Ares (19) aus Wetzikon begeistert bei «The Voice»«Egal, wie dieses Abenteuer ausgeht, ich will Spass haben»
Bruno Bötschi
2.11.2024
Dragqueen Ares (19) aus Wetzikon ZH löst in der TV-Show «The Voice of Germany» wahre Begeisterungsstürme aus. Ein Gespräch über Lebensträume und Make-up – und entscheidende Momente auf der Bühne.
Bruno Bötschi
02.11.2024, 08:17
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Dragqueen Ares aus Wetzikon ZH begeistert in der TV-Show «The Voice of Germany» von Sat.1/ProSieben die Coaches und das Publikum gleichermassen.
Im bürgerlichen Leben heisst der 19-Jährige Micha und arbeitet als Kaufmännischer Angestellter Teilzeit in einer Gemeindeverwaltung im Zürcher Oberland.
Mit der Teilnahme an der deutschen Castingshow geht für den jungen Schweizer ein Lebenstraum in Erfüllung.
«Sobald ich die Perücke angezogen habe und ich mit dem Make-up fertig bin, spüre ich: Jetzt ist Ares da. Ich behaupte nicht, dass ich in diesem Moment zu einer anderen Person werde, aber es ist eine Verwandlung, die guttut und die mich glücklich macht», sagt Ares im Gespräch mit blue News.
Ares oder Micha, wie möchtest du im Interview genannt werden?
Ich finde es cool, wenn du mich Ares nennst.
Ares, du bist 19 Jahre alt. Wann hast du realisiert, dass du eine besondere Stimme hast?
Oh wow, danke vielmals für das Kompliment … ich singe, seit ich denken kann, und zwar immer und überall.
Auch unter Dusche?
Ja, auch dort (lacht). Meiner Familie wurde es mit meiner Singerei jedoch irgendwann zu viel, deshalb besuchte ich ab dem zehnten Lebensjahr einen Chor.
Als ich deine beiden ersten Auftritte in der TV-Show «The Voice of Germany» auf Sat.1/ProSieben gesehen habe, dachte ich: Wow, Dragqueen Ares ist die geborene Entertainerin. Du kannst nicht nur singen, sondern bist auch ein Akrobatik- und Showtalent.
Während ich im Chor sang, war ich fast gleichzeitig mehrere Jahre Mitglied in einem Voltigierverein. Beim Voltigieren werden allein oder in einer Gruppe turnerische und akrobatische Übungen auf dem Rücken eines Pferdes ausgeführt.
Mit 16. Ich habe mich damals zu Hause selbst geschminkt und parat gemacht. Danach hat mich meine Mutter fotografiert. Einen Teil dieser Aufnahmen veröffentlichte ich später auf Instagram.
Was fühltest du, als du vor zwei Wochen bei «The Voice of Germany» zum ersten Mal auf der Bühne im TV-Studio gestanden bist und gesungen hast?
Ich habe mich unglaublich auf diesen Moment gefreut, obwohl ich extrem nervös war und sich alles surreal anfühlte. Ich stand allein auf einer grossen Bühne in einem TV-Studio, in dem gegen 300 Zuschauerinnen und Zuschauer sassen und viele Kameras auf mich gerichtet waren.
Zudem sah ich wenige Meter vor mir die Rückenlehnen der vier Stühle, auf denen dahinter die vier Coaches Yvonne Catterfeld, Mark Forster, Kamrad und Samu Huber sassen. Kurz bevor ich mit dem Singen anfing, schloss ich die Augen und sagte mir: Egal, wie dieses Abenteuer ausgeht, ich will den Moment geniessen und Spass haben.
Das ist ein trauriger Song. Mein Ziel war es, die melancholische Stimmung dieses Songs während meiner Performance zu übermitteln.
Während du gesungen hast, drehten sich kurz nacheinander alle vier Coaches um. Wie hast du es geschafft, zumindest äusserlich, in dieser Situation ruhig zu bleiben und das Lied fertig zu singen?
Es ist … ach, bereits nach wenigen Sekunden drehte sich Samu Haber um. Da wusste ich: Ich bin sicher eine Runde weiter. Gleichzeitig stachelte mich dieser Umstand zusätzlich an, auch alle anderen Coaches von meinen Gesangskünsten zu überzeugen. Als sich danach Yvonne Catterfeld und etwas später auch noch Mark Forster und Kamrad umdrehten, war ich einfach nur glücklich.
Wieso hast du dich für Singer-Songwriter Kamrad entschieden und nicht für den viel berühmteren Samu Haber von der finnischen Popband Sunrise Avenue?
Jetzt kann ich es verraten: Im Vorfeld meines ersten Auftritts bei «The Voice of Germany» waren Mark Forster und Kamrad meine zwei Favoriten. Das hat vor allem damit zu tun, dass ich die Musik von Yvonnne Catterfeld und Samu Huber bisher weniger gut kannte.
Aber du hast recht, Kamrad ist wahrscheinlich der unbekannteste der vier Coaches. Ich liebe jedoch seine Musik sehr und deshalb entschied ich mich am Ende für ihn.
Wirklich wahr, dass du mehr als drei Stunden für die Verwandlung von Micha zu Ares brauchst?
Es stimmt, ich brauche fast immer drei Stunden. Allein das Make-up dauert über zwei Stunden. Ich schminke mich selbst, genauso wie ich auch meine Perücken selber style. Sehr oft kreiere und nähe ich auch meine Kostüme selber …
… also auch die Kostüme, die du jetzt bei «The Voice of Germany» trägst?
Kannst du in Worte fassen, was passiert, wenn du dich vom Kaufmännischen Angestellten, der auf einer Gemeindeverwaltung im Zürcher Oberland Teilzeit arbeitet, in eine Dragqueen verwandelst?
Ich mag den Prozess der Verwandlung – besonders schön finde ich es, wenn mehrere Drags sich in der Garderobe zusammen stylen und parat machen. Diese Situation schweisst zusammen und gibt Kraft.
Was passiert während dieser Zeit in deinem Kopf?
Sobald ich die Perücke angezogen habe und ich mit dem Make-up fertig bin, spüre ich: Ares ist da. Ich behaupte nicht, dass ich in diesem Moment zu einer anderen Person werde, aber es ist eine Verwandlung, die mir guttut und die mich glücklich macht. Auch weil ich spüre, dass sich die ganze Arbeit im Vorfeld gelohnt hat – und oft passiert es dann auch, dass ich etwas lauter als sonst werde und in den Spiegel schaue und sage: Oh my god, ich sehe gut aus.
Du bist im Zürcher Oberland aufgewachsen. Wann bist du zum ersten Mal als Drag in den Ausgang gegangen?
Ich gehe immer als Micha in den Ausgang – mit einer einzigen Ausnahme: Am vergangenen Wochenende war ich als Dragqueen zu Gast bei Reto Hanselmanns Halloween-Party «Season of the Witch» im Club Kaufleuten in Zürich.
Seit deinem ersten Auftritt bei «The Voice of Germany» vor zwei Wochen wirst du als einer der Favoriten der 14. Staffel gehandelt.
Für mich geht gerade ein Lebenstraum in Erfüllung. Ich wollte schon als Kind bei «The Voice Kids» mitmachen. Meine Mutter hat mir das damals aber nicht erlaubt. Umso glücklicher bin ich heute, dass ich jetzt dabei sein darf.
Was macht die Rolle als Frontrunner mit dir – und wie bleibst du trotz deines Erfolgs auf dem Boden der Realität?
Ich fühle mich geehrt, dass meine beiden ersten Performances bei den Coaches und auch den Zuschauerinnen und Zuschauern gut ankommen sind. Gleichzeitig weiss ich, ich kann nichts mehr ändern. Denn die ersten Shows von der aktuellen «The Voice of Germany»-Staffel sind bereits alle abgedreht und produziert, nur die Finalsendungen in einigen Wochen werden live ausgestrahlt. Das heisst, aktuell kann ich einfach nur zuschauen und beobachten, was passiert und wie die Coaches und das Publikum auf meine Auftritte reagieren werden.
Wie ist die Situation hinter den Kulissen bei «The Voice of Germany»: Viel Arbeit oder vor allem Spass?
Ich habe beides erlebt, aber das Wichtigste für mich ist: Es ist eine künstlerische Herausforderung, die ich liebe und der ich mich unbedingt stellen möchte.
Wie hast du diese Woche den gemeinsamen Battle-Auftritt mit Kandidat Pino Severino erlebt, als ihr den Song «Unholy»von Transfrau Kim Petras und Sam Smith performt habt?
Pino und ich verstehen uns super gut. Der Song «Unholy» hat in der queeren Community einen riesigen Impact ausgelöst. Und das nicht zuletzt auch deshalb, weil Kim Petras die erste Transperson überhaupt ist, die damit einen Grammy gewinnen konnte. Pino und ich waren während unseres Auftritts auf Augenhöhe. Das fand ich schön. Wir haben wirklich versucht, alles zu geben und die queere Community auf der Bühne zu vertreten. Unser Ziel war es, dass wir beide weiterkommen …
… was ihr am Ende auch geschafft habt.
So ist es. Ach, ich bin total glücklich, dass meine Reise bei «The Voice of Germany» weitergeht.
Sind alle Kandidat*innen von «The Voice of Germany» so nett miteinander wie Pino Severino und du oder fühlt sich die Situation hin und wieder wie in einem Haifischbecken an?
Ich habe bisher nur schöne Erfahrungen bei «The Voice of Germany» gemacht – und behaupte sogar, ich habe einige neue Freunde gefunden. Schade ist nur, dass fast alle anderen Teilnehmer*innen in Deutschland leben – also ziemlich weit weg von mir.
Du bist nach wie vor im Rennen bei «The Voice of Germany». Was erhoffst du dir durch die Teilnahme bei dieser TV-Show?
Ich hoffe, dass ich durch meine Teilnahme bei «The Voice of Germany» noch bekannter werde – und künftig als Dragqueen für Auftritte auch im Ausland gebucht werde. Und es gibt noch einen grossen Traum, den ich mir gern erfüllen möchte.
Welchen?
Ich würde gern modeln.
Und was hälst du von einem Duett mit Conchita Wurst?
Wow, das wäre grossartig. Ich durfte Nemo im Sommer 2023 kennenlernen. Nemo trat damals an der Pride in Bern auf.
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