Alles vernetztGefunden an der IFA: Die vernetzte Küche wird (endlich) Realität
Felix Raymann
8.9.2018
Schon seit langem wird sie versprochen, nun könnte die vernetzte Küche wirklich Realität werden. Wir zeigen, was smarte Küchengeräte alles für neue Tricks gelernt haben.
Auf den ersten Blick klingt «vernetzte Küche» wie ein alter Hut, werden doch seit Jahren Szenarien herbeigeredet, wie die vernetzte Küche das Leben von Hausfrauen und Hausmännern erleichtern kann. Doch während Backöfen, Kaffeemaschinen oder Steamer bisher nicht viel mehr konnten, als statt per Knopfdruck per App die wichtigsten Funktionen auszuführen, geht die jüngste Generation der Küchengeräte einen Schritt weiter.
Smarte Küche ein Bedürfnis
Denn nach der Vernetzung des Heimbüros und des Wohnzimmers, in dem inzwischen die gesamte Unterhaltungselektronik auf smart getrimmt wurde, hält die Digitalisierung auch in der Küche endgültig Einzug. Gemäss der Samsung-Studie YouGov Kitchentrends sind rund die Hälfte der Europäer bereit, für eine smarte Küche mit vernetzten Haushaltsgeräten bis zu 50'000 Euro (57’000 Franken) mehr zu investieren als für eine herkömmliche Küche.
Ein beliebtes Zukunftsszenario aus der Vergangenheit war der Kühlschrank, der selbstständig eine Bestellung macht, wenn Milch, Butter oder andere Lebensmittel ausgehen. Dazu braucht es jedoch nicht nur eine Verbindung zum Internet, sondern auch Künstliche Intelligenz. Nun hat Bosch an der diesjährigen IFA einen Kühlschank vorgestellt, der mithilfe von zwei in seinem Innern installierten Kameras jederzeit seinen Inhalt kontrolliert.
Damit werden nicht nur Fotos nach draussen geschickt, sondern es wird auch eine Analyse gemacht: Dank Bilderkennung weiss das System, welche Lebensmittel gerade vorhanden sind. Erkannt werden 60 verschiedene Obst- und Gemüsesorten, für die der Kühlschrank seinen Besitzern auch gleich Lagerempfehlungen gibt: Liegt beispielsweise eine Gurke im Kühlschrank, meldet das Gerät, dass diese dort nichts zu suchen hat und stattdessen bei Zimmertemperatur gelagert werden soll. Bei Salat hingegen empfiehlt die App, diesen in der Gemüseschublade abzulegen.
... und personalisierte Rezepte
Für die meisten Besitzer eines solchen Kühlschranks dürfte der grössere Nutzen darin liegen, dass man während dem Einkaufen per Home-Connect-App jederzeit ins Innere des Kühlschranks schauen kann. Für alle, die vergessen, einen Einkaufszettel zu schreiben, eine überaus praktische Sache. Doch keine Angst, im Kühlschrank muss nicht die ganze Zeit das Licht an sein: Bei jeder Schliessung der Kühlschranktüre nehmen die Kameras den Inhalt auf, sodass auf der App stets die aktuelle Situation sichtbar ist.
Weil das Home-Connect-System mit Rezeptesammlungen beispielsweise von Kitchen Stories und Eismann gefüttert worden ist, liefert die App je nach Kühlschrankinhalt auch gleich noch Rezeptvorschläge. Zurzeit geschieht dies aufgrund von einzelnen Lebensmitteln, später soll das System auch aus mehreren vorhandenen Lebensmitteln Rezepte vorschlagen können — und die fehlenden Zutaten direkt auf die Einkaufsliste setzen.
Ähnlich arbeitet etwa der Multikocher Cook4Me+ Connect von Krups, der durch Rezepte navigiert und bei Bedarf Zutatenmengen berechnet. Digitale Rezepte und Kochanleitungen stehen in der smarten Küche ohnehin hoch im Kurs. So führt einen der GourmetPilot von Cuciniale durch den Kochvorgang und zusammen mit dem GourmetSensor wird sogar automatisch getestet, ob das Fleisch gar ist, ob die Temperatur stimmt und wie bei Nahrungsmitteln das Verhältnis von Fett, Eiweiss, Kohlehydraten und Wasser ist.
Offene Standards sind gefragt
Der erwähnte Bosch-Kühlschrank ist jedoch bei Weitem nicht das einzige Gerät, das mit Home Connect vernetzt wird. Diverse Geräte von Bosch, Siemens, Gaggenau und Neff können mit der entsprechenden App gesteuert werden. Und wenn man alle Hände voll zu tun hat, nehmen diese Geräte auch Sprachbefehle via Amazon Alexa entgegen.
Anderes Küchenvernetzungen etwa von Siemens, LG oder Miele arbeiten mit anderen Plattformen. Weil die meisten Haushalte nicht alle Geräte von denselben Herstellern kaufen, ist es heute meist nicht möglich, alle vernetzbaren Geräte zentral zu steuern. Oft benötigen unterschiedliche Geräte auch unterschiedliche Apps. Damit auch Geräte anderer Hersteller über diese App vernetzt werden können, wären mehr offen konzipierte Plattformen wünschenswert.
Oft kein grosser Zusatznutzen
Wenn Marketing-Experten grossmundig versprechen, dass die Vernetzung in der Küche das Leben erleichtert und mit smarten Geräten das Leben besser wird, können die potenziellen Kunden fast nur enttäuscht werden. Die häufig propagierte Lebenserleichterung entpuppt sich oft nur als kleine Veränderung ohne grossen Zusatznutzen. Doch sind es manchmal die kleinen Anwendungen, die zumindest die Benutzerfreundlichkeit steigern oder ab und zu Ärger verhindern können — wie zum Beispiel die automatische Nachschubregelung von Verbrauchsmaterialen. Der vernetzte Bosch-Geschirrspüler beispielsweise weiss, wann es Zeit ist, Tabs, Regeneriersalz und Glanzmittel zu bestellen und löst diese nach einer Bestätigung auf der App automatisch beim gespeicherten Lieferanten aus.
Bei BSH (Bosch und Siemens Hausgeräte) zumindest sollen Stand-alone-Geräte bald gar nicht mehr angeboten werden: «Im Jahr 2022 werden von BSH keine Geräte mehr verkauft, die nicht vernetzt sind», sagt Volker Klodwig, Vertriebsleiter Zentral- und Osteuropa bei der BSH. Auch Samsung will künftig sämtliche Küchengeräte miteinander vernetzen — und zwar bereits im Jahr 2020.
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