Weltmeister Verstappen Ein Erfolgsgarant – auf und neben der Rennstrecke

ber, sda

10.10.2022 - 09:09

Max Verstappen sicherte sich in Singapur seinen zweiten WM-Titel in der Formel 1 standesgemäss mit einem Sieg, seinem zwölften in dieser Saison
Max Verstappen sicherte sich in Singapur seinen zweiten WM-Titel in der Formel 1 standesgemäss mit einem Sieg, seinem zwölften in dieser Saison
Keystone

Der zweifache Formel-1-Weltmeister Max Verstappen ist für seinen Arbeitgeber Red Bull Garant für sportlichen Erfolg. Aber nicht nur.

Keystone-SDA, ber, sda

Das nennt sich dann wohl die Leichtigkeit des Seins. Max Verstappen kennt den Zustand voller Zufriedenheit und frei von jeglichen Sorgen. Seit Monaten läuft es dem Niederländer wie geschmiert. Sein Siegeszug hat ihm vorzeitig zum zweiten Mal den WM-Titel eingebracht.

Verstappens Hoch ist Sinnbild. Es passt perfekt zum Geschäftsgang des Mutterhauses seines Arbeitgebers. Der Konzern Red Bull hat fürs vergangene Jahr neuerliche Rekordzahlen vermelden können. 9,8 Milliarden Dosen seines Energiegetränks hat das Unternehmen abgesetzt. Das entspricht einem Plus von gut 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz ist von 6,3 Milliarden auf 7,8 Milliarden Euro gestiegen, was selbstredend ebenfalls einem Bestergebnis gleichkommt.

Wie sehr Verstappens Erfolge die Verkäufe beeinflussen, lässt sich nicht eruieren. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass Verstappen und mit ihm die Formel 1 in der gewaltigen, kostspieligen Marketing-Maschinerie von Red Bull eine Hauptrolle spielen. Der Niederländer ist derzeit aus globaler Sicht unter dem Emblem mit den zwei roten Stieren der bekannteste der rund 850 Sportlerinnen und Sportler, die bei den Roten Bullen unter Vertrag stehen – obwohl er mit seinem Naturell im Grunde genommen nicht dem Profil des «typischen Red-Bull-Athleten» entspricht. Bei Verstappen spielt es keine Rolle, dass er seine Welten als Mensch und Sportler konsequent trennt, dass sein Seelenleben nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.

Kostspieliges Marketing

Die Athletinnen und Athleten aus aller Herren Länder in allen möglichen (und unmöglichen) Sportarten und mit ihnen die vielen Veranstaltungen abseits des Gewöhnlichen sind Teil der Firmen-Strategie, dank der die Verkaufszahlen hochgehalten werden, die aber auch den Ruf hat, im Sinne der Umsatzmaximierung die Grenzen des Machbaren verschieben zu wollen. Diese Praktik oft ausserhalb der Norm kostet Geld, viel Geld. Rund 25 bis 30 Prozent des Geschäftsergebnisses fliessen nach Schätzungen in den Marketing-Bereich. Im letzten Jahr wären das also rund 2,5 Milliarden Euro gewesen.

Die Gleichung ist eine einfache. Die Investitionen sollen sich trotz der hohen Kosten rechnen. Oder anders: Bleibt der Erfolg aus und deckt sich die Realität nicht mit dem Anspruch, kommt dies auch der Eliminierung aus dem internen Veranstaltungskalender gleich. Fast immer jedenfalls.

Mit dem Engagement in der Formel 1 verhält es sich etwas anders. Da hat sich der oberste Boss Dietrich Mateschitz auf Anraten der Macher in der Marketing-Zentrale trotz einer sich über mehrere Jahre hinziehenden sportlichen Baisse für den Verbleib entschieden. Der Beschluss ist nicht von ungefähr gefasst worden. Die First Class des Automobilrennsports mit ihrer weltweiten Strahlkraft bietet Global Player Red Bull auch mit mässiger eigener Erfolgsbilanz die geeignete Plattform.

Mit dem Ausstieg aus der Formel 1 hatten die Verantwortlichen von Red Bull schon mehrfach kokettiert. Diesen Drohungen lag aber nicht der Misserfolg zugrunde. Die Auslöser waren vielfältig. Mal war ihnen die Dominanz der (silbernen) Konkurrenz zu erdrückend, mal waren sie mit den Anpassungen im Reglement nicht einverstanden, mal sahen sie wegen eines Zwists mit dem damaligen Motorenpartner Renault den Rückzug als einzige Lösung.

Gefühlte Ewigkeit

Auf die triumphale Ära mit den vier Fahrer-Titeln von Sebastian Vettel und vier Auszeichnungen als bestes Team sollten nach dem Umstieg von Saugmotoren auf turbobetriebene Hybrid-Aggregate sieben lange Jahre ins Land ziehen, bis sich für das Team Red Bull der ganz grosse Erfolg wieder einstellte. Sieben Jahre – aus Marketing-Optik des Unternehmens eine gefühlte Ewigkeit.

Auf die Hilflosigkeit gegen die silberne Konkurrenz und das daraus entstandene Reizklima mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und dem Hinterfragen des eigenen Tuns zeigten die Protagonisten endlich die erhoffte Reaktion. Im Team Red Bull war das Vertrauen in die eigene Stärke zurück.

Verstappens erster WM-Titel in der vergangenen Saison kam allen im Bullen-Lager wie eine Erlösung vor. Der Niederländer selber war endlich dort angelangt, wo er nach seinem Selbstverständnis längst hingehört hätte, die Marketing-Strategen sahen sich für ihre Geduld belohnt.

Diese Geduld, so sehen es viele Beobachter der Szene, hängt nicht nur mit der Formel 1 als optimalem Marketing-Instrument zusammen, sondern wohl auch mit Max Verstappen. Der Ansporn, dem Hochtalentierten einen Wagen mit dem Gütesiegel eines Siegerautos zur Verfügung zu stellen, liess keinen Platz für einen Entscheid zum Rückzug, der gleichbedeutend mit dem Abgang als Verlierer von der grossen Bühne gewesen wäre.

Verstappen selber ging auf dem steinigen Weg zurück an die Spitze stets voran – im Wissen, dass der Tag mit dem glücklichen Ende kommen würde, sollten alle für den Erfolg erforderlichen Parameter justiert sein. Sein Streben nach Verbesserung und Optimierung übertrug er auf seine Mitstreiter im Team. Sein Glaube ans Gute liess keine Zweifel zu.

Zusätzliche Reife

Zweifel liess Verstappen auch auf der Rennstrecke in diesem Jahr nie aufkommen. Im Wochen- oder Zwei-Wochen-Rhythmus spulte er nach einer nicht ganz gelungenen ersten Saisonphase sein Pensum ohne Fehl und Tadel ab – in weltmeisterlicher Manier halt und im Stile eines Fahrers, der an Reife, Rennintelligenz und Vernunft weiter zugelegt hat. Die Tage, an denen er der ungestüme Draufgänger war, der die physikalischen Grundwerte auszuhebeln versuchte und sich mit seinem übertriebenen Ehrgeiz selber im Weg stand, sind Vergangenheit.

Vergangenheit wird bald auch diese Saison sein. Die Zukunft hält für Verstappen wiederum die Rolle des Gejagten bereit. Er wird die Herausforderung annehmen, an seiner Aufgabe weiter wachsen und sich weiterentwickeln. Bei Red Bull sehen sie Verstappen jedenfalls noch längst nicht im Zenit seines Schaffens. «Wir sehen einen immer besseren Max. Aber den besten Max haben wir noch nicht gesehen», sagt Helmut Marko, der Motorsportchef des Teams.

Verstappen wird die Worte zur Kenntnis genommen haben. Er weiss selber, dass die Richtung stimmt. Sein Hunger nach Erfolg ist noch längst nicht gestillt. Er wird deshalb seine Gefolgsleute auch als zweifacher Weltmeister auf Trab halten. Er wird weiter Motivator sein. Die Leichtigkeit des Seins soll eine Fortsetzung haben.