Kontroverser Tech-GigantÜberwachungsfirma Palantir treibt es an die Börse
dj
26.8.2020
Die geheimnisumwobene Überwachungsfirma Palantir will an der Börse Geld machen. Die kontroversen Geschäfte mit der US-Regierung könnten dadurch sichtbarer werden.
Die US-Überwachungsfirma Palantir, bekannt für ihre Verträge mit US-Geheimdiensten oder der umstrittenen Grenzschutzbehörde ICE, will an die Börse gehen. Das teilte das Unternehmen in einem bei der Börsenaufsicht SEC eingereichten Prospekt mit.
Palantir wurde 2003 vor allem von Peter Thiel und Alex Karp gegründet, die heute Verwaltungsratschef respektive CEO sind. Thiel wurde als PayPal-Gründer, früher Facebook-Investor und Mark Zuckerbergs Mentor reich und berühmt. Thiel gehört zu den wenigen öffentlichen Unterstützern von US-Präsident Trump unter der Tech-Elite — er hielt auch eine Rede auf dessen Nominierungsparteitag in 2016.
Alex Karp kennt Thiel von deren gemeinsamer Zeit an der Tech-Schmiede Stanford, später erwarb er an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main einen Doktortitel in Soziologie.
Palantir versteht sich als Datenanalysefirma, die entsprechende Software an Regierungen und Unternehmen verkauft. Was Palantir-Produkte genau können, bleibt meistens verborgen, aufgrund Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen mit den Kunden.
Diese Kunden haben Palantir heftige öffentliche Kritik eingebracht, vor allem die Zusammenarbeit mit der US-Einwanderungsbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE). Palantir-Software wurde etwa dazu genutzt, Einwanderer ohne Papier aufzufinden und auszuschaffen. Und während Google aus einem Vertrag mit dem US-Verteidigungsministerium über Kampfdrohnen nach Mitarbeiter-Protesten ausstieg, liess Palantir verlauten, sich nicht nach dem aktuellen politischen Wind richten zu wollen.
In seiner Einleitung zum Börsenprospekt feuerte Karp dann auch eine Breitseite gegen andere Tech-Firmen ab. Im Silicon Valley seien Unternehmen, die Nutzerdaten zu Werbezwecken verkaufen, allgegenwärtig, während Unternehmen, die für die nationale Sicherheit arbeiten, als kontrovers betrachtet würden. Ohne sie explizit zu nennen, kontrastiert Karp hier Facebook und Google mit seinem eigenen Unternehmen. Palantir-Produkte würden genutzt, um Terroristen zu jagen und die Sicherheit von Soldaten zu gewährleisten, so Karp.
Über die in seinen Augen im Silicon Valley herrschende «Monokultur» hatte sich Karp schon wiederholt beschwert. Erst letzte Woche kündigte er an, das Hauptquartier von Palantir aus dem kalifornischen Palo Alto nach Denver im Bundesstaat Colorado zu verlegen.
Hälfte der Einnahmen vom Staat
Öffentliche Kritik und Proteste über Palantirs Geschäftspraktiken führte das Unternehmen dennoch explizit als Risikofaktor im Börsenprospekt an. Die Zusammenarbeit mit Regierungen ist integral für Palantir. 47 Prozent seines Umsatzes in 2019 generierte Palantir über Regierungsverträge. Dennoch schreibt Palantir auch 17 Jahre nach seiner Gründung noch tiefrote Zahlen. In 2019 machte es ein Minus von 580 Millionen Dollar. Dass Tech-Firmen vor ihrem Börsengang noch keinen Gewinn machen, ist allerdings durchaus üblich.
Neben den US-Geheimdiensten, dem Pentagon und ICE hat Palantir auch Verträge mit lokalen Behörden. Für die Polizei in New Orleans entwickelte Palantir etwa eine Software, mit der vorausgesagt werden sollte, wer in die Zukunft ein Verbrechen begehen könnte.
Corona als Chance für Palantir
Und auch ausserhalb der USA sucht Palantir nach Regierungskunden. Das Unternehmen sagt, dass man mit jeder Regierung zusammenarbeiten werde, die «westliche Werte» vertrete. Bei der Kundenakquise geht Palantir dabei gewohnt geheimnistuerisch vor.
So traf sich Karp etwa am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Kommission hat allerdings keinerlei Unterlagen über dieses Treffen und sagte laut «Euractiv» nur, dass sich von der Leyen und Karp «aus der Vergangenheit kennen». Von der Leyen war zuvor deutsche Verteidigungsministerin.
Im Zuge der Coronakrise bot Palantir seine Software diversen europäischen Staaten an, darunter auch der Schweiz. Das Bundesamt für Gesundheit dementierte später, mit Palantir in Kontakt zu stehen oder gar mit der Firma zusammenzuarbeiten. In Grossbritannien und dem deutschen Bundesland Hessen kam jedoch Palantir-Software zur Verwaltung von Gesundheitsdaten zum Einsatz.