TrommelwirbelPhil Collins wird 70 – neue Tour mit Genesis, alter Krach mit der Ex
SDA
30.1.2021 - 18:00
Er schuf einen Schlagzeug-Moment für die Ewigkeit, heute kann er nicht mehr trommeln: Unterkriegen lässt sich Phil Collins aber nicht. Heute wird der Brite 70 – und will wieder mit seiner Band Genesis auf Tournee gehen.
Man kann ein bisschen Mitleid haben mit Phil Collins in diesen Tagen. Der einst so vitale und quirlige Sänger feiert heute zwar seinen 70. Geburtstag – das traurige Bild, das er derzeit abgibt, wird dem Popstar und Entertainer aber so gar nicht gerecht.
Wäre die Corona-Pandemie nicht dazwischen gekommen, hätte Phil Collins gerade eine Tournee mit seiner Band Genesis hinter sich. Doch statt mit seiner Musik macht Collins zuletzt mit der zweiten Trennung von seiner Ex-Frau Orianne Cevey und einem bitteren Rosenkrieg Schlagzeilen.
Auf den letzten gemeinsamen Fotos mit der Genferin wirkte Collins wie ein Häufchen Elend. Dass er angeschlagen aussah, hatte aber wohl auch mit seiner körperlichen Verfassung zu tun. Seit einer Rückenoperation geht der gebürtige Londoner am Stock, weil sein rechter Fuss gelähmt ist.
Kein Glück mit der Schweizer Liebe
2016, in dem Jahr, in dem Collins seine Comeback-Tour ankündigte, kam er überraschend wieder mit Orianne zusammen. Er war extra nach Florida gezogen, um seiner Familie nahe zu sein. Im «Blick» sagte Collins, der viele Jahre im Kanton Waadt lebte («Ich liebe die Schweiz sehr. Ich vermisse die vier Jahreszeiten und die Aussicht auf den Genfersee.»), dazu: «Mit Versöhnlichkeit erreicht man mehr.»
Doch die zweite Beziehung mit der Mutter seiner Söhne Matthew und Nicholas hielt nur ein paar Jahre. Sie endete in wüsten Anschuldigungen und einem hässlichen Rechtsstreit – nicht das erste Mal.
Schon 2006 hatte sich Collins in der damals laut britischen Boulevard-Medien damals «teuersten Scheidung aller Zeiten» von Orianne getrennt. Danach flüchtete sich der Musiker in Alkohol, wie er in seiner Autobiografie «Not Dead Yet» (Deutscher Titel: «Da kommt noch was») erzählte.
«Ich betrinke mich nie während der Arbeit», erinnerte er sich. «Das bedeutet jedoch nur, dass ich umso heftiger trinken muss, wenn ich nicht bei der Arbeit bin.» Die Trinkerei bescherte ihm eine akute Pankreatitis, eine gefährliche Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Erst nach mehreren Versuchen gelang ihm der Entzug.
Genesis-Tour das grosse Ziel
Die Konzerte seiner bislang letzten Welttournee, die bis Herbst 2019 unter dem makabren Titel «Still Not Dead Yet» (Immer noch nicht tot) lief, absolvierte der Musiker im Sitzen – ein ungewohnter Anblick. In den für Collins immens erfolgreichen 80er- und 90er-Jahren tanzte er durch peppige Musikvideos zu Hits wie «Don't Lose My Number», «You Can't Hurry Love» oder dem legendären Genesis-Klassiker «I Can't Dance».
Noch bis in die späten 2000er raste er bei seinen Konzerten mit schelmischem Grinsen rastlos von einem Bühnenrand zum anderen. Sobald es die Coronavirus-Lage zulässt, will er mit Genesis auf Tour gehen – nach fast 15 Jahren Pause. «Es gibt nur wenige Bands, die so lange zusammen waren und immer noch miteinander sprechen, die gern beisammen sind und gern gemeinsam Musik machen», so Collins. Gerade veröffentlichte die Band Aufnahmen von den Proben.
Die Schattenseiten des Ruhms
Als Schlagzeuger war er 1970 durch eine Anzeige zur Gruppe gekommen, die damals noch pompösen Progressive Rock spielten. Nach dem Ausstieg von Frontmann Peter Gabriel suchten die übrigen Genesis-Mitglieder erfolglos nach einem Nachfolger. Schliesslich übernahm Collins, der schon vereinzelte Songs gesungen hatte, 1975 den Posten des Sängers.
In den 1980ern wurde aus der Rockband Genesis auch wegen Collins eine radiotaugliche Popband, die weltweit mehr als 150 Millionen Alben verkauft haben soll. Gleichzeitig feierte er als Solokünstler einen raketenhaften Aufstieg. Gleich seine erste Single «In The Air Tonight» war in der Schweiz ein Nummer-Eins-Erfolg. Der Song, der auch im Soundtrack der 80er-Jahre-Kultserie «Miami Vice» zu hören war, ist nicht zuletzt dank des legendären Schlagzeug-Breaks ein Klassiker.
Der Ruhm hatte für den Weltstar jedoch Schattenseiten, darunter mittlerweile drei Scheidungen. Die erste hatte ihn angeblich zu «In The Air Tonight» inspiriert. Auch Herzschmerz-Balladen wie «Against All Odds» oder «Separate Lives» geben einen Einblick in Collins' Seelenleben.
«Ich möchte kein Schatten meiner selbst sein»
Ob Phil Collins noch einmal mit neuer Musik für Schlagzeilen sorgen wird, liess er bislang offen. «Testify», sein letztes Studioalbum mit eigenen Songs, liegt fast 20 Jahre zurück. «Ich sollte wohl mal wieder einen Finger bewegen und etwas Neues machen», sagte er 2017 der Deutschen Presse-Agentur in London. «Ich war zu faul.» Seitdem hat er nur eine Zusammenstellung mit alten Tracks veröffentlicht.
Seine geliebten Drums kann er aufgrund seiner körperlichen Verfassung übrigens nicht mehr spielen. «Wenn ich es nicht so gut kann wie früher, dann lasse ich es lieber ganz. Ich möchte kein Schatten meiner selbst sein», sagte er mit hörbarer Resignation in seiner Stimme. «Ich wäre bescheuert, wenn ich sagen würde, es fehlt mir nicht. Schliesslich habe ich das mein ganzes Leben lang gemacht.»
Das Schlagzeug bleibt in der Familie
An seiner Stelle sitzt seit einigen Jahren sein Sohn Nicholas am Schlagzeug, der in Zukunft auch für Genesis trommeln wird. «Ich bin sehr stolz auf ihn», sagte Collins bei der Ankündigung der «The Last Domino?»-Tournee, die coronabedingt gerade auf den Herbst verschoben wurde. Und Genesis-Keyboarder Tony Banks lobte: «Er hat einen Sound, der mich daran erinnert, wie Phil früher gespielt hat.»
Trotzdem wird das Publikum Phil Collins zumindest bei einem Song hinter dem Drumkit vermissen. «Natürlich gibt es bei den Konzerten immer den Moment, an dem ‹In The Air Tonight› kommt und die Leute denken, dass ich vielleicht doch spiele», räumte Collins ein. «Insgeheim hoffen sie, dass es der Abend wird, an dem ich es doch mache. Es wäre schön, wenn ich das könnte.»