Vor einem Monat wurde die grösste Benzin-Pipeline der USA Opfer eines Hackerangriffs. Der Betreiber zahlte Millionen an die Erpresser. Nun vermelden die Ermittler einen Erfolg.
Nach dem Hackerangriff auf die grösste Benzin-Pipeline in den USA haben Ermittler den Grossteil einer Lösegeldzahlung in der Digitalwährung Bitcoin wiedererlangt. Sichergestellt worden seien 63,7 Bitcoin im Wert von derzeit etwa 2,3 Millionen US-Dollar, teilte das US-Justizministerium mit. Dem FBI sei es gelungen, eine digitale Geldbörse (Wallet) zu identifizieren, die Hacker mutmasslich benutzten, um eine Zahlung des betroffenen Unternehmens einzutreiben, sagte der stellvertretende Direktor der Behörde, Paul Abbate.
Das Unternehmen Colonial Pipeline hatte Anfang Mai mitgeteilt, Opfer eines Hackerangriffs geworden zu sein. In der Folge wurde der Betrieb der Pipeline, durch die etwa 45 Prozent aller an der US-Ostküste verbrauchten Kraftstoffe laufen, zeitweise komplett eingestellt. In Teilen des Landes kam es zu Benzinengpässen. Besonders schwer betroffen war die Hauptstadt Washington, wo zeitweise 88 Prozent der Tankstellen keinen Treibstoff mehr hatten. «Das war ein Angriff auf eine unserer wichtigsten nationalen Infrastrukturen», erklärte Lisa Monaco vom US-Justizministerium.
Ermittler vermuten russische Hacker hinter Angriff
Die US-Regierung vermutet hinter der Tat Hacker der Gruppe DarkSide aus Russland. Sowohl US-Behörden als auch IT-Sicherheitsexperten raten Unternehmen dringend davon ab, Lösegeld zu zahlen, um Cyber-Kriminellen keine Anreize für Erpressungen zu bieten. Doch der Pipeline-Betreiber zahlte, wie Unternehmenschef Joseph Blount Ende Mai im «Wall Street Journal» einräumte. Er habe eine Zahlung von 4,4 Millionen Dollar autorisiert. Die umstrittene Entscheidung erklärte Blount damit, dass sich das Unternehmen über das Ausmass der verursachten Systemschäden unsicher gewesen sei.
Nach Angaben des US-Justizministeriums hatte Colonial Pipeline das FBI rasch darüber unterrichtet, dass DarkSide in das Computernetzwerk eingedrungen sei und das Unternehmen das geforderte Lösegeld in Höhe von 75 Bitcoin entrichtet habe. Bei sogenannten Ransomware-Attacken werden Daten auf Computern verschlüsselt – und die Angreifer verlangen meist Lösegeld für die Freigabe. Es wurden auch schon früher Fälle bekannt, in denen Unternehmen zahlten. Es ist aber ausgesprochen selten, das diese Geld zurückzubekommen.
Methode unklar
Wie genau das FBI in den Besitz der erpressten Bitcoins gelangte, wurde nicht verraten. Diese Ungewissheit wird für einen knapp 10 prozentigen Absturz im Bitcoin-Kurs vergangene Nacht verantwortlich gemacht. Offenbar gibt es Befürchtungen, dass staatliche Stellen doch irgendwie in das vermeintlich sichere und dezentrale Bitcoin-Netzwerk eingreifen können.
Colonial-Chef Blount lobte derweil die Arbeit der FBI-Ermittler in einer Mitteilung. Er erklärte zudem, der private Sektor müsse Cyberbedrohungen ernst nehmen und investieren, um sich besser dagegen zu verteidigen.
Cyber-Kriminalität «ist ernstzunehmende» Bedrohung
«Ransomware-Angriffe haben im vergangenen Jahr an Umfang und Raffinesse zunehmen und zielen auf unsere wichtige Infrastruktur, Unternehmen aller Art, ganze Städte und sogar Strafverfolgungsbehörden ab», erklärte Monaco vom Justizministerium. «Ransomware und digitale Erpressung sind eine Bedrohung für die nationale und wirtschaftliche Sicherheit der Vereinigten Staaten.»
Nur wenige Wochen nach dem Angriff auf die Benzin-Pipeline war der weltgrösste Fleischkonzern JBS von einer massiven Cyberattacke getroffen worden. Grosse Teile der Produktion in Nordamerika und Australien wurden lahmgelegt.
dpa/dj