächlich kehren deutsche Filmschaffende, die zuvor neidisch auf den Exotismus des ausländischen Genrekinos schauten, mit ihrer neuen Lust am Horror nur zu ihren kulturellen Wurzeln zurück. Während der 20er-Jahre galt Deutschland mit expressionistischen Gruselwerken wie «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» (1922), «Dr. Mabuse, der Spieler» (1922) oder «M» (1931) als einflussreicher Vorreiter dieses Filmgenres. Im «Tatort» feiert dieses Erbe nun offenbar eine Renaissance.

Das waren die Grusel-«Tatorte» der letzten Jahre

Welche «Tatort»-Folgen spielten zuletzt mit klassischen Grusel-Elementen und wie gelungen war das? Verfolgt man die «Timeline» von der Gegenwart chronologisch zurück, stösst man mit dem Dresdener Fall «Parasomnia» (Oktober 2020) auf den vielleicht besten Grusel-«Tatort» der letzten Jahre. Ein Mädchen, das schlafwandelt, sieht tote Menschen in ihrem Haus – und auch einen echten Mörder? Selten sahen Horror-Figuren im deutschen Fernsehen so gruselig aus wie hier.

Doch auch in den Jahren zuvor spielte man beim «Tatort» bereits mit dem Genre: Im Bremer Vampir-«Tatort: Blut» (Oktober 2018), der Kieler Folge «Borowski und das Haus der Geister» (September 2018) und auch im Frankfurter «Tatort: Fürchte dich» (Oktober 2017).

Wo war Mads Andersen in dieser Folge?

Das Bremer-Ermittlungstrio war diesmal nur ein Duo. Mads Andersen, gespielt vom dänischen Top-Schauspieler und «Game of Thrones»-Star Dar Salim, hatte angeblich in Kopenhagen zu tun. Doch bedeutet das, dass wir uns vom coolen Dänen nach zwei Folgen schon wieder verabschieden müssen?

Auf Nachfrage heisst es dazu von Radio Bemen: «Thematisch ist es nicht immer sinnvoll, Liv Moormann, Mads Andersen und Linda Selb gemeinsam ermitteln zu lassen. Je nach Drehbuch und Dramaturgie kann der Film auch stärker werden, wenn zwei Ermittelnde die Story tragen. Diese gestalterische Freiheit ist so in der Aufstellung angelegt, und wir setzen sie beim ‹Tatort: Liebeswut› um.»

Wie geht es beim Bremer «Tatort» weiter?

Auch hier noch einmal ein Zitat von Radio Bremen: «Aktuell laufen bereits die Planungen für den nächsten Fall, und viel verraten wir noch nicht, aber Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer), Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) werden sich bald im Bremer ‹Tatort› wiedersehen.»