Die Pleite gegen Man City machte die Chelsea-Fans richtig wütend. Sie schimpfen auf den aktuellen Trainer und den Besitzer des Clubs.
Nach der 0:4-Klatsche auswärts gegen Meister Manchester City im Pokal nur wenige Tage nach der Niederlage in der Meisterschaft gegen den gleichen Gegner musste sich sogar Citys Startrainer Pep Guardiola für den angezählten Chelsea-Coach Graham Potter starkmachen. «Ich weiss, in grossen Clubs zählen die Ergebnisse, aber ich würde sagen: Gebt ihm Zeit.»
Nach 38 Minuten lagen die Blues aber schon 0:3 hinten. So was gab es in den 99 Spielen unter Tuchel nie. Denis Zakaria – einer der wenigen «Krisengewinner» – musste in der ersten Halbzeit von der Bank dem tristen Treiben seiner Teamkollegen zuschauen und kam erst nach der Pause zum Einsatz.
Fans wünschen sich Erfolgscoach Tuchel zurück
In der Kurve der Blues-Fans sangen sie derweil den Namen des deutschen Ex-Trainers. Die Fans des sportlich schwer taumelnden FC Chelsea wollen Thomas Tuchel zurückhaben an der Stamford Bridge.
«Wir haben super Thomas Tuchel»
Potter musste auch Buhrufe von den Rängen über sich ergehen lassen. Ebenso der russische Ex-Besitzer Roman Abramowitsch, der infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine den Club an ein amerikanisches Konsortium hatte verkaufen müssen. «Der Frust der Fans ist verständlich», sagte Potter: «Es ist offensichtlich, dass wir uns nicht in einer guten Phase befinden.»
In der Tat ist der Club mit den hohen Ansprüchen aktuell nur dürftiges Mittelmass. In der Premier League liegt man mit nur einem Sieg aus den vergangenen acht Spielen – dafür aber vier Niederlagen – auf Rang 10. So eine schlechte Serie in der Meisterschaft gab es zuletzt 2010 – und im FA-Cup sind sie zuletzt 1999 so früh raus.
Das kann kaum der Anspruch der neuen Besitzer um Todd Boehly sein, der Tuchels Amtszeit am 7. September vergangenen Jahres ungeachtet des Champions-League-Triumphes 2021 ohne grosse sportliche Not beendet hatte. Einen Tag später übernahm Heilsbringer Potter – und nach drei Liga-Siegen begann schon die Krisenphase.
Personalschwund befeuert Kriechgang
Gegen City schossen die Gäste in der ersten Hälfte nicht einmal aufs Tor, «schmerzhaft», kommentierte der 47-jährige Potter. Während Guardiola es sich leisten konnte, auf Torjäger Erling Haaland zu verzichten, hat Chelsea derzeit gleich zehn Spieler auf der Lazarettliste.
Chelseas Verletztenliste
- N’Golo Kanté (Oberschenkel)
- Reece James (Knie)
- Edouard Mendy (Schulter)
- Wesley Fofana (Knie)
- Armando Broja (Knie)
- Ruben Loftus-Cheek (Knöchel)
- Raheem Sterling (Oberschenkel)
- Christian Pulisic (Knöchel)
- Pierre-Emerick Aubameyang (Rücken)
- Ben Chilwell (Oberschenkel)
Die WM hat Potter nicht geholfen, seine Sorgen zu mildern. Gleich zwölf Spieler musste der Club abstellen – elf davon kamen in die K.-o.-Phase. Ein geordnetes Training durchzuführen, war so natürlich schwierig.
Kein Wunder, nahm der vorher bei Brighton engagierte Potter seit Amtsantritt im Oktober jeweils so viel Änderungen an der Startelf vor wie kein anderer Premier-League-Coach. So ist man von einem eingeübten System und einer Stammelf weit entfernt. Das Ausmass der Ausfälle habe er in seiner Karriere noch nie erlebt, so Potter.
Vorne fehlt es an Kreativität
Zugleich herrscht in der Offensive ein laues Lüftchen. Gegen City bildeten Hakim Ziyech und Mason Mount hinter Stossstümer Kai Havertz das Offensivtrio, nachdem Raheem Sterling sich letzte Woche verletzt hatte. Am Ende änderte sich nichts an der mageren Ausbeute. Nur in drei der letzten zwölf Partien gelang es Chelsea, mehr als einen Treffer zu erzielen.
Die Abgänge von Timo Werner und Romelu Lukaku diesen Sommer wollte der Club mit Pierre-Emerick Aubameyang (kam vom FC Barcelona) auffangen. Doch der Torschützenkönig der Premier League von 2018/19 steckt in einem Formtief (1 Liga-Tor) und ist kein Faktor.
So muss ganz vorne meistens Havertz an, der aber auf dieser Position nicht die gleiche Wirkung erzielt wie hinter einer echten Nummer 9. Seine aktuelle Liga-Ausbeute (vier Tore in 16 Spielen) lässt ebenfalls zu wünschen übrig. So fällt natürlich jedes Gegentor mehr ins Gewicht.
Zwar haben die Blues im letzten Halbjahr Spieler für insgesamt über 300 Millionen Euro (Wesley Fofana, Marc Cucurella, Raheem Sterling, Kalidou Koulibaly, Carney Chukwuemeka etc.) verpflichtet, doch offenbar haben die Scouts einen schlechten Job gemacht. Denn das Kader verfügt über zu wenige kreative Spieler.
Die Daten von «Opta Records» (via Sky) zeigen ein erschreckendes Bild auf. Gleich zwölf Teams in der Liga haben mehr gute Torchancen kreieren können. Chelseas gefährlichster Mann, Raheem Sterling, ist nicht mal in den Top 30 bei den Vorlagen für Chancen, die den Namen verdienen. Da erstaunt es nicht, dass Chelsea unter Potter noch kein einziger Sieg gegen ein Top-10-Team gelang.
Unter diesen Vorzeichen scheint eine Trendwende sehr schwierig zu erreichen. Die Geduld von Besitzer Boehly mit seinem wichtigsten Angestellten ist wohl ebenfalls aufgebraucht. So erscheint es aus heutiger Sicht fraglich, ob Potter in den Duellen im Achtelfinal der Champions League mit Borussia Dortmund ab Mitte Februar noch an der Seitenlinie zu sehen sein wird.
SB10/DPA