Trotz grossen Selbstvertrauens kommen bei Ramon Zenhäusern kurz vor dem Start immer wieder Zweifel auf. Wenn er diese «bösen Geister» vertreiben kann, liegt eine WM-Medaille drin. Im Interview mit «Bluewin» gibt sich der Walliser gelassen. Noch.
Slalom-Spezialist Ramon Zenhäusern ist am Mittwoch in Richtung Schweden abgeflogen. Der 26-Jährige reist für seine Ski-Karriere gerne um die Welt. «Ich sehe Orte, die ich sonst nie sehen würde», sagt der Walliser kurz vor seinem Abflug nach Stockholm. Mit «Bluewin» sprach Zenhäusern über seine WM-Erwartungen, seine Gegner und sein spezielles Ritual kurz vor dem Rennen.
Ramon Zenhäusern, Sie haben gerade Ihr Gepäck aufgegeben, wie viele Kilos schleppen Sie an die WM?
Es waren drei Gepäckstücke à 23 Kilogramm. Ich bin stets am Limit unterwegs und musste auch beim Check-in nochmals umpacken. Es muss schliesslich für 16 Tage reichen. Wir gehen nach der WM direkt an den City Event in Stockholm.
Zum Glück sind Sie nicht bereits am Sonntag nach Are gereist.
Ja, ich hab’s gehört, die anderen Fahrer sind eine ganze Nacht am Flughafen stecken geblieben. Ich hoffe, das passiert uns nicht.
In Schladming wurden Sie Vierter, in Kitzbühel Sechster und und in Adelboden Fünfter – mit wie viel Selbstvertrauen reisen Sie an die WM?
Diese Resultate haben gezeigt, dass ich schnell fahren kann. Mein Selbstvertrauen ist definitiv gross.
Konkret: Welche Erwartungen haben Sie?
Ich erwarte, dass es extrem kalt wird (lacht). Ich versuche im Slalom wie immer, zwei Mal mein Bestes zu geben. Es ist zwar nicht ein Rennen wie jedes andere. Aber wenn ich gesund bleibe und noch zehn Jahre im Skizirkus bin, kann ich noch an fünf Weltmeisterschaften teilnehmen. Ich bin deswegen relativ entspannt und gelassen. Ich freue mich einfach auf die Wettbewerbe.
Sind Sie dank dieser Gelassenheit ein Mann für die ganz grossen Rennen?
Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Nach Olympia (Silber im Slalom, Anm. der Red.) war ich sechs Tage später wieder auf dem Podest von Kranjska Gora. Wenn ich dieses Jahr an der WM eine Medaille hole, muss ich mir über diese Tendenz Gedanken machen.
Wie haben Sie sich auf die Weltmeisterschaften vorbereitet?
Ich war den ganzen Januar unterwegs. Die letzte Woche bin ich deswegen nicht mehr auf den Skiern gestanden, ich habe mich konditionell vorbereitet. Zusätzlich habe ich versucht, mich zu erholen.
Wie?
Beispielsweise mit Langlaufen in den Walliser Bergen, das hat mir gut getan. Ausserdem habe ich mir Zeit für die Familie und Freunde genommen. So konnte ich ein bisschen abschalten.
Im Dezember war noch nicht sicher, ob Sie wegen der Verletzung am Daumen überhaupt an die WM reisen können. Wie geht es Ihrem Daumen heute?
Es wäre beinahe in die Hose gegangen, das stimmt. Um so mehr freue ich mich jetzt. Vor Weihnachten war es eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich habe die Saison bereits abgeschrieben. Es geht mir und dem Daumen gut, ich habe vor zwei Wochen geröntgt. Es ist noch nicht verheilt, aber ich bin im Fahrplan. Klar muss ich mir jetzt noch Sorge tragen, ich darf nicht nochmals auf den Daumen fallen. Deswegen fahre ich weiterhin mit der Schiene.
Kürzlich hat man Ihr besonderes Ritual vor dem Start sehen können. Warum hilft es Ihnen, wenn Sie im Starthaus «ein Tier vor dem Sprung» sind?
Vor dem Slalom in Schladming haben mir beispielsweise viele gesagt, ich sei nur im Flachen schnell. Ich hätte keine Chance, wenn es steil werde. Ich wollte beweisen, dass diese Aussagen nicht stimmen und dass ich auch in einem Steilhang schnell sein kann. Es hat viel Überwindung gekostet, zu zeigen, was ich wirklich kann. Ich bin vor dem Start sehr nervös, Zweifel kommen automatisch auf. Sie wegzuschreien, hilft mir einfach. Es ist nicht so, dass ich das in jedem Rennen so extrem mache. Es kommt immer auf die Situation an.
Sie sind erschrocken, als man Sie darauf hingewiesen hat. Werden Sie Ihr Ritual nun anpassen, weil Sie jetzt auch im Starthaus unter Beobachtung stehen?
Ich bin gespannt, wie ich das nächste Mal im Starthaus reagiere. Ich weiss es nicht. Ich werde das machen, was mir gut tun wird. Ich werde mit meinem Ritual sicher nicht aufhören oder es extremer machen. Es bringt ja nichts, das ist intuitiv. Wenn ich in diesem Moment Zweifel habe, werde ich meine Angst bestimmt wieder wegschreien.
Wie schätzen Sie Ihre Gegner ein?
Das Niveau ist extrem hoch. Es wird spannend. Marcel Hirscher ist natürlich weiterhin das Mass aller Dinge. Aber auch mit Noël, Schwarz, Feller, Yule und Kristoffersen gibt es viele, die vorne mitmischen können.
Sie haben in einem Fernstudium Wirtschaft studiert. Planen Sie bereits die Karriere nach Ihrer Karriere?
Ich habe den Bachelor abgeschlossen und warte noch auf die Diplomfeier. Jede Karriere ist irgendwann zu Ende. Man weiss nie, wie eine Sportlerkarriere mit möglichen Verletzungen verläuft. Deswegen möchte ich gewappnet sein. Aber ich weiss noch nicht genau, was ich werden möchte – irgendetwas mit Sportmanagement.
Als Walliser wären Sie natürlich auch prädestiniert für den Posten als FIFA-Präsident. Wäre das etwas?
(Lacht) Als Skifahrer würde mir ein Job bei der FIS näher liegen.
Ramon Zenhäusern geht beim Teamevent (Dienstag, 12. Februar) und beim Slalom (Sonntag, 17. Februar) für die Schweiz an den Start. Seinen grössten Erfolg feierte der 26-Jährige im letzten Jahr an Olympia, als er im Slalom Silber und im Teamevent die Goldmedaille holte.