Zuckerbergs rechte HandDieser Mann wird Trumps Schicksal bei Facebook besiegeln
dj
8.5.2021
Der ehemalige stellvertretende Premierminister von Grossbritannien ist ein enger Vertrauter von Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Er wird wohl über Donald Trumps Schicksal auf dem sozialen Netzwerk entscheiden.
dj
08.05.2021, 00:00
dj
Facebook wollte sich wohl aus der Verantwortung stehlen. Nachdem es den Account vom damals noch im Amt befindlichen US-Präsidenten Donald Trump nach dessen Anstiftung zum Aufstand sperrte, überliess es dem frisch etablierten Oversight Board, einem Pseudo-Gerichtshof für Facebook, die endgültige Entscheidung über Trumps Zukunft auf der Plattform.
Doch das Oversight Board spielte den Ball an Facebook zurück, da eine «Sperre auf unbestimmte Zeit», wie sie von Facebook verhängt wurde, in den Regeln gar nicht vorgesehen war. Das Unternehmen solle doch selbst entscheiden, was mit Trump geschehen wird. Entweder wird er entsperrt oder sein Account wird dauerhaft gelöscht. Trumps Schicksal dürfte nun zu grossen Teilen von Nick Clegg bestimmt werden.
Der 54-jährige Clegg, seit 2018 «Vice President for Global Affairs» bei Facebook, hat sich zum wichtigsten Berater von CEO Mark Zuckerberg in politischen Fragen entwickelt. In der Anfangszeit der Trump-Ära verliess sich Zuckerberg noch hauptsächlich auf den Republikanern nahestehende Berater, inzwischen hat der liberalere Clegg deutlich an Einfluss gewonnen.
Clegg war Spitzenpolitiker in Grossbritannien, 2010 konnte er seinen grössten Erfolg verzeichnen. Er war Vorsitzender der Liberaldemokraten, seit den 1980ern die drittgrösste britische Partei, hinter der Labour Party und den konservativen Tories. Im Parlamentswahlkampf 2010 brachte der dynamische Clegg dann neuen Schwung in das verkrustete Zweiparteiensystem auf der Insel. Das Land wurde von der «Cleggmania» regelrecht überrollt, zeitweilig sah es in Umfragen so aus, als ob die Liberaldemokraten stärkste Partei und Clegg Premierminister werden könnten.
Mit dem falschen Partner eine Ehe eingegangen
Am Ende reichte es doch wieder nur für Platz 3, aber Clegg wurde zum Königsmacher, da ohne seine Partei keine Mehrheit im Parlament zu bekommen war. Die Liberaldemokraten gingen eine Koalition mit den Konservativen unter Premierminister David Cameron mit Clegg als dessen Vize ein, was ihr politische Schicksal besiegeln sollte.
In der Regierung wurden hauptsächlich die Prioritäten der stärkeren Tories umgesetzt. Vor allem die Erhöhung der Studiengebühren in direktem Widerspruch zum Wahlprogramm wurde von weiten Teilen der vorwiegend jüngeren Wählschaft der Liberaldemokraten als unverzeihlicher Verrat aufgefasst. Auch eine öffentliche und vielfach parodierte Entschuldigung von Clegg konnte keine Besserung bringen.
Seit dem Koalitions-Debakel sind die Liberaldemokraten in der britischen Politik grösstenteils irrelevant. Bei den nächsten Wahlen 2015 stürzten sie von 57 auf 8 Mandate ab und mussten in die Opposition. 2017 verlor Clegg dann auch noch seinen eigenen Sitz im Parlament.
Facebook ist mächtiger als manche Nationalstaaten
Nun scheitern die meisten Politikerkarrieren, das liegt in der Natur des Berufes. Auch der Gang in die Privatwirtschaft ist nichts Ungewöhnliches. Und Clegg hat sich mit Facebook dann auch gleich direkt ein Unternehmen ausgesucht, dessen Macht sogar jene mancher Nationalstaaten übertreffen dürfte.
Zunächst nutzte Clegg seine Verbindungen in die Politik hauptsächlich in Europa. Hier war der Aufruhr nach dem Cambridge-Analytics-Skandal besonders gross. In zahlreichen Anhörungen vor nationalen und dem Europäischen Parlament versuchte Clegg zu beschwichtigen, mit eher mittelmässigem Erfolg.
Sein Pult steht neben dem von Zuckerberg
Inzwischen ist er aber auch tief in Facebooks Interaktionen mit der amerikanischen Politik involviert. Er lebt in Kalifornien, sein Schreibtisch im Facebook-Hauptquartier steht neben jenem von Zuckerberg. Laut «New York Times» war er die treibende Kraft hinter Facebooks Verbot von Wahlwerbung in den Wochen vor und nach der Präsidentschaftswahl 2020. Auch das Oversight Board wurde von ihm vorangetrieben.
Dieses hat Clegg die heisse Kartoffel Donald Trump nun wieder vor die Füsse geworfen. In der öffentlichen Beurteilung der Angelegenheit wird der grösste Fokus natürlich wieder auf Zuckerberg selbst liegen, der weiterhin die absolute Kontrolle über Facebook hat. Die Entscheidungsfindung im Falle Trump hat er aber an Clegg delegiert. Egal wie die Entscheidung ausfällt, sie wird weiten Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit unpopulär sein. Aber mit Sich-unbeliebt-machen hat Clegg ja reichlich Erfahrung.