Zweifel um Tod Hat ein Krypto-Betrüger wirklich Hunderte Millionen Dollar mit ins Grab genommen?

dj

16.5.2021

Der Verbleib eines Krypto-Schatzes bewegt viele Gemüter.
Der Verbleib eines Krypto-Schatzes bewegt viele Gemüter.
Getty Images

Der Chef einer betrügerischer Kryptowährungbörse soll in den Flitterwochen gestorben sein, Hunderte Millionen Dollar in Bitcoin und Co. scheinen verloren. Doch die Gläubiger*innen sind skeptisch, ob Gerald Cotten wirklich tot ist.

dj

16.5.2021

QuadrigaCX war die grösste Kryptowährungsbörse Kanadas. Anfang 2019 stellte sich plötzlich den Betrieb ein, die Kund*innen kamen nicht mehr an ihr Geld. Der angegebene Grund: Einen Monat zuvor war Gründer und CEO Gerald Cotten verstorben und nur er kannte die privaten Schlüssel zu den Krypto-Geldbörsen oder Wallets von QuadrigaCX.

Die enthielt Kryptowährungen mit einem damaligen Gegenwert von 250 Millionen Kanadischen Dollars (CAD; 186 Millionen Franken). Das grösste Sicherheitsfeature von Kryptowährungen wie Bitcoin ist gleichzeitig ihr grösstes Risiko. Nur mit Kenntnis des privaten Schlüssels kann man auf das Geld zugreifen. Geht dieser Schlüssel verloren, ist das Geld unwiederbringlich verloren, der stärkste Computer der Welt kann die Verschlüsselung nicht knacken.

Ungereimtheiten treten auf

QuadrigaCX musste also Insolvenz anmelden. Gerald Cottens Witwe Jennifer Robertson erklärte vor Gericht, sie habe wochenlang nach den Schlüsseln gesucht und gehofft, ihr Mann hätte sie vielleicht irgendwo niedergeschrieben. Doch sie sei erfolglos geblieben. Das Geld schien also verloren.

Entgegen allgemeinem Glauben sind Bitcoin und die meisten anderen Kryptowährungen ziemlich transparent. Kennt man die Adresse einer Geldbörse, ist in der Blockchain öffentlich einsehbar, wie viele Bitcoins sie enthält. Und eine forensische Untersuchung der Wirtschaftsprüfer EY machte im Mai 2019 eine erstaunliche Entdeckung.

QuadrigaCX zugeschriebene Geldbörsen, in denen eigentlich 250 Millionen CAD in Kryptowährungen sein sollten, waren grösstenteils leer. Das meiste Geld hatte Cotten schon Monate vor seinen Tod ausgegeben, selbst mit Kenntnis seiner privaten Schlüssel wäre also nicht mehr viel zu holen gewesen.



Alles nur ein grosser Betrug

Die Ontario Securities Commission (OSC), die für die Finanzmetropole Toronto zuständige Börsenaufsicht, nahm sich der Sache an. Ihre Untersuchung kam zu dem Schluss, dass Cotten die bei QuadrigaCX angelegten Kundengelder grösstenteils verzockt hatte, bei Spekulationen auf Kryptowährungen.

Die Verbindlichkeiten von QuadrigaCX gegenüber bestehenden Kund*innen konnten nur mit dem Geld neuer Kund*innen bedient werden. Es handelte sich also um einen klassischen Ponzi scheme, eine Variante eines Schnellballsystems, das früher oder später zusammenbrechen musste.

Hat sich Cotten abgesetzt?

Allerdings: Den Verbleib von 23 Millionen CAD konnte die OSC nicht klären. Und so gibt es Vermutungen, Cotten habe seinen Tod nur vorgetäuscht und sich mit dem Geld abgesetzt. Denn neben seinem betrügerischen Vorgehen gibt es noch weitere Ungereimtheiten. 12 Tage vor seinem Tod setzte er etwa sein Testament neu auf und macht Robertson zur Alleinerbin und Testamentsvollstreckerin.

Cotten soll am 9. Dezember 2018 bei seinen Flitterwochen in Indien an den Folgen von Morbus Crohn gestorben sein. So sagt es seine vermeintliche Witwe und die Sterbeurkunde. In seiner Heimatstadt Halifax gibt es ein Grab mit seinem Namen. Die QuadrigaCX-Gläubig*innen verlangen jedoch eine Exhumierung und DNA-Analyse, um zu bestätigen, dass erstens Cotten wirklich in diesem Grab liegt und falls ja, dass er zweitens eines natürlichen Todes gestorben ist. Robertson ist dagegen, bisher gab es keine gerichtliche Entscheidung.

Das Mysterium um Gerald Cotten und seine Krypto-Millionen bleibt also erstmal bestehen und liefert Stoff für Geschichten. Ein Dokumentarfilm namens «Dead Man's Switch» macht gerade auf Festivals die Runden und der diese Woche Premiere feiernde Podcast «Exit Scam» hat sich ebenfalls den Fall zum Thema gemacht.