Am 11. Mai 2023 will ein heute 49-jähriger Schweizer IV-Rentner im Globus an der Zürcher Bahnhofstrasse einen Geschenkgutschein in der Höhe von 1000 Franken gegen Bargeld umtauschen.
Die Verkäuferin erklärt ihm, dass dies nicht möglich sei. Also sprach er im Geschäft andere Kundinnen und Kunden an und fragte sie, ob er ihnen ihren Einkauf mit seinem Gutschein bezahlen könne und sie ihm dafür das Bargeld gäben.
Daraufhin erhielt ein Ladendetektiv den Auftrag, den IV-Rentner aus dem Geschäft zu begleiten und ihm möglicherweise Hausverbot zu erteilen. Doch die Situation artete in eine Prügelei aus.
Wadenbeinbruch, Hämatome und Schürfungen
Beim Ausgang packte der Ladendetektiv den Kunden am Hals, stiess ihn nach einer Rangelei zu Boden und landete auf ihm. Der Kunde wehrte sich und es gelang ihm, wieder aufzustehen.
Wie in der Anklage steht «verkeilten sich» die beiden «ineinander», schreibt die «NZZ». Dann wird der Kunde erneut zu Boden geworfen.
Der Ladendetektiv verharrte dreieinhalb Minuten lang kniend über dem IV-Rentner. Auf dem Überwachungsvideo sieht man, wie ein Arbeitskollege ihn erfolglos noch versucht wegzuziehen. Der IV-Rentner erlitt einen Wadenbeinbruch, Hämatome und Schürfungen.
Beide sind Angeklagte und Privatkläger gleichzeitig
Nun sehen sich die beiden wieder. Und zwar vor dem Zürcher Bezirksgericht. Beide sind angeklagt und gleichzeitig Privatkläger im Prozess.
Dem Kunden wirft die Anklage mehrfache Drohung, einfache Körperverletzungen und Tätlichkeiten vor. Er soll den Sicherheitsmann gefragt haben, ob er eine Kopfnuss wolle, und ihm sogar gedroht haben, dass er ihn abstechen werde. Er drückte dem Ladendetektiv bei der Rangelei die Hoden zusammen und biss ihn in ein Ohr.
Der heute 30-jährige türkische Sicherheitsmann verlor seinen Job nach dem Vorfall und ist bis heute arbeitslos geblieben.
Die Staatsanwältin beantragt eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 60 Franken für den IV-Rentner und 180 Tagessätze à 30 Franken für den Ladendetektiv. Die Geldstrafe des Ladendetektivs soll vollzogen werden, denn er ist bereits zweimal vorbestraft. Er hatte Polizisten, seine Ex-Freundin und deren neuen Partner mehrfach bedroht.
Einer gibt alles zu, der andere spricht nicht
Vor Gericht machte der 30-jährige keine Aussage. Er sei zu nervös dazu und verweist auf die staatsanwaltschaftliche Einvernahme. Dort machte er geltend, der Kunde sei aggressiv gewesen und er habe einen Angriff befürchtet.
Im Gerichtssaal verneint er, den IV-Rentner angerempelt zu haben, schreibt die Zeitung weiter. Zudem sei er seit eineinhalb Jahren auf Stellensuche. Er werde von seinen Eltern finanziert, bei denen er wohne. Sein Verteidiger verlangt Freisprüche. Zudem kritisiert dieser den Wadenbeinbruch. Der Kunde müsse sich diesen erst später zugezogen haben.
Anders als der Ladendetektiv räumt der IV-Rentner die meisten Tathandlungen ein. So auch das Zusammendrücken der Hoden und den Biss ins Ohr. Weil er angegriffen wurde, habe er in Notwehr gehandelt.
Auch habe er den Ladendetektiv gefragt, ob er eine Kopfnuss wolle. Aber etwas von «abstechen» habe er nie gesagt. Sein Verteidiger verlangt Freispruch.
800 Franken Genugtuung
Schliesslich wird der heute arbeitslose Ladendetektiv in allen Punkten für schuldig gesprochen. Er wird mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken (5400 Franken) bestraft.
Wegen der Vorstrafen wird die Geldstrafe vollzogen. Die Probezeit einer bedingt ausgesprochenen Vorstrafe wird um eineinhalb Jahre, bis Ende 2026, verlängert. Zudem gibt es noch eine Busse von 300 Franken. Auf einen Landesverweis verzichtet das Gericht hingegen, weil es sich um einen klaren persönlichen Härtefall handle.
Der IV-Rentner wird in allen Vorwürfen freigesprochen. Er erhält für die öffentliche Erniedrigung im Warenhaus 800 Franken Genugtuung zugesprochen.
Nebst der Geldstrafe und der Genugtuung muss der ehemalige Ladendetektiv 2100 Franken für das Vorverfahren, 2000 Franken Gerichtsgebühr und 3470 Franken für den Anwalt des IV-Rentners bezahlen. Insgesamt sind das rund 14'000 Franken. Hinzu kommen auch noch die Kosten für seinen eigenen erbetenen Verteidiger.