«Gefahr neuer Technologien»Künstler entlarvt Influencer – und die Massen-Überwachung
Dirk Jacquemien
17.9.2022
Ein Kunstprojekt enthüllt, wie Influencer*innen arbeiten. Vor allem aber zeigt es die Gefahr der Massenüberwachung auf.
Dirk Jacquemien
17.09.2022, 11:22
Dirk Jacquemien
Dass Influencer*innen üblicherweise eine idealisierte Version ihres Lebens auf Social Media-Plattformen wie Instagram präsentieren, sollte allgemein bekannt sein. Und dass scheinbar spontane Schnappschüsse auf Reisen oftmals Ergebnis eines elaborierten Foto-Shootings sind, dürfte 2022 auch niemanden mehr überraschen.
Dennoch kommt es nicht oft vor, dass der Prozess zum Erstellen von «Content» so transparent zu sehen ist, wie durch das Projekt «The Follower» des belgischen Künstlers Dries Depoorter. Er führte durch die Nutzung von künstlicher Intelligenz, die öffentlich zugänglich Überwachungskameras auswertete, Social-Media-Werke und deren Entstehungsgeschichte zusammen.
Unfreiwilliger Blick hinter die Kulissen
Depoorter hat wochenlang Aufnahmen von Überwachungskameras an öffentlichen Orten gesammelt, um sie mit Instagram-Posts, die an denselben Orten erstellt wurden, zu vergleichen. Mittels öffentlich verfügbarer Gesichtserkennungssoftware wurden dann Personen identifiziert, die in beiden Quellen vorkommen.
Auf seinen Social-Media-Kanälen präsentiert Depoorter das Ergebnis. Links ist das Instagram-Foto zu sehen, rechts ein unfreiwilliges Behind-the-Scenes-Video, in dem dann beispielsweise zu sehen ist, wie die Influencer*innen mit Fotograf*innen immer neue Posen ausprobieren, bis das perfekte Bild gefunden ist.
Um bei dem Projekt nicht Otto Normalnutzer bloss zu stellen, wurden nur Posts von Influencer*innen mit mindestens 100'000 Followern ausgewertet. Doch eigentlich geht es Depoorter gar nicht um die Influencer*innen.
«The Follower» zeigt vielmehr auf, wie allgegenwärtig und einfach Massenüberwachung heutzutage ist. Was Depoorter als einfachem Künstler möglich war, lässt erahnen, was Geheimdienste, privaten Sicherheitsunternehmen oder andere Akteure mit ungleich grösseren Ressourcen durch die Technologie erreichen könnten.
Auch schon Politker*innen entblösst
«Wenn man mein bisheriges Schaffen ansieht, sieht man, dass ich die Gefahr neuer Technologien zeige. Ich hoffe, eine Menge Leute zu erreichen, indem ich es wirklich einfach mache», so Depoorter zu «Vice».
Bei seinem früheren Projekt «The Flemish Scrollers» liess er KI-Software die Live-Übertragungen des flämischen Regionalparlaments auswerten. Immer, wenn ein/e Abgeordnete*r das eigene Smartphone nutzte, setzte ein Twitter-Bot automatisch einen Tweet an den/die Politiker*in ab mit der Aufforderung, sich doch auf die Arbeit zu konzentrieren.