InterviewFelix Fischer ist zurück: «Das Schweizerische Generalkonsulat war eine wahnsinnige Hilfe»
Von Marjorie Kublun
26.10.2020
New York ist nun passé für den Aargauer Hair-Stylisten Felix Fischer, der die Welt der Celebritys wieder gegen schweizerische Heimat eingetauscht hat. Ein Willkommensinterview mit einem Haarstyling en passant.
23 Jahre lang mischte er die New Yorker Haar-Szene auf. In seinem Terminkalender liest man Namen wie Jennifer Lopez, Rihanna oder Kate Winslet – um nur ein paar seiner prominenten Kunden zu nennen. Felix Fischer hat dem Big Apple und der Welt der Stars den Rücken gekehrt. Was nun?
In einer Pop-up-Suite, die den Namen «Bespoke Felix Fischer» trägt, was so viel wie «massgeschneidert» bedeutet, soll der Kunde «Couture für die Haare» bekommen. Es ist Montagmorgen kurz vor neun und ein fröhlich gestimmter Felix Fischer öffnet die Tür. An dem Lounge-Bereich vorbei geht es direkt in den Styling-Bereich der Suite. Ich darf vor dem grossen Spiegel Platz nehmen. Statt der Frage «Was dürfen wir heute machen?», die man üblicherweise beim Coiffeur gestellt bekommt, überrascht Felix Fischer mit einem: «Erzählen Sie doch etwas über sich.»
Herr Fischer, was möchten Sie denn von mir wissen?
Ich nenne meine Arbeit nicht umsonst ‹bespoke›. Der Kunde muss zwar nicht unbedingt schon wissen, wohin es mit den Haaren gehen soll, aber ich muss etwas über ihn erfahren. Wie lebt er? Wie viel Zeit hat er am Morgen? Was ist er für ein Typ?
Ich erzähle also von mir und meinen letzten Haar-Eskapaden.
Wie viel Zeit nehmen Sie sich denn für einen Kunden?
Für Beratung und Haarschnitt zwei Stunden. Mit Farbe sind es drei Stunden. Und dabei arbeite ich alleine. Das ist natürlich absoluter Luxus. In einem gewöhnlichen Salon wäre das unvorstellbar. Ich kann es mir eigentlich auch nicht leisten, aber Haare sind meine Passion. Sich genug Zeit für meine Kunden zu nehmen, gehört für mich einfach dazu. Ich muss dann natürlich auf lange Sicht schauen, wie ich den Weg weitergehe. Das Businesskonzept stimmt nicht hundertprozentig, aber emotional stimmt es für mich so.
Es geht los mit der Farbe. Der Hair-Stylist pinselt freihändig Strähnen auf, damit es «wie von der Sonne am Strand aufgehellt» aussieht.
Jetzt mal ehrlich: Wie schlimm ist mein Haarschnitt momentan?
Es gibt gerade eine Disbalance mit zu vielen und zu dicken Haaren. Das Haar muss Platz bekommen, um zu atmen.
Kann man schnitttechnisch überhaupt etwas mit einem herauswachsenden Pony machen?
Das ist in der Tat etwas schwierig. Ich rate dazu, lange Ponys auf keinen Fall hinter die Ohren zu klemmen. Am besten eignet sich für die Übergangszeit ein Seitenpony. Zu der Farbe: Sie haben Kupferpigmente in den Haaren und ich gehe am liebsten ‹with the flow›, statt dagegen zu arbeiten. ‹Strawberry Blonde› könnte super aussehen.
«Ich möchte Haare verjüngen.»
So ähnlich wie die Haarfarbe von Nicole Kidman?
Ja, aber die Haarfarbe, die sie früher hatte. Da fällt mir ein: Nicole Kidman hat mir damals gesagt, sie sei blond und überhaupt nicht rothaarig. Ich habe nur gesagt: ‹Okay, wenn du sagst, du bist blond, dann ist es so.› Natürlich war sie immer ein Rotschopf. (Lacht) Heute sind ihre Haare hellblond, aber nur weil sie eigentlich weisse Haare hat, die sie jetzt färbt. Aber die aktuelle Farbe ist nicht optimal für sie. Sie sollte wieder etwas wärmer gehen.
Apropos weisse Haare: ‹Granny› ist ein grosser Trend. Steht der Look jeder Frau?
Ganz und gar nicht. Es gibt einen Typ Frau, dem graue und weisse Haare stehen: blauäugige Frauen mit feinen mädchenhaften Gesichtszügen und hohen Wangenknochen. Es sind meist Frauen, die einst dunkle Haare gehabt haben. Hier machen graue Haare überhaupt nicht alt, sondern einfach nur schön. 90 Prozent sehen allerdings mit grauem oder weissem Schopf alt aus.
Und welcher Haarschnitt sieht zu einer grauen Haarpracht am besten aus?
Entweder lange Haare oder ein kurzer Bob. Das sieht super edel aus.
Der Vokuhila ist im Trend. Wie viele Schnitte durften sie schon verpassen?
Im letzten Jahr jede Menge! Für mich ist der Look aber schon wieder passé.
Was sind denn momentan die Haartrends?
Für mich gibt es keine Haartrends. Individualität ist das, worauf es ankommt. Alles, was in dem Moment zu einer Person passt, ist schön. Es kommt ein natürlicher Glamour zurück. Das ist der Trend für mich. Dass es keine erkennbaren Haar- und Make-up-Trends mehr gibt, wird an den Modenschauen deutlich, bei denen jedes Modehaus einfach das macht, was es will.
Zeit zum Ausspülen, Proteinaufbau-Pflege für eine «Haarverjüngung» inklusive. Nach einer Unterbrechungspause kommt die Schere zum Einsatz.
Welche Vision verfolgen sie denn mit ‹Bespoke Felix Fischer›?
Meine Idee ist: Ich möchte Haare verjüngen und sie von der Farbe her wieder so werden lassen, wie sie im Alter von 15 Jahren waren, als man drei Wochen am Strand verbrachte. Dieser Lebendigkeit und Natürlichkeit eifere ich nach. Und ich betrachte Haare nicht nur bezüglich Schnitt und Farbe, sondern auch medizinisch.
Medizinisch? Was hat man sich darunter vorzustellen?
Ich arbeite momentan mit der Clinic Utoquai in Zürich zusammen, die Mesotherapien – auch Vampire Lift genannt – anbietet. Hierbei wird Blutplasma direkt in die Kopfhaut injiziert, um das Haarwachstum zu fördern. Das funktioniert tatsächlich gut.
Gibt es noch andere Methoden, um mehr Haare zu haben?
Ich arbeite auch mit einer japanisch-australischen Firma zusammen, die einen Wirkstoff entwickelt hat, der das Haar länger in der Kopfhaut bleiben lässt. So bekommt das Haar eine vier Jahre längere Wachstumszeit. So hat man natürlich viel mehr Haare. Hierzu benötige ich ein Hair-Scalp-Mikroskop, um das Haar zu analysieren.
Ich bekomme auch bald ein japanisches Hair Spa, das die Kopfhaut komplett reinigt und peelt. So können Wirkstoffe anschliessend bestens in die Kopfhaut eindringen. Das möchte ich alles künftig in der Schweiz anbieten.
Ist das mit Haarverjüngung gemeint?
Ganz genau. Aber es gibt auch Proteinaufbau-Wirkstoffe, die älteres, trockenes oder gefärbtes Haar von innen her wieder reparieren können. Das Haar wird wieder jugendlich. Das biete ich jetzt schon an.
Wie lange hält ein solcher Verjüngungseffekt an?
Ich würde sagen ungefähr einen Monat – je nachdem, wie oft man seine Haare wäscht.
Wie Felix Fischer schneidet wirkt Freestyle. Doch nach wenigen präzisen Schnitten spürt man: Er weiss ganz genau was er tut...
Gehört Botox zur Schönheit 2020 dazu?
Botox ist nicht die Rede wert. Es ist das einfachste und schnellste Mittel, um gut auszusehen. Man sieht inzwischen kaum noch übertriebene botoxunterspritzte Leute. Monster-Lippen beispielsweise sind eine Seltenheit.
Was bieten Sie Personen an, die wegen einer Chemotherapie ihre Haare verloren haben?
Ich habe vor zwei Jahren eine Kampagne lanciert, die ‹V for Victory› heisst, weil vier meiner Freunde an Krebs erkrankt sind und ihre Haare verloren haben. Für sie habe ich Perücken angefertigt. Ich habe festgestellt, dass auf dem Gebiet grosser Bedarf besteht. Es geht darum, Frauen schon vor der Chemotherapie die Angst vor dem Haarverlust zu nehmen und verschiedene Perücken auszuprobieren. Ich habe eine grosse Kampagne in Japan geschossen und habe vor, nächstes Jahr ein solches Projekt auch in der Schweiz zu realisieren. Mit demselben Spirit und derselben Freude. Das liegt mir am Herzen.
Föhngang.
Wird man nach all den Jahren als Coiffeur nicht auch zum Psychologen?
Man wird definitiv zum Psychologen, weil man mit Menschen zu tun hat. Ich habe einmal an einem Event teilgenommen, bei dem auch ein bekanntes Millionärsehepaar anwesend war. Das Ehepaar hat sich vor allen Anwesenden lautstark gestritten und sich gegenseitig Untreue vorgeworfen. Im Raum war absolute Stille, bis ich dann dazwischenfunkte: ‹Eigentlich spielt es doch überhaupt keine Rolle, wer hier mit wem vögelt. Es kommt nur darauf an, ob ihr euch noch liebt.› Jemand sagte dann: ‹Der Coiffeur-Psychologe, wo er recht hat, hat er recht.› Es traut sich ja mit bekannten Leuten niemand, so zu sprechen.
Gibt es denn Prominente, mit denen Sie nicht mehr arbeiten möchten?
Ja. Mariah Carey, Naomi Campbell und Paris Hilton.
Sind sie so schlimm?
Einfach unfreundlich und schwierig. Ich brauche es nicht, auf so eine Art behandelt zu werden.
Und wer ist besonders cool?
Anna Netrebko. Ich habe zu ihr gesagt: ‹Du würdest mit blonden Haaren toll aussehen.› Sie antwortete: ‹Komm vorbei.› Doch von Dunkelbraun auf Blond sind es ein paar Etappen. So wurden die Haare zuerst orange. Ich sagte zu ihr: ‹Das kommt gut, wir können direkt weitermachen.› Sie sagte nur: ‹No darling, ich gehe jetzt ins Bett.› So ging sie am nächsten Tag mit ihren karottenfarbenen Haaren auf die Bühne und als ich nach ihrem Auftritt dazukam, rief sie laut: ‹Hört alle zu, er hat das gemacht!› Es war so peinlich! Bis ich weiterfärben durfte, verging noch eine Woche, denn sie flog erst noch nach Miami in die Ferien. Es war ihr so was von egal, dass sie nun tagelang mit orangefarbenen Haaren herumlaufen musste. Anna Netrebko ist echt eine sympathische und coole Frau!
Die Star-Kooperationen fallen dann wohl weg, nachdem Sie New York den Rücken gekehrt haben ...
Das ist vorerst vorbei. Aber es läuft Covid-19-bedingt auch nichts. Filmpremieren und Events fallen ins Wasser.
«Seit ich zurück bin, geht es mir so viel besser.»
Vermissen Sie die Celebrity-Welt?
Not at all. Nicht eine Sekunde!
War Corona der Grund für Ihre Rückkehr in die Schweiz?
Corona war der Katalysator, denn eigentlich wollte ich schon lange zurückkommen. Aber nach 23 Jahren zurückzukommen, ist nicht ganz einfach. Es ist vergleichbar mit einer Beziehung, die nicht mehr so gut läuft und aus der man nicht so einfach herauskommt. (Lacht)
War die Rückkehr eine mühsame Angelegenheit?
Ich hatte mich mit dem Schweizerischen Generalkonsulat in New York in Verbindung gesetzt. Die Schweiz hat meinen Umzug zurück ins Land übernommen. Mit der Begründung, dass ich nicht schon mit Schulden in der Schweiz ankommen soll und dass mir der bestmögliche Start ermöglicht werden soll. Die Unterstützung war unglaublich! Vor dem Abflug erkundigte man sich nach mir und erneut, als ich zurück im Lande war. Man sprach mir Mut zu und wünschte mir alles Gute. Das war ‹wow›, auch psychologisch betrachtet. Da habe ich gedacht: Die Schweiz will mich zurück. Ein gutes Gefühl.
Wo wohnen Sie denn jetzt?
Momentan bei Freunden. Und das ist vollkommen okay. Meine Möbel sind noch in einem Möbellager in Schlieren. Es muss nicht immer alles perfekt sein.
Wie ist es denn sonst, wieder in der Heimat zu sein?
Ich habe den Druck und den Wettbewerb aus New York nicht mehr, wo man konstant das Gefühl hat, dass man nicht gut genug ist, obwohl man ‹on top› ist. Seit ich zurück bin, geht es mir so viel besser.
Worauf haben Sie sich denn in der Schweiz besonders gefreut?
Endlich wieder in die Oper zu gehen, da die Metropolitan Opera in New York ja bis September 2021 geschlossen bleibt. Ich war vor ein paar Tagen in der Zürcher Oper. Es war Balsam für die Seele.
Das Ergebnis: Die Haare strahlen nun in einem «Erdbeerblond»-Ton. Der Haarschnitt wirkt stylischer, denn man sieht ihm die Übergangsphase mit herauswachsendem Pony nicht mehr an. Die Haare fühlen sich viel leichter an als vorher.