Ex-Ski-Star, Pilotin, Master in Physik Dominique Gisin: «Im Moment bin ich vor allem Mami»

Von Jan Arnet und Julian Barnard

16.2.2024

Dominique Gisin: «In den ersten Jahren habe ich den Rücktritt bereut»

Dominique Gisin: «In den ersten Jahren habe ich den Rücktritt bereut»

Vor neun Jahren gab Dominique Gisin mit 29 Jahren überraschend ihren Rücktritt. Mit blue Sport spricht die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2014 über ihr Leben abseits der Skipiste, ihre Schwester Michelle und die Verletzungsmisere im Ski-Weltcup.

15.02.2024

Vor neun Jahren gab Dominique Gisin mit 29 Jahren überraschend ihren Rücktritt aus dem Ski-Weltcup. Mit blue Sport spricht die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2014 über ihr Leben abseits der Skipiste, ihre Schwester Michelle und die vielen Verletzungen der Topstars.

Von Jan Arnet und Julian Barnard

16.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Zahn Jahre nach ihrem Olympiasieg in Sotschi hat blue Sport die frühere Speedfahrerin Dominique Gisin in Engelberg getroffen.
  • Die 38-Jährige sagt, dass sie ihren frühen Rücktritt zu Beginn bereut habe. Heute steht sie nicht mehr oft auf den Ski. Seit einem Jahr ist Gisin Mutter. «Ich geniesse die Kleine sehr», sagt sie.
  • Die Leistungen ihrer kleinen Schwester Michelle verfolgt sie ganz genau. Tipps gibt es von Dominique aber keine mehr: «Ich bin vor allem da für den emotionalen Support.»

«Es war eine wundervolle, verrückte Reise für mich», sagte Dominique Gisin im März 2015, als sie im französischen Meribel ihren Rücktritt verkündete. Ein Jahr, nachdem sie in Sotschi zu Olympiagold in der Abfahrt gefahren war, hatte sie genug vom Spitzensport. Nach dem grössten Erfolg ihrer Karriere sei es für sie schwieriger geworden, sich zu motivieren. Und so endete eine Karriere, die geprägt war von vielen Verletzungen, bereits mit 29 Jahren.

Neun Jahre sind seither vergangen. Vor allem zu Beginn hätte es immer wieder Momente gegeben, in denen sie ihren frühen Rücktritt bereut habe, verrät Dominique Gisin im Gespräch mit blue Sport. «In den ersten zwei, drei Jahren hatte ich bei jedem Rennen das Gefühl, dass ich am Start stehen sollte», lacht sie. «Aber das hat sich mit der Zeit gelegt.»

Auf den Ski steht Gisin heute nicht mehr sehr oft. Nach der Karriere widmete sich die Engelbergerin anderen Dingen. Sie ist nun unter anderem ausgebildete Pilotin, hat ein Physikstudium abgeschlossen und ist Verwaltungsrätin bei den TITLIS-Bergbahnen.

Und seit einem Jahr ist Gisin Mutter einer Tochter. «Im Moment bin ich vor allem Mami, das ist megaschön. Ich geniesse die Kleine sehr», sagt die 38-Jährige. «Ansonsten habe ich noch das eine oder andere spannende Mandat. Langweilig wird es mir also nicht.»

Keine Tipps mehr für Schwester Michelle

Natürlich verfolgt Gisin auch das Geschehen im Ski-Weltcup aus der Ferne. Zumal ihre kleine Schwester Michelle als eines der Aushängeschilder des Swiss-Ski-Teams Rennen für Rennen um Podestplätze kämpft. Tipps gibt es von der grossen Schwester heute aber keine mehr.

«Ich bin vor allem da für den emotionalen Support», schmunzelt Dominique Gisin. «Sie hat inzwischen so viel Erfahrung und fährt besser, als ich je gefahren bin. Michelle geht ihren Weg und den geht sie sehr gut. Ich hoffe, dass sie weiterhin schmerzfrei fahren kann. Dann ist alles möglich.»

«Sie fährt besser, als ich je gefahren bin», sagt Dominique Gisin (rechts) über ihre Schwester Michelle (links).
«Sie fährt besser, als ich je gefahren bin», sagt Dominique Gisin (rechts) über ihre Schwester Michelle (links).
Bild: Keystone

Michelle Gisin kehrte am letzten Wochenende nach einer kurzen Verletzungspause in den Weltcup zurück und fuhr im Soldeu-Slalom auf Platz vier. Ende Januar zog sie sich bei der Abfahrt in Cortina d’Ampezzo eine Schuhrandprellung zu, kam im von schweren Stürzen überschatteten Rennen aber noch glimpflich davon. Mehrere Top-Fahrerinnen verletzten sich in jenem Rennen schwer.

«Vorsicht ist auch nicht das Optimum»

Die Liste der verletzten Topstars im Ski-Weltcup wird länger und länger. Bei den Frauen fallen unter anderem Mikaela Shiffrin, Petra Vlhova, Sofia Goggia, Corinne Suter, Wendy Holdener und Joana Hählen aus. Und auch bei den Männern sind mehrere Topathleten betroffen: Marco Schwarz, Aleksander Kilde und Alexis Pinturault, um nur drei zu nennen.

Dominique Gisin musste sich in ihrer Karriere selbst immer wieder von schweren Verletzungen zurückkämpfen, neunmal musste sie sich einer Knieoperation unterziehen. Auf die Suche nach Gründen für die aktuelle Verletzungsmisere will sie sich nicht begeben. «Ich bin zu weit weg, um einen vernünftigen Ansatz für eine Erklärung bieten zu können», sagt sie. «Grundsätzlich ist der Sport einfach gefährlich, die Geschwindigkeiten sind enorm.»

Dass die Fahrerinnen nach den Geschehnissen der letzten Wochen nun in den bevorstehenden Speedrennen in Crans-Montana vorsichtiger zu Werke gehen, glaubt Gisin indes nicht: «Vorsicht ist auch nicht das Optimum. Es braucht Überzeugung. Auf einer Abfahrt braucht es Mut und die Athletinnen trainieren jeden Tag, um das Optimum herausholen zu können», sagt sie. «Aber ich hoffe, dass die Rennen in Crans-Montana sturzfrei über die Bühne gehen können.»