Noè Ponti ist an den Langbahn-Weltmeisterschaften in Fukuoka der grösste Schweizer Hoffnungsträger. Er bringt alles mit für weitere Grosserfolge.
Tokio, 31. Juli 2021. Ponti gewinnt über 100 m Delfin sensationell Olympia-Bronze, und dies mit erst 20 Jahren. Zwar ist es offensichtlich, über welch aussergewöhnliches Talent der Tessiner verfügt, wenn man ihm beim Schwimmen zuschaut. Ein solcher Coup war ihm aber (noch) nicht zugetraut worden.
Seither sind vier weitere Medaillen an Grossanlässen dazugekommen. An den letzten beiden Kurzbahn-Weltmeisterschaften sicherte sich Ponti zweimal Silber (200 m Delfin, 50 m Delfin) und einmal Bronze (200 m Delfin). An der Langbahn-EM vor einem Jahr in Rom wurde er Zweiter über 100 m Delfin. Eine WM-Medaille im 50-m-Becken fehlt noch in seinem Palmarès – auch, weil er am Ende der letztjährigen WM in Budapest an Corona erkrankt ist.
Versuchsjahr für Paris
Die Chancen, die Lücke zu schliessen, stehen gut – umso mehr Kristof Milak, der Weltmeister über 100 und 200 m Delfin, in Japan nicht am Start sein wird. Ponti selber nimmt das Wort Medaille nicht in den Mund, primär einmal will er in allen drei Delfin-Disziplinen den Final erreichen. Er sagt nur so viel: «Dann ist Schönes möglich. Ich fühle mich gut im Wasser.»
Mit der Vorbereitung und den letzten Wettkämpfen ist Ponti zufrieden. Im Januar trainierte er drei Wochen in der Höhe von St. Moritz, vor dem Meeting in Monaco Mitte Mai war er drei Wochen auf Lanzarote und vor dem Meeting in Rom zehn Tage auf Teneriffa. Für ihn ist 2023 sozusagen ein Versuchsjahr im Hinblick auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Paris.
Behutsamer Aufbau
Ponti konnte sich bereits mit zweieinhalb Jahren ohne Hilfen über Wasser halten. Mit sechs folgte er seiner älteren Schwester Asia in den Schwimmverein Nuoto Sport Locarno. Massimo Baroffio, sein Trainer von 2014 bis 2019, der ihn gross gemacht hat, baute ihn behutsam auf. Er verzichtete auf grosse Umfänge, legte den Fokus auf kurze, intensive Einheiten.
Unter Massimo Meloni und Andrea Mercuri schwimmt Ponti nun deutlich mehr. Wenn an den Grundlagen gearbeitet wird, sind es pro Woche 70 bis 80 Kilometer, verteilt auf zehn Trainings zu je zwei Stunden. Wenn mehr Wettkampftempo im Programm steht, wird der Umfang auf 45, 50 Kilometer reduziert, die Länge der Einheiten bleibt jedoch gleich. Dazu kommt das Krafttraining.
Ideales Umfeld
Markus Buck, Chef Leistungssport Schwimmen bei Swiss Aquatics, bezeichnet die Erhöhung «als Sprung. Allerdings muss nicht immer linear gesteigert werden. Für Noè war es vielleicht genau das Richtige. Die Trainer und er passen gut zusammen, das richtige Umfeld ist wichtig». Das sieht auch Ponti so. Deshalb brach er das Abenteuer USA im September 2021 nach nur einem Monat ab. Er hatte sich ein Jahr vor den Spielen in Tokio entschieden, ins Schwimmteam der North Carolina State University zu wechseln.
Der Gewinn der Olympia-Medaille änderte Pontis Leben radikal. Er musste zuerst alles verdauen, insofern kam für ihn der Wechsel zum falschen Zeitpunkt. «Es machte für mich keinen Sinn, etwas zu verändern», blickt Ponti zurück. «Ich glaube an das, was wir machen.» Das Umfeld gebe ihm Stabilität. Die Familie gehört zu seinem Team, ist quasi sein Manager.
Obwohl Ponti im Tessin nirgends mehr unerkannt hingehen kann, geniesst er die Popularität. «Wenn ich etwas brauche, ist es nun einfacher, es zu bekommen.» Der Ambri-Fan ist aber keiner, der daraus gross Profit zieht. Ihm ist wichtig, immer noch der Gleiche zu sein wie vor dem Exploit. «Ich fühle mich nun nicht wichtiger», betont Ponti, der sehr gut deutsch spricht.
Optimale Voraussetzungen
Für Trainer Meloni gibt es für Ponti keine Grenzen. Buck sagt über ihn: «Was das Wassergefühl betrifft, ist er sicherlich ganz weit vorne. Er merkt selber, wie er am besten die grossen Widerstände verringert.» Zudem bringt Ponti optimale körperliche Voraussetzungen mit, er ist gross (1,92 m) und schlank sowie mit einer «grossen Maschine» (Buck), sprich einem guten Herz-Lungen-Kreislauf-System, ausgestattet.
Dazu paart Ponti Gelassenheit und Zielstrebigkeit. Er arbeitet seit fünf Jahren unregelmässig mit einem Sportpsychologen zusammen, wobei «ich schon von klein auf mental ziemlich stark bin». So kann er gut mit Niederlagen und Fehlern umgehen. «Es ist wichtig zu verlieren, um besser zu werden.»
Potenzial sieht er noch einiges – wie auch Buck. Solches gibt es für den Deutschen zum einen bei den Umfängen und den Trainingsintensitäten. «Dann hat er bei trainingsbegleitenden Massnahmen noch Reserven, und er wird noch erfahrener, was dazu führt, dass er seine Energie über den Gesamtwettkampf besser managen kann.»