AusgetwittertDie letzten Tage des Donald Trump auf Social Media
Von Dirk Jacquemien
7.1.2021
US-Präsident Donald Trump wird sich bald in der digitalen Wildnis wiederfinden. Ob Twitter, Facebook, Instagram oder YouTube — keine respektable Social-Media-Plattform wird Trump noch eine Bühne bieten wollen.
Donald Trump wurde erst durch Social Media zum US-Staatschef. In der vergangenen Nacht konnte man in Washington sehen, wie eine Social-Media-Präsidentschaft ihr Ende findet. Trump wurde zunächst temporär von Twitter und Facebook gesperrt, aber spätestens in wenigen Wochen wird der abgewählte Präsident von allen grossen Social-Media-Plattformen verschwunden sein, daran kann es kaum noch ernsthafte Zweifel geben.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist bereits jetzt einen weiteren Schritt gegangen, Donald Trump aus seinen Plattformen zu verbannen. Wie er am Donnerstag in einem Post mitteilte, werde der scheidende US-Präsident für mindestens zwei Wochen beziehungsweise bis zur Machtübergabe an Nachfolger Joe Biden auf Facebook und Instagram gesperrt.
«Die schockierenden Ereignisse der letzten 24 Stunden zeigen deutlich, dass Präsident Donald Trump beabsichtigt, seine verbleibende Amtszeit zu nutzen, um den friedlichen und rechtmässigen Übergang der Macht zu seinem gewählten Nachfolger Joe Biden zu untergraben», schreibt Zuckerberg. «Wir glauben, dass die Risiken, wenn der Präsident in dieser Zeit weiterhin unseren Dienst in Anspruch nehmen kann, einfach zu gross sind. Daher verlängern wir die Blockierung, die wir auf seinen Facebook- und Instagram-Konten auf unbestimmte Zeit und mindestens die nächsten zwei Wochen bis der friedliche Machtübergang abgeschlossen ist.»
«Deplatforming» nennt sich das Phänomen, das bisher vor allem Neonazis und Verschwörungstheoretikern vorbehalten war. Berühmtestes Beispiel ist hier wohl Alex Jones, der unter anderem Opfer von Amokläufen bedroht hatte und dafür 2018 von Facebook, Twitter, YouTube und Co. gesperrt wurde. Dass dieses Schicksal nun auch dem vermeintlichen «Anführer der freien Welt» droht, sagt genauso viel über Trump wie über Social Media selbst aus.
Forderungen zur Sperrung vor allem von Trumps Twitter-Account gibt es schon seit der Zeit vor seiner Amtsübernahme. Hetze und Lügen waren schliesslich das Kernprodukt Trumps. Doch die Twitter-Führung lehnte immer ab, und berief sich darauf, dass man nicht die öffentliche Debatte einschränken könne. Ähnlich argumentierte auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der sich nicht zum «Schiedsrichter» machen wollte, wie er es ausdrückte.
Dass ungewählte Tech-Milliardäre nicht darüber bestimmen sollten, welche Meinungen akzeptabel sind, klingt als allgemeines Prinzip eigentlich ganz gut. Doch Twitter und Facebook sind eben nicht der örtliche Marktplatz, auf denen ein Durchgedrehter mit einem Megafon rumbrüllt und ein paar Dutzend Passanten nervt.
Im Sommer, als Trump Gewalt gegen ihm nicht freundliche gesinnte Demonstranten androhte, gab es das erste vorsichtige Vorgehen gegen seine Social-Media-Aktivitäten. Doch Trumps Posts wurden höchstens mit Warnhinweisen versehen oder in ihrer Verbreitung eingeschränkt.
Massiver Druck auf Plattformen
Dasselbe Prinzip wiederholte sich zunächst gestern, auch hier statteten Twitter und Facebook Trumps Statements und Videos zum Sturm auf das Kapitol mit Warnhinweisen aus. Erst nach massivem öffentlichen und internen Druck wurden die Posts gelöscht und Trump vorerst temporär gesperrt.
Zunächst versuchte man bei Facebook noch eine interne Debatte unter Mitarbeitern zu unterdrücken, wie «Buzzfeed News» berichtet. Foren, in denen Mitarbeiter ein stärkeres Vorgehen gegenüber Trump forderten, wurden geschlossen. Schneller war man allerdings im Kontakt mit Werbekunden, die bei der Stange gehalten werden sollten. Denen gegenüber verurteilte man die Ausschreitungen schon Stunden bevor sich Zuckerberg dann schliesslich zur Sperrung durchringen konnte.
Auch die Mitarbeiter rebellieren
Der massive Widerstand der eigenen Mitarbeiterschaft dürfte einer der Hauptgründe sein, warum die Social-Media-Plattformen Trump nicht viel länger tolerieren können. Schon vor den gestrigen Ereignissen sank etwa bei Facebook die Moral, nachdem das Unternehmen jahrelang fast nur negative Schlagzeilen produzierte. Zahlreiche Mitarbeiter kündigten öffentlichkeitswirksam, was nicht verwunderlich ist, wenn Facebook teilweise schon auf eine moralische Stufe mit Tabakherstellern gestellt wird.
So, no Facebook is not "just another company" like the other tech giants. The ethical distinction is one in kind, not degree. Its business model is corrupt to the core. It is the Big Tobacco of the information age. (13/)
Ein solcher Ruf ist auf Dauer geschäftsschädigend. Wenn man damit rechnen muss, auf Partys — falls es die mal wieder geben sollte — nach Nennung des Arbeitgebers schief angeguckt zu werden, ist das fatal für die Erhaltung und Rekrutierung von Mitarbeitern — vor allem in einer Branche mit Fachkräftemangel, in der qualifizierte Jobsuchende üblicherweise eine grosse Auswahl haben.
Einen Werbeboykott im Sommer, der auch durch das Nicht-Vorgehen gegen Trump ausgelöst wurde, konnte Facebook noch gut aussitzen. Doch auch hier wird sich neuer Druck aufbauen, falls es keinen Kurswechsel gibt. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach wird es spätestens wenn Trump das Amt verlässt, diesen Wechsel geben.
Trump hat keinen Nutzen mehr
Denn die Kosten-Nutzen-Rechnung hat sich für die Plattformen schlicht und einfach geändert. Als Präsident hatte Trump erhebliche Macht über das Wohlergehen der Unternehmen, hätte ihnen etwa mit stärkeren Regulierungen das Leben schwerer machen können, was er bis auf einige Alibi-Manöver in den letzten Monaten aber nicht tat. Und nicht zu vernachlässigen sind auch die Milliarden Dollar, die den Tech-Giganten durch die Trump'schen Steuersenkungen quasi geschenkt wurden.
Als Ex-Präsident ist sein Einfluss über das Schicksal von Twitter, Facebook, YouTube und Co. hingegen verschwindend gering. Sicherlich würden seine Lakaien nach einer Sperrung laut «Zensur» schreien, aber da selbst Trumps republikanische Alliierten im Kongress nun in der Minderheit sind, ist von diesen wenig zu befürchten.
Im Parler-Exil hört ihn niemand
Wenn Trump dann zwischen Golfrunden in Mar-A-Lago und wohl zahlreichen Gerichtsverfahren noch Zeit und Lust für Social Media haben sollte, würde er sicherlich noch eine Heimat bei alternativen Plattformen wie Parler finden.
Dieses versteht sich als zensurfreies Social-Media-Netzwerk, was allerdings nur heisst, dass es keine rechtsextremen Inhalte löscht und dementsprechend auch ausschliesslich rechtsextreme Nutzer anzieht. Auf Parler wäre Trump noch stärker in seiner Filterblase als jetzt schon, seine Aussagen wären für den allgemeinen öffentlichen Diskurs irrelevant.
Enormer Schaden durch Social Media
Doch eine Sperrung von Trump würde natürlich die Debatte über die Verantwortung von Social-Media-Plattformen für den gesellschaftlichen Unfrieden nicht beenden. Diese ist seit Jahren im Gange, dürfte sich allerdings nach den gestrigen Ereignissen noch mal intensivieren.
So wurden Facebook-Gruppen für die Organisation des Aufstandes genutzt. Eine Aufständische, die bei der Erstürmung des Kapitols von der Polizei erschossen wurde, war eine fanatische Anhängerin des QAnon-Verschwörungskults, wie ihr Twitter-Account zeigt. QAnon konnte nur durch Social-Media-Plattformen erst gross werden, die viel zu spät gegen die Gewaltfantasien der Kultisten vorgingen. Facebook-Algorithem sorgten sogar dafür, dass zuvor völlig normale Menschen mit QAnon in Kontakt kamen und radikalisiert wurden.
Besonders häufig retweetete die Getötete den Trump-Anwalt Lin Wood, der in den vergangenen Wochen immer extremistischere Aussagen tätigte. Erst gestern wurde dann auch Wood von Twitter gesperrt. In der Nacht rief er auf Parler dann zur Ermordung von Vizepräsident Mike Pence auf.