Russische Propaganda Deepfake-Video mit Selenskyj sollte Soldaten zur Kapitulation bewegen

Von Dirk Jacquemien

17.3.2022

Präsident Selenskyj im T-Shirt am Rednerpult: Diese Auftritte sind inzwischen weltweit bekannt.
Präsident Selenskyj im T-Shirt am Rednerpult: Diese Auftritte sind inzwischen weltweit bekannt.
Keystone

Der ukrainische Präsident Selenskyj ruft in einem Video seine Truppen vermeintlich zur Niederlegung der Waffen auf. Doch es handelt sich um eine Fälschung, die aber auch ein Omen sein könnte.

Von Dirk Jacquemien

Ob auf Twitter, Facebook, Instagram oder Telegram: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt die Welt hautnah mit in den Krieg und erzeugt so Sympathien für sein Land und Volk. Dass die Ukraine den Informationskrieg bislang haushoch gewinnt, liegt auch an ihm.

Die Auftritte von Wladimir Putin im Staatsfernsehen, bei denen er sich nicht einmal traut, die eigenen Generäle näher als zehn Meter an sich heranzulassen, wirken im Vergleich dagegen absurd. Die einst hoch bewertete Progagandamaschine Russlands versagt ausserhalb des Landes völlig, die Distanz zwischen Wahrheit und Darstellung ist zu gross, um noch irgendjemand Unbefangenen überzeugen zu können.

Dass Selenskyj sich so nahbar gibt, könnte nun aber zum Problem werden. Erstmals ist ein gefälschtes Video von ihm aufgetaucht. Auf den ersten Blick sieht dieses aus wie eines seiner zahlreichen auf Social Media veröffentlichten Ansprachen an das Volk, der Präsident steht im T-Shirt hinter einem schlichten Rednerpult.

Eher schlechte Fälschung

Doch die Aussagen passen so gar nicht zum echten Selenskyj. Sein falscher Zwilling ruft dort nämlich die ukrainischen Soldaten dazu auf, die Waffen niederzulegen und sich den russischen Invasoren zu ergeben. Es handelt sich um ein Deepfake-Video, bei dem mittels künstlicher Intelligenz-Software Selenskyj Worte in den Mund gelegt wurden, die er nie gesagt hatte.

Im aktuellen Fall war das Ganze allerdings selbst für Laien nicht besonders überzeugend. So bewegt sich der Oberkörper des Fake-Selenskyj während der gesamten einminütigen Ansprache nicht, einzig beim Kopf sind einige eher unnatürlich wirkende Zuckungen zu erkennen. Selbst mit aktueller Technik kann man das deutlich besser fälschen.

Der echte Selenskyj meldete sich zudem unmittelbar nach Veröffentlichung des Deepfake mit einem kurzen, auf Telegram veröffentlichten Selfie-Video und schlug  vor, dass sich stattdessen doch die russischen Soldaten ergeben sollten. Auch wenn dieser Desinfomationsversuch gescheitert ist, gibt es keinen Grund zur Entwarnung.

Russland will das Informationsmonopol

Das aktuelle Video wurde von Twitter, Facebook und YouTube zwar schnell blockiert. Auf dem russischen Facebook-Klon VKontakte ist es freilich noch verfügbar. Ausserdem wurde der Fernsehsender Ukraine 24 gehackt. Ein Text-Ticker in der Fernsehübertragung verbreitete die gefälschte Kapitulationsaufforderung, auf der Website des Senders wurde das Deepfake-Video ebenfalls kurzzeitig veröffentlicht.

Russland hat wiederholt Sendemasten in ukrainischen Städten auch fern der Front gezielt angegriffen, um die Bevölkerung von Informationen abzuschneiden. Die belagerte Hafenstadt Mariupol hat inzwischen kaum noch Kontakt zur Aussenwelt, Berichte über Bombardierungen ziviler Ziele dringen daher nur noch erschwert durch.

Ein Informationsmonopol in der Ukraine zu erreichen, gehört eindeutig zu den Kriegszielen Russlands. Zu einem hypothetischen späteren Zeitpunkt des Krieges, etwa wenn Selenskyj von der Kommunikation abgeschnitten und der Internet-Zugang in weiten Teilen des Landes ausgefallen wäre, würde ein gut gemachtes Deepfake-Video dann wohl eher Putins Ziel erreichen.