Nach dem Djokovic-Schocker an den US Open ist klar: Es wird einen neuen Grand-Slam-Sieger in der Geschichte des Männer-Tennis geben. Das Feld scheint plötzlich gleich für mehrere Spieler weit offen. Wer hat die besten Karten?
Roger Federer und Rafael Nadal dürften sich nach dem Eklat um Novak Djokovic ihre Gedanken gemacht haben. Geäussert haben sich die beiden grossen Abwesenden in New York dazu aber bisher erwartungsgemäss nicht.
Federer, Nadal, Djokovic: Die drei Ausnahmekönner haben seit 2003 nicht weniger als 56 Major-Siege eingeheimst. Zwar konnten mit Andy Murray, Stan Wawrinka, Marin Cilic und Juan Martin Del Potro einige noch aktive Spieler die Dominanz durchbrechen, doch an den US Open 2020 ist keiner der erwähnten mit dabei – oder im Fall von Murray und Cilic schon ausgeschieden.
Sportlich ist nach dem Aus des serbischen Top-Favoriten daher eine Sache klar: Die US Open werden einen neuen Grand-Slam-Sieger hervorbringen. «Bluewin» macht den Check. Werfen wir zunächst aber einen Blick auf den aktuellen Stand der Dinge in Flushing Meadows – eine Umfrage finden Sie am Ende des Artikels.
Diese Viertelfinals stehen fest
Die weiteren Achtelfinals
Österreich (27 Jahre alt)
Dominic Thiem
Schlägt nach drei verlorenen Grand-Slam-Finals (French Open 2018 und 2019, Australian Open 2020) endlich die grosse Stunde von Dominic Thiem? Im bisherigen Turnierverlauf wurde der Österreicher noch zu wenig getestet, um diese Prognose unterschreiben zu können. Einzig gegen Marin Cilic in der dritten Runde hatte er einige bange Momente und einen Satzverlust zu beklagen.
Im Achtelfinal am Montagabend geht es nun gegen den aufstrebenden Kanadier Félix Auger-Aliassime. Danach wartet der Sieger der Partie zwischen Pospisil und De Minaur. Im Halbfinal könnte es zum Duell mit Daniil Medvedev kommen. Der Weg ins Endspiel für Thiem ist hart und lang. Auch wenn er der Bestklassierte im Draw ist, als Top-Favoriten auf dieser Unterlage kann man ihn noch nicht bezeichnen.
Russland (24 Jahre alt)
Daniil Medvedev
Anders sieht es bei Daniil Medvedev aus. Der Russe bekundete bisher überhaupt keine Mühe in seiner Tableau-Hälfte. Der letztjährige US-Open-Finalist (Niederlage gegen Nadal) scheint bereit für seinen ersten ganz grossen Titel. Gegen Tiafoe im Achtel- und im möglichen Viertelfinal gegen den Sieger der Partie Rublev Berrettini ginge er jedenfalls als Favorit in den Wettkampf.
Der nervenstarke 24-Jährige ist bekannt für seinen unkonventionellen und unberechenbaren Spielstil. Brandgefährlich wird Medvedev, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Eine Eigenschaft, die dem Russen im weiteren Turnierverlauf zunutzen kommen könnte.
Deutschland (23 Jahre alt)
Alexander Zverev
Von den Mitfavoriten hatte Alexander Zverev den vielleicht schwersten Draw bisher. Zunächst musste er gegen Kevin Anderson bestehen, dann folgten der US-Amerikaner Brandon Nakashima und der Franzose Adrian Mannarino. Drei Sätze gab Zverev im bisherigen Turnierverlauf ab, im Achtelfinal erreichte der Deutsche gegen Newcomer Alejandro Davidovich Fokina definitiv Betriebstemperatur.
Die grosse Frage wird sein: Behält Zverev die Nerven oder folgt – wie so oft – ein Einbruch zur Unzeit? Immer wieder als Mitfavorit genannt, stand Zverev erst einmal unter den letzten Vier an einem Major. Man mag nicht so recht daran glauben, dass ihm nun jetzt trotz aller Vorzeichen der grosse Durchbruch gelingen soll. Spätestens die Partie gegen Borna Coric im Viertelfinal wird zeigen, wo Zverev effektiv steht.
Russland (22 Jahre alt)
Andrey Rublev
Die Chancen auf ein Weiterkommen gegen Matteo Berrettini stehen bei 50/50. Einst sagte Roger Federer über Andrey Rublev, dass er ihm zutraue, irgendwann als Grand-Slam-Sieger hervorzugehen. Dazu bräuchte der Russe aber gleich mehrere starke Auftritte. Zunächst gegen Berrettini, dann gegen potenzielle Gegner wie Medvedev, Thiem, Shapovalov, Coric oder Zverev.
Kanada (21 Jahre alt)
Denis Shapovalov
Shapovalov stand an den diesjährigen US Open bereits über 15 Stunden auf dem Platz. Der Kanadier eliminierte im Achtelfinal den Belgier David Goffin und hatte auch in den Runden zuvor mehr als andere zu kämpfen. Im Viertelfinal wartet mit Pablo Carreno Busta jener Spieler, der Novak Djokovic bei dessen Aussetzer gegenüberstand. Carreno Busta zeigte im ersten Satz gegen den disqualifizierten Serben seine bisher beste Leistung im Turnier und wird für Shapovalov definitiv ein Gradmesser im Hinblick auf den weiteren Turnierverlauf.
Kanada (20 Jahre alt)
Félix Auger-Aliassime
In der ersten Runde noch stark gefordert, spielte sich Auger-Aliassime in der Folge förmlich in einen Rausch und schlug mitunter Andy Murray in der zweiten Runde. Gegen Dominic Thiem ist der junge und gross gewachsene (1,93 Meter) Kanadier Aussenseiter mit Exploit-Potenzial.
Australien (21 Jahre alt)
Alex de Minaur
Der pfeilschnelle Australier drehte in der dritten Runde einen 1:2-Satzrückstand gegen Karen Khachanov und brennt auf sein Achtelfinal-Duell gegen Vasek Pospisil. Auffallend an dieser Stelle übrigens: Mit Auger-Aliassime, Pospisil und Shapovalov sind noch drei Kanadier im Rennen um den Titel dabei. Noch nie hat ein kanadischer Spieler ein Grand-Slam-Turnier gewonnen. Ganz im Gegensatz zu Australien, wo De Minaur in die Fussstapfen vieler bekannter Landsmänner treten würde. Es müsste aber alles zusammenpassen, sollte der 21-Jährige letztlich am Sonntag den Pokal in die Höhe stemmen.