Chatbot plappert nachDarum ist Roger Federer laut einem Computer der Grösste aller Zeiten
Von Dirk Jacquemien
26.1.2023
Ist ChatGPT eine allwissende Superintelligenz oder plappert es einfach nur nach, was andere sagen?
Von Dirk Jacquemien
26.01.2023, 12:39
Dirk Jacquemien
Laut dem gehypten Chatbot ChatGPT ist Roger Federer «ohne Zweifel der grösste Tennisspieler aller Zeiten». Ist die GOAT-Debatte im Tennis damit ein für alle mal beendet, da eine allwissende Künstliche Intelligenz ihr Urteil gesprochen hat?
Leider ist das nicht ganz einfach. Denn eine Intelligenz im eigentlichen Sinne hat ChatGPT nicht, wie schon Rockstar Nick Cave korrekt bemerkte. Stattdessen basiert es auf einem so genannten Sprachmodell, das besser als andere zuvor in der Lage ist, menschliche Sprache nachzuahmen.
ChatGPT wurde vom Start-up OpenAI entwickelt, zu den grössten Investoren zählen Elon Musk und Microsoft, das jüngst sogar frische 10 Milliarden Dollar in das Unternehmen stecken will. Das Sprachmodell wurde mit Millionen an Texten gefüttert, seien es Nachrichtenartikel, Weltliteratur, wissenschaftliche Arbeiten oder Einträge in Internet-Foren.
Dadurch lernte das Programm, welche Worte üblicherweise wie arrangiert werden. Es weiss zum Beispiel, dass in Sätzen in denen die Wortfolge «Hauptstadt Deutschlands» vorkommt, meistens auch das Wort «Berlin» enthalten ist und nicht etwa «Zürich» oder «Timbuktu».
Um Texte zu generieren, sagt ChatGPT also voraus, welches Wort am wahrscheinlichsten auf ein anderes Wort folgt und kann so kohärente und meistens auch inhaltlich korrekte Texte formulieren.
Auf die Worte «Roger» und «Federer» dürfte in sehr vielen Texten, mit denen ChatGPT trainiert wurde, Worte wie «bester» oder «grösster» gefolgt sein, weil es eben eine unter menschlichen Autor*innen sehr weit verbreitete Meinung ist, dass Roger Federer der beste Tennisspieler aller Zeiten ist. Wäre ChatGPT dagegen etwa mit besonders vielen serbischen Texten trainiert worden, sähe das Ergebnis möglicherweise anders aus.
Natürlich muss OpenAI ChatGPT noch umfangreich per Hand anpassen, da der Bot sonst ziemlich rassistisch und sexistisch wäre, weil es solche Beiträge in seinem Trainingsmaterial zur Fülle gibt. Wie «Time» berichtet, engagierte OpenAI dafür kenianische Billigarbeiter*innen, die für 1,34 bis 2 Dollar die Stunde darum besorgt waren, dass die schlimmsten Inhalte aus ChatGPTs Datenbank entfernt wurden. Ganz so High-Tech, wie OpenAI es uns glauben lassen will, sind ihre Produkte also nicht.
Die Hauptkompetenz von ChatGPT ist also vor allem Nachahmung, es kann von Menschen geschriebene Texte neu arrangieren, teils auf durchaus innovative Art und Weise. Und die Imitatio galt ja schon in der Antike als erstrebenswert.
Was wirklich Neues oder Eigenes kann ChatGPT allerdings nicht erzeugen. Für sehr viele Anwendungen ist das indes völlig ausreichend, denn die wenigsten Texte müssen Literaturnobelpreis-Niveau erreichen. Daher bangen etwa Werbetexter*innen oder Journalist*innen schon um ihre berufliche Zukunft. Auch für zumindest durchschnittliche wissenschaftliche Arbeiten scheint ChatGPT schon heute zu genügen.
Bei einem Test gelang es ChatGPT sogar, die Abschlussprüfung für einen Master of Business Administration (MBA) an der Wharton School der University of Pennsylvania zu meistern. Da auch Donald Trump einen solchen Abschluss hat, sagt das aber vielleicht mehr über das Niveau der Universität denn ChatGPTs Fähigkeiten aus.