Fragen und Antworten So wollen die USA das russische Erdöl ersetzen

Von Andreas Fischer und Philipp Dahm

8.3.2022

Die USA haben ein Importverbot für russisches Erdöl verkündet, die EU und die Schweiz wollen ihre Abhängigkeit rasch verringern: Der Ukraine-Krieg krempelt auch den Rohstoffhandel um. Die wichtigsten Fragen dazu.

Von Andreas Fischer und Philipp Dahm

Was hat US-Präsident Biden konkret beschlossen?

Der US-Präsident lässt Taten folgen, nachdem Vertreter*innen sowohl der Republikaner als auch der Demokraten Druck gemacht haben: Er erliess am Dienstagabend ein Importverbot für Öl aus Russland. «Das bedeutet, dass russisches Öl in US-Häfen nicht mehr angenommen wird und die Amerikaner der Kriegsmaschinerie Putins einen weiteren schweren Schlag versetzen werden», sagte Joe Biden im Weissen Haus.

US-Präsident Joe Biden legt die russischen Ölimporte lahm.
US-Präsident Joe Biden legt die russischen Ölimporte lahm.
Bild: Uncredited/The White House/AP/dpa

Das Importverbot erstreckt sich nach Bidens Worten auch auf andere russische Energieträger wie etwa Gas. Ihr Erdgas fördern die USA aber weitgehend selbst.

Unklar blieb zunächst, ab wann das Importverbot gilt.

Wie viel Öl importieren die USA aus Russland? 

Rohöl und Erdölprodukte aus Russland machten im vergangenen Jahr acht Prozent der Einfuhren in die USA aus. Damit ist Russland nach Kanada und Mexiko der drittgrösste Ölimporteur der USA. Die Einfuhren hatten nach der Krim-Annexion abgenommen, haben das vorherige Niveau aber inzwischen wieder erreicht. 2021 wurden pro Tag 672'000 Barrel ins Land importiert, was 106'848'000 Liter entspricht.

Was für Auswirkungen hat das US-Embargo auf den Ölpreis?

Die Richtung des Ölpreises gehe natürlich durch diese Massnahme nur nach oben, sagt Jan-Egbert Sturm, Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, zu blue News. «Die Frage ist nur, wie stark nach oben. Das ist noch offen und hängt unter anderem von den Erwartungen des Marktes ab. Sicher ist: Es wird noch einmal einen Preisschub geben – Ausmass unbekannt.»

Auch wenn das Embargo ein vergleichsweise geringes Volumen an Erdöl betrifft, spielt der psychologische Effekt dieser Massnahme laut dem Ökonom eine Rolle: Wenn die USA so weit gehen, dann könnten auch andere Staaten nachziehen. «Man könnte noch vorsichtiger werden, russisches Öl zu kaufen.» Am Ende gehe es darum, mit welchen Konsequenzen des US-Verbots die Markteilnehmer für die Zukunft rechnen.

Welche konkreten Auswirkungen auf die Konjunktur sind nun zu erwarten?

«Man vergleicht die Situation jetzt ziemlich schnell mit den Ölkrisen der 1970er-Jahre», sagt Sturm. Man könne die beiden Ereignisse aber nicht vergleichen und müsse deshalb aufpassen. «Es ist wichtig zu verstehen, dass wir gerade aus einer Pandemie herauskommen und es dadurch konjunkturelle Erholgungseffekte geben wird.»

Nun kämen negative Effekte ins Spiel, zum Beispiel, dass die Energiekosten und die Unsicherheit in der Wirtschaft stiegen, wodurch die Investitionsbereitschaft nachlasse «Diese Effekte wirken in unterschiedliche Richtungen», erklärt Konjunkturforscher Sturm. Eine einzelne Entscheidung wie die von US-Präsident Biden, spiele im wirtschaftlichen Gesamtgefüge nur eine kleine Rolle. «Aber die Richtung ist klar. Die Konjunktur beleben wird sie nicht.»

Wie viel bekommen wir in der Schweiz davon zu spüren?

«Die indirekten Effekte von politischen Massnahmen, also wie die Märkte darauf reagieren, sind fast noch wichtiger als die direkten Auswirkungen auf die Konjunktur», sagt Jan-Egbert Sturm. Für die US-Wirtschaft sei es wahrscheinlich ziemlich egal, ob sie ihr Öl aus Russland bekommt oder stattdessen mehr aus Mexiko oder Kanada importieren müsse. «Aber wir sind in einer Kriegssituation, dabei geht es um das politische Handeln und wie es von Wirtschaft und Märkten interpretiert wird: Das ist schwer vorauszusehen.» Die Unsicherheit nehme weiter zu: «Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft», sagt Sturm und ergänzt: «Alle Akteure werden vorsichtiger, das ist kurzfristig für die Wirtschaft nichts Gutes.»

Wie sehr schmerzt ein US-Embargo Russland, das lediglich etwa fünf Prozent seiner Ölexporte in die USA liefert?

«Für Russland ist es schmerzhafter als für die USA», wird der Wirtschaftsexperte Sturm deutlich. Natürlich exportiere Russland sein Öl nicht nur in die Vereinigten Staaten. «Für Russland ist der Ölexport deutlich wichtiger als für die USA der Öl-Import. Es ist das wichtigste Exportprodukt, mit dem das Land an harte Währung kommen kann, mit denen gewisse Dinge finanzierbar sind, die ohne Devisen kaum noch finanzierbar sind.» Für die USA dagegen sei das Embargo eine verhältnismässig leicht zu verkraftende wirtschaftliche Massnahme, die politisch starke Signale aussende.

Wie hoch sind die Benzinpreise in den USA eigentlich?

Die USA sind zwar von russischen Energielieferungen weniger abhängig als Europa, doch auch in den Vereinigten Staaten sind die Kosten gestiegen: Am Sonntag kletterte der Preis für eine Gallone Normalbenzin zum ersten Mal seit 2008 über 4 Dollar und liegt im landesweiten Durchschnitt nun bei 4,17 Dollar. Ein Liter bleifreies Normalbenzin kostet damit 1,02 Franken.

USA: Preisschock an der Tankstelle

USA: Preisschock an der Tankstelle

STORY: Der Blick auf die Preistafeln an der Tankstelle in den USA schmerzt Autofahrer derzeit besonders. Rekordpreise zahlten Tankende zuletzt in Kalifornien mit 5,28 Dollar pro Gallone. Das sind 4,84 Euro für 3,79 Liter Benzin. Nachgefragt an einer Tankstelle in Arlington im Bundesstaat Virginia bei Washington D.C. Hier kostete die Gallone am Montag 4,19 Dollar. «Jeden Tag klettert der Preis und mit den Jobs wird es nicht besser. Also hat das Auswirkungen auf meine Einkünfte. Für jeden.» «Die Inflation und das, was in der Ukraine mit den Russen los ist. Ich meine, wir sollten kein Öl mehr aus Russland importieren. Das wird die Inflation nur verstärken, aber man muss tun, was man tun muss.» Der Benzinpreisanbieter GasBuddy sagte, dass der wöchentliche Anstieg der zweitgrösste aller Zeiten war, nach einem Sprung von 49 Cent pro Gallone in der Woche vom 3. September 2005, nachdem der Hurrikan Katrina die US-Golfküste heimgesucht hatte. Nach Angaben aus dem Weissen Haus hat die Regierung in den USA noch nicht entscheiden, ob Ölimporte aus Russland gestoppt werden sollen, als Konsequenz aus dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

08.03.2022

Was plant die EU?

Brüssel hat noch kein Importverbot erlassen. Auch im neuesten Sanktionspaket vom Mittwoch beliessen es die 27 EU-Staaten bei Massnahmen gegen weitere Oligarchen sowie deren Angehörige.

Wegen der wachsenden Spannungen mit Moskau will aber auch die EU so schnell wie möglich von Russland unabhängig werden – zumindest, was das Erdgas angeht. So legte die EU-Kommission am Dienstag einen Plan vor, wie die Gasimporte innerhalb eines Jahres um zwei Drittel gesenkt werden sollen. Insgesamt könnte die EU nach Einschätzung der Kommission noch deutlich vor 2030 ganz auf russisches Gas verzichten.

Mehr als 40 Prozent des in die EU importierten Erdgases stammt aus Russland, insbesondere Deutschland ist von diesen Importen abhängig.

Was plant die Schweiz?

Rund die Hälfte des Schweizer Erdgases stammt aus Russland, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga am vergangenen Freitag vor den Medien sagte. Auch die Energieministerin findet: Die Schweiz habe sich in den letzten Jahren zu sehr auf Importe – etwa von russischem Gas – verlassen. Das soll sich nun ändern. 

Für den laufenden Winter seien keine Engpässe zu befürchten, so Sommaruga. Und um die Versorgung für den kommenden Winter 2022/23 sicherstellen zu können, hat der Bundesrat die Gasbranche angewiesen, sich rasch Erdgas und Flüssiggas zu beschaffen und die Speicherkapazitäten zu verbessern. Und: Ausserdem sollen die erneuerbaren Energieträger gefördert werden.

Gas-Empfangsstation der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 im deutschen Lubmin: Die Schweiz ist weniger abhängig als Deutschland.
Gas-Empfangsstation der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 im deutschen Lubmin: Die Schweiz ist weniger abhängig als Deutschland.
Keystone

Würde die Schweiz auch EU-Sanktionen gegen die Rohstoffbranche mittragen?

Der Bundesrat will weiterhin von Fall zu Fall entscheiden. «Eine automatische Übernahme von EU-Sanktionen wird es weiterhin nicht geben», stellte Bundespräsident Ignazio Cassis im Interview mit blue News klar. Sollte Brüssel den Rohstoffhandel mit Sanktionen ins Visier nehmen, «werden wir das prüfen».

Wie sieht es mit anderen Staaten aus?

Auch Grossbritannien handelt: London will bis Ende dieses Jahres kein Erdöl mehr aus Russland importieren. Das teilte der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng am Dienstag auf Twitter mit. Mit dem Schritt soll der Druck auf Moskau weiter erhöht werden, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, erklärte Kwarteng.

«Diese Übergangsphase wird dem Markt, Unternehmen und Lieferketten mehr als genug Zeit geben, um russische Importe zu ersetzen», schrieb Kwarteng. Der Anteil des russischen Öls an der britischen Nachfrage mache derzeit acht Prozent aus, fügte der Wirtschaftsminister hinzu.

Gasimporte aus Russland sind zunächst offenbar nicht betroffen.

Wie wollen die USA das russische Öl ersetzen?

Der Krieg in der Ukraine hat ausgerechnet die USA und Venezuela einander annähern lassen: Am Wochenende waren US-Vertreter nach Caracas gereist – und offenbar auf offene Ohren gestossen. Präsident Nicolás Maduro äusserte am Montagabend während eines Kabinettstreffens Interesse an besseren Beziehungen.

Maduro scheint bereit zu sein, auf die Forderungen der USA einzugehen, die Verhandlungen mit seinen politischen Gegnern wieder aufzunehmen. Dieser Schritt gilt als eine Voraussetzung für die Befreiung von den US-Sanktionen, mit denen das Opec-Land seit Jahren belegt ist. Beide Seiten hätten sich geeinigt, an einer Agenda für die Zukunft zu arbeiten, sagte der Präsident.

In Kalifornien liegt der Benzinpreis über dem landesweiten Durchschnitt – mit 5,19 Dollar pro Gallone, was 1,27 Franken pro Liter entspricht. Für Amerikaner ist dieser Preis schockierend. Das Foto wurde am 2. März in Los Angeles geschossen.
In Kalifornien liegt der Benzinpreis über dem landesweiten Durchschnitt – mit 5,19 Dollar pro Gallone, was 1,27 Franken pro Liter entspricht. Für Amerikaner ist dieser Preis schockierend. Das Foto wurde am 2. März in Los Angeles geschossen.
EPA

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ergänzt.