Eddie Redmayne «Nein, ich habe die Nummer von Jane Fonda nicht!»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

1.10.2020

Auf die Barrikaden! Eddie Redmayne spielt den 1960er-Jahre Politaktivisten Tom Hayden in «The Trial of the Chicago 7». Dabei findet er erstaunlich viele Parallelen zu heute, erzählt er «blue News».

Eddie Redmayne, Sie gehen in ‹The Trial of the Chicago 7› gegen den Vietnamkrieg auf die Barrikaden. Wofür würden Sie persönlich auf die Strasse gehen?

Das ist für mich eine komplizierte Frage. Natürlich ist es wichtig, dass man nicht stumm bleibt und sich für Menschen einsetzt, die sich weniger gut Gehör verschaffen können. Aber als Schauspieler muss man auch ein bisschen aufpassen: Man wirkt schnell elitär, wenn man sich engagiert, denn wir sind ja privilegiert. Da kann ein Engagement kontraproduktiv sein. Ich suche da immer noch meine Funktion.

Welche Anliegen sind Ihnen denn wichtig?

Ich konzentriere mich in der Regel auf Dinge, die in irgendeiner Form etwas mit meiner Arbeit zu tun haben. Zum Beispiel ALS. (Anm. d. Red.: Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems.)

Sie haben ja Stephen Hawking in ‹The Theory of Everything› gespielt …

Ja genau. Ich habe durch die Rolle Leute mit ALS getroffen und ein wenig Erfahrung gesammelt, wie sie mit dieser Realität leben. Zu Beginn des Lockdowns wurden Menschen mit Motoneuron-Krankheiten wie ALS in Grossbritannien nicht auf die Liste der extrem Gefährdeten genommen, was Einschränkungen in Behandlung und Hilfsdiensten bedeutete. Das schockierte mich. So habe ich meinem Lokalpolitiker geschrieben und mich an Zoom Meetings mit den verschiedenen Parteien beteiligt, um das zu ändern.

Zurück zu ‹The Trial of the Chicago 7›: Sieben Anti-Vietnamkrieg-Aktivisten wurden wegen Unruhestiftung am demokratischen Parteitag von 1968 angeklagt. Inwiefern ist das Gerichtsdrama auch heute relevant?

Der Film ist relevanter als wir uns das hätten vorstellen können. Damals gab es eine Grippe-Epidemie und ein Ex-Vizepräsident kandidierte für die Präsidentschaftswahlen. Es wurde nicht nur gegen Vietnam protestiert, sondern auch für Bürgerrechte, heute haben wir die ‹Black Lives Matter›-Bewegung. Es gibt also viele Parallelen. Der Film zeigt gleichzeitig, wie weit wir einerseits seither gekommen sind und wie wenig sich andererseits verändert hat.

«The Trial of the Chicago 7» läuft ab 1. Oktober im Kino.

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Sie spielen Tom Hayden, der später als Abgeordneter und Senator in Kalifornien politisierte. Er war auch lange mit Jane Fonda verheiratet. Haben Sie Ihre Berufskollegin oder ihren Sohn angerufen, um mehr über Hayden zu erfahren?

Nein, ich habe die Telefonnummer von Jane Fonda nicht! (lacht) Ich habe sie auch nicht kontaktiert, weil sich die beiden damals noch nicht kannten und es hier mehr um Aaron Sorkins Sichtweise geht als um eine Biografie. Aber ich habe natürlich ihren Dokumentarfilm geschaut. Da sieht man: Tom ist ein guter Redner, aber er ist nicht extrovertiert. Und auf ihrer Website beschreibt sie, wie er ihr am Tag vor seinem Tod ins Ohr flüsterte, was ihn für immer veränderte: Nämlich Menschen zu sehen, die bereit sind, für ihre Überzeugung zu sterben. Das ist mir geblieben. Und sie schreibt da auch, dass er begriffen hatte, dass die Progressiven auch lernen mussten, mit der Macht umzugehen und zu regieren, nicht nur zu protestieren.

Aaron Sorkin hat das Drehbuch vor 14 Jahren für Steven Spielberg geschrieben. Die Finanzierung erwies sich als schwierig und der Film wurde immer wieder verschoben und schliesslich übernahm Sorkin die Regie selber. Wie lange sind Sie schon mit von der Partie?

Zwei Jahre. Ich hatte schon Dialekt-Unterricht und meine Tochter Iris aus dem Vorkindergarten genommen, weil wir in Toronto drehen sollten. Drei Wochen vor Start fiel das Projekt wieder auseinander. Aber ich blieb dran, denn Aaron Sorkin war auf meiner Wunschliste. Seine Texte sind so musikalisch. Man kann als Schauspieler sehr viel damit machen.

Wählen Sie Ihre Projekte nach der Musikalität des Scripts aus?

Normalerweise läuft es so: Ich lese das Skript und in der Mitte wird mir schlecht, wenn mich eine Rolle interessiert. Denn ich zerbreche mir bereits den Kopf, wie ich die Rolle spielen würde. In diesem Fall wurde mir schlecht, weil ich eine Lebensmittelvergiftung hatte (lacht). Wir waren in Marrakesch in den Ferien, wo ich den gebrochenen Fuss von ‹The Aeronauts› auskurierte. Statt Spaziergänge zu machen, las ich Drehbücher. Als ich sah, dass bei einem Aaron Sorkin drauf stand, rief ich meinen Agenten an, er soll zusagen, noch bevor ich eine Seite gelesen hatte.

Die letzten Monate waren Sie ja erneut – wie wir alle – ans Haus gebunden. Wie haben Sie die Zeit verbracht?

Meine Frau Hannah und ich haben mit unseren beiden Kindern, die vier und zwei Jahre alt sind, ein volles Leben. Wir waren auf dem Land, wo wir Hühner und einen Gemüsegarten haben. Iris habe ich das Alphabet gelehrt, und Lukes Vokabular hat sich während des Lockdowns multipliziert! Ich schätze es sehr, für diese Momente da gewesen zu sein. Ich habe auch viel gekocht und gemalt, wozu ich in den letzten Jahren keine Zeit mehr hatte. Aber ich bin ein schrecklicher Maler!

Das Ehepaar Redmayne bei der Premiere von «The Aeronauts» im Oktober 2019 in London.
Das Ehepaar Redmayne bei der Premiere von «The Aeronauts» im Oktober 2019 in London.
Getty

Inzwischen sind Sie ja auch wieder an der Arbeit, am dritten ‹Fantastic Beasts and Where to Find Them›-Film. Fühlen Sie sich sicher, was die Schutzmassnahmen betrifft?

Ich hatte zuerst wie alle anderen auch Bedenken, aber ich muss sagen, Warner Bros. und die Produzenten sorgten dafür, dass wir uns sehr sicher fühlen. Wir sind in Einheiten eingeteilt, die sich untereinander nicht mischen. Wir werden regelmässig getestet und proben in Masken bis die Kamera läuft. So wie wir Schlechtwetter-Alternativ-Szenarien haben, haben wir Covid-Alternativen, falls jemand krank wird.

Trotz aller Vorsicht: Robert Pattinson hat das Virus beim ‹Batman›-Dreh erwischt …

… und er dreht wie wir in den Leavesden Studios ausserhalb Londons. Aber die verschiedenen Produktionen werden völlig separat gehalten, sodass, wenn jemand krank wird, andere Produktionen hoffentlich nicht tangiert werden.

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