Countdown Von Sackhüpfen bis Weitspucken – die kuriosesten Olympia-Disziplinen der Geschichte

Von Patrick Lämmle

19.7.2021

Am kommenden Freitag um 13:00 Uhr steigt in Tokio die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Wir nehmen das zum Anlass, dir einige Sportarten vorzustellen, die leider – teils zum Glück – nicht mehr olympisch sind.

Von Patrick Lämmle

Olympische Spiele sind viel mehr als «nur» Leichtathletik und Schwimmen. Die beiden Sportarten sind natürlich nicht wegzudenken und gehören seit der ersten Austragung im Jahr 1896 in Athen zum Programm. Aber man will ja schliesslich mit der Zeit gehen und so gilt es, Stillstand zu verhindern. Auch in diesem Jahr werden mit Karate, Soft- und Baseball sowie Surfen, Skateboarden und Sportklettern neue Sportarten aufgenommen. Aber es gab schon viel verrücktere «Experimente».

Taubenschiessen

1900 wurde in Paris ein regelrechtes Blutbad angerichtet. Denn da wurde nicht etwa auf Tontauben geschossen, sondern auf echte Tauben. Leon de Lunden erlegte auf dem Weg zur Goldmedaille 21 Tauben – insgesamt waren es über 300 Tiere, die ihre unfreiwillige Teilnahme mit dem Leben bezahlten. Aufgebrachten Tierschützern ist es zu verdanken, dass sich dieser Irrsinn nicht wiederholte. Wir machen uns gar nicht erst die Mühe, Bild- oder Videomaterial zu suchen.

Spazierstockfechten

Entstanden ist der Sport aus Gründen der Selbstverteidigung beim Spazieren. Nach dem Ende der Französischen Revolution im Jahr 1799 war es den Adeligen in Frankreich nicht mehr gestattet, Waffen wie Säbel oder Pistolen mitzuführen. Um sich dennoch gegen das Fussvolk verteidigen zu können, benutzten sie ihren Spazierstock. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Sportart und die war von 1900 bis 1924 olympisch – und auch heute wird das Spazierstockfechten noch praktiziert.

Tauziehen

Ein Seil, zwei Mannschaften. Beide versuchen das gegnerische Team über einen bestimmten Punkt zu ziehen. Zwischen 1900 und 1920 war das tatsächlich eine olympische Disziplin. Die Sportart hat damals weder jung noch alt begeistert, 1900 traten gerade mal zwei Mannschaften an und auch bei den folgenden Spielen waren es nie mehr als fünf. Die hiesigen Hüter der Lehrpläne sind da hartnäckiger. Auch heute noch werden Schulkinder dazu verdonnert an Seilen zu ziehen. Die Begeisterung hielt sich jeweils, so die Erinnerung des Autors, arg in Grenzen.

Hindernisschwimmen

Eine Sportart, die den heutigen Zeitgeist gut treffen würde, war 1900 in Paris olympisch: 200-m-Hindernisschwimmen. Die Teilnehmer mussten durch die verschmutzte Seine schwimmen und dabei über ein Boot drüber klettern und unter einem Boot hindurch tauchen. Zum Schluss mussten die Teilnehmer noch ein Seil hochklettern – ziemlich tricky, wenn einem die Beine von der Strömung weggezogen werden. Der Australier Frederick Lane hat den Parcours in 2.38 Minuten gemeistert und sich Gold gesichert. Leider gab es damals noch keine sozialen Medien, ansonsten wären seine Followerzahlen bestimmt regelrecht explodiert.

Sackhüpfen

Sackhüpfen dürfte der eine oder andere aus der Schulzeit oder von aktiv gestalteten Kindergeburtstagen kennen. Doch bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis ging es auch in dieser Sportart um Medaillen. Bilder von anno dazumal haben wir gerade keine zur Hand, aber im Internet findet man Videos zur Genüge. Will das IOC wirklich wieder mehr junge Leute für die Olympischen Spiele begeistern, dann sollten die Entscheidungsträger über ein Comeback des Sackhüpfens nachdenken.

Tonnenspringen

Bei der «Western-Olympiade» 1904 gab es ein Rennen über 400 Meter, bei dem die Athleten alle 50 Meter durch eine Tonne – Deckel und Boden wurden in weiser Voraussicht entfernt – springen mussten. Bei dieser Sportart, mancherorts wird sie übrigens heute noch praktiziert, hängt die Tonne in etwa hüfthoch an Seilen. Die Läufer durchspringen sie mit dem Kopf voran und machen bei der Landung eine Rolle, um anschliessend den Lauf fortzusetzen. Eine ziemlich faszinierende Sportart, die eigentlich in der heutigen Zeit trenden müsste.

Gar nicht mal so einfach: Tonnenspringen.
Gar nicht mal so einfach: Tonnenspringen.
Bild: wikipedia

Pferdeweitsprung/Pferdehochsprung

1900 wurden in Paris nicht nur Tauben erschossen und im Dreckwasser Hindernisse überwunden, auch wurden Pferdeweitsprung und Pferdehochsprung ins Programm aufgenommen. Im Weitsprung siegte der Belgier Constant van Langhendonck mit seinem Hengst «Extra Dry» (6,10 Meter). Beim Pferdehochsprung teilten sich der Italiener Giovanni Giorgio Trissino auf seinem Pferd Oreste und der Franzose Dominique Gardères auf Canéla mit einer Sprunghöhe von 1,85 Meter den Sieg. Trissino wurde aber nicht nur Erster, mit seinem Pferd Melopo wurde er auch noch Vierter. Nach den Spielen wurden die beiden Disziplinen wieder abgeschafft.

Tabak-Weitspucken

Warum wurde dieser Sport olympisch? Tja, weil der damals grösste amerikanische Kautabak-Produzent seinen Sitz in St. Louis hatte. Und das Tabak-Weitspucken soll der Lieblingssport der Arbeiter gewesen sein, wie hätte sich da das olympische Komitee querstellen können? Die Chance, den Titel zu verteidigen, hatte der Sieger nie. Nach 1904 wurde an Olympischen Spielen nicht mehr um Medaillen gespuckt. Schade eigentlich, gäbe es doch längst eine gesunde Alternative, das Kirschkernweitspucken. Was würden wir hierzulande mitfiebern, wenn Weltrekordhalter (22,52 Meter) Thomas Steinhauer sich den Kirschkern auf die Zunge legt, den Mund zur Kanone formt, und dem perfekt präparierten Kirschkernchen Flügel verleiht …

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