Der Fall Till Lindemann 10 Fragen zum Rammstein-Skandal – und 10 Antworten

Von Lukas Rüttimann

7.6.2023

Die Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann wegen sexuellen Missbrauchs von jungen Frauen schlagen hohe Wellen. blue News liefert dir eine Übersicht, was bekannt ist – und was nicht.

Von Lukas Rüttimann

7.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Als sich die Irin Shelby Lynn weigert, nach einem Konzert von Rammstein Sex mit Till Lindemann zu haben, sei sie am nächsten Morgen mit Prellungen aufgewacht.
  • Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen die Band häufen sich.
  • Dutzende Frauen berichten bei den Vorwürfen von einem ähnlichen Ablauf mit Frontsänger Till Lindemann.

Worum geht es?

Den Stein ins Rollen brachte ein irischer Fan namens Shelby Lynn. Die junge Frau meldete via Social Media, dass sie nach dem ersten Rammstein-Konzert der aktuellen Europatour im litauischen Vilnius Sex mit Sänger Till Lindemann haben sollte. Sie habe sich geweigert, worauf der Sänger wütend geworden sei. Tags darauf sei sie mit – gut dokumentierten – Quetschungen und Prellungen am Körper aufgewacht. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Lynn vermutet, sie sei unter Drogen gesetzt worden und ging mit ihren Vorwürfen zur örtlichen Polizei.

Wie wurde aus einem Vorwurf eine ganze Welle?

Nachdem Lynns Vorwürfe international Schlagzeilen gemacht hatten, meldeten sich weitere Frauen. Auf Social Media, aber auch in renommierten Zeitungen und Magazinen wie «Süddeutsche Zeitung» oder «Der Spiegel». Sie alle beschreiben ein ähnliches System: Attraktive, meist sehr junge Frauen werden vom selbst deklarierten «Casting Director» Alena Makeeva – von der sich die Band mittlerweile getrennt hat – kontaktiert und an Konzerte und Aftershow-Partys eingeladen. Die Frauen dürfen in die sogenannte Row Zero unmittelbar vor der Bühne, wo einige offenbar schon während des Konzerts für sexuelle Gefälligkeiten (etwa Oralsex) aufgeboten werden sollen.

Was passiert an diesen Aftershow-Partys?

Wie es an diesen Aftershow-Partys zu und hergehen soll, beschreibt ein neues, inzwischen millionenfach angeklicktes YouTube-Video der Influencerin Kayla Shyx auf eindrückliche Weise: Die Frauen sollen von Security-Leuten in einen separaten Raum gebracht und zum Trinken von Alkohol animiert werden. Sie würden komplett abgeschottet, sollen sich nicht mehr frei bewegen können und müssen ihre Handys abgeben. Lindemann soll sich dann seine potenziellen Sexpartnerinnen aussuchen. Einige der jungen Frauen hätten im Backstage gewirkt, als seien sie unter gefügig machende Drogen gesetzt worden.

Ist Sex mit Groupies nicht einfach normales Rockstar-Benehmen?

Groupie-Sex ist so alt wie die Rockmusik selbst. Dass es auf Aftershow-Parties wilder zu und her geht, überrascht wenig. Doch bei Lindemann geht es weiter. Kritisiert werden systematische, tendenziell frauenverachtende Vorgehen mit potenziell willig machenden Substanzen, das grosse Altersgefälle zwischen ihm und seinen Groupies, falsche Informationen über den Hintergrund der Aftershow-Partys beziehungsweise die Absichten sowie jegliches Fehlen einer Alterskontrolle. Auch von Lindemanns Wutausbrüchen und seinem Konsum harter Drogen berichten viele Frauen unabhängig voneinander.

Geht es um die ganze Band Rammstein?

Nein, es geht ausschliesslich um Frontmann Till Lindemann. Die anderen Bandmitglieder leben inzwischen meist ein relativ bürgerliches Leben und sind Familienväter. Lindemanns sexuelle Ausschweifungen sollen laut Medienberichten innerhalb der Band schon länger ein Thema sein und für Spannungen sorgen.

Was ist Till Lindemann für ein Mensch?

Privat wird der Sänger als zurückhaltender und höflicher Mensch beschrieben. Allerdings halten sich Gerüchte um eine angebliche Sexsucht seit Jahren hartnäckig in der Szene. Private Pornofilme, pornografische Produkte (Intimparfüms, etc.) und ein publiziertes Gedicht, in dem er vom Sex mit einer betäubten Frau schwärmt, sind dabei Wasser auf die Mühlen all jener Frauen, die ihn mit Vorwürfen in diese Richtung konfrontieren. Im Netz findet man aber auch zahlreiche Stimmen, die ihn verteidigen – etwa seine Ex-Freundin Sophia Thomalla.

Was sagt die Band?

Den Vorwürfen von Lynn trat die Band entschieden entgegen und verneinte jegliches Fehlverhalten. Inzwischen bestreiten Rammstein und ihr Management die neuen Vorwürfe nicht mehr konkret. In einem Statement bittet die Band lediglich darum, die Frauen, die mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit gegangen sind, nicht vorzuverurteilen. Ebenso habe aber auch die Band das Recht, nicht vorverurteilt zu werden.

Was ist bewiesen?

Sexueller Missbrauch ist oft schwierig zu beweisen. Das gilt auch für den Einsatz von K.-o.-Tropfen und den Aspekt, wann Sex einvernehmlich ist. Faktoren wie das Machtgefälle oder der Gruppendruck spielen eine Rolle, wenn es um den sogenannten Consent (Einverständnis) bei sexuellen Handlungen geht. Auffallend bei den Vorwürfen gegen Lindemann ist die Ähnlichkeit der Aussagen über den Ablauf. Bei Dutzenden von Frauen.

Werden die Rammstein-Konzerte nun abgesagt?

Davon ist nicht auszugehen. Der organisatorische Aufwand und vor allem der finanzielle Schaden würden jeden Rahmen sprengen. Trotz politischem Druck wurden die vier ausverkauften Konzerte in München nicht abgesagt. Allerdings wurden die Row Zero aufgelöst und die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Auch bei den Konzerten in Bern am 17. und 18. Juni werde es keine Row Zero geben, wie der Veranstalter Gadget dem «Blick» bestätigt hat. 

Lösen sich Rammstein auf?

Diese Option besteht. Schon vor dem Skandal um Lindemann soll es Konflikte innerhalb der Band gegeben habe. Eine Auflösung soll bereits zur Debatte gestanden haben. Auf ihrem letzten Album «Zeit» gab es ausserdem etwa in dem Song «Adieu» Zeilen, die auf ein Ende von Rammstein hinwiesen. Die Band verdient vor allem als perfekt geölte Maschine auf weltweiten Tourneen Geld. Doch der Graben zwischen Lindemann und dem Rest der Band dürfte durch die aktuellen Ereignisse nicht kleiner werden.

Verlag beendet Zusammenarbeit mit Rammstein-Sänger Till Lindemann

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Der Kölner Verlag, der die Bände «In stillen Nächten» und «100 Gedichte» mit teils heftig umstrittenen Gedichten Lindemanns rausgebracht hatte, gab seine Entscheidung am Freitag bekannt.

02.06.2023