Nikita Ducarroz ist drei Jahre nach ihrer Bronzemedaille an der olympischen Premiere des BMX-Freestyle in Tokio erneut ambitiös. Sie vergisst aber nicht: «Der Spass ist entscheidend.»
Die 27-jährige Genferin hat sich während der letzten drei Jahre kontinuierlich verbessert in einer Sportart, die noch so jung ist, dass sie sich immerzu verändert. «Die Zeit verging wie im Flug», erzählt sie: «Ich habe das Gefühl, Tokio sei erst gerade gewesen.» Die in Nizza geborene Tochter eines Schweizers und einer Amerikanerin hat aber keine Zeit verloren seit ihrem Exploit in Japan. Trotz verstärkter Konkurrenz gewann sie 2022 eine zweite WM-Silbermedaille. Die erste hatte sich kurz vor Tokio gewonnen.
Nikita Ducarroz empfing die Nachrichtenagentur Keystone-SDA Ende Mai in «ihrem» Skatepark im Genfer Quartier Planpalais. Dort trainiert sie, wenn sie die Zeit findet, um ihre Eltern in Genf zu besuchen. Ihre Qualifikation für die Olympischen Spiele war damals noch nicht offiziell, aber nur noch eine Formalität. «Ich trainiere voll, in erster Linie mit Blick auf die Olympischen Spiele. Ich arbeite an einem Maximum an Tricks, ich versuche andauernd, neue Abläufe zu lernen», so Ducarroz, deren Ticket für Paris einen Monat später bestätigt wurde.
«Wenn ich zu lange das Gleiche wiederhole, langweile ich mich ein wenig», gesteht sie. Aber es hilft, wenn sie auf der Suche nach Neuem ist. «Ich versuche, mit Freunden zu fahren, weil ich dann auch Lust habe, neue Tricks zu versuchen. So lernt man auch. Ich muss jeden Tag trainieren, um alles im Griff zu haben für Paris», erklärt Ducarroz, die in den Niederlanden den letzten Schliff in der Vorbereitung holt. Wohnen tut sie derzeit in den USA, plant aber den Umzug nach Costa Rica, wo die Bedingungen ideal sind für BMX.
«Es ist manchmal schwierig, so viel zu reisen, auch wegen des Jetlags. Aber in unserem Sport geht es nicht anders, selbst vor den Olympischen Spielen ist das Reisen normal. Und dabei gab es nicht mal viele Wettbewerbe in den USA.» Im Allgemeinen stört sie das Reisen nicht. Im Gegenteil: «Man muss herumkommen, um Leute kennenzulernen. Das ist etwas, das mich fasziniert. Ich habe es sofort genossen, viel herumzukommen und neue Länder zu entdecken, als ich mit meinem Sport begonnen habe.»
Podestplatz wird «sehr schwierig»
Ein Sport, der Nikita Ducarroz verändert hat. Sie, die als Kind unter Angstzuständen gelitten hatte, und mit 14 Jahren nicht mehr aus dem Haus wollte. Mittlerweile gehört das Entdecken von Neuem zu den grossen Freuden ihres Lebens. Sportlich wird der Druck und die Konkurrenz immer grösser mit den stärker werdenden Chinesinnen und Fahrerinnen, die immer jünger werden. «Das Niveau ist in den letzten vier, fünf Jahren wirklich gestiegen. Es ist echt cool, diese Steigerung zu sehen», sagt sie mit einem Lächeln.
«Einige dieser Girls sind schon besser als ich», stellt sie fest – ohne Neid, aber mit der Motivation, sich selber weiter zu verbessern. «Das gehört zur Entwicklung des Sports dazu», findet sie, die wie andere Pionierinnen immer noch dabei ist. «Ich beginne mich uralt zu fühlen», lacht sie. «Aber bei den Männern gibt es über 35-Jährige. Ich bin nicht fertig. Ich fühle mich gut, ich bin vielleicht sogar besser als in Tokio, also werde ich noch eine Weile weitermachen.»
Ducarroz träumt natürlich von einer Medaille in Paris, wo die Qualifikation am 31. Juli stattfindet und der Final am Tag danach. «Aber ich weiss, dass es diesmal sehr schwierig sein wird.» Die Elite ist extrem breit geworden im BMX.
Wie auch immer, ein weiterer Podestplatz bei Olympia würde ihr Leben nicht auf den Kopf stellen: «Die Medaille in Tokio hat mir Türen geöffnet und einige Leute, die sich nicht für meinen Sport interessiert hatten, kennen ihn nun. Aber mein Leben hat sich nicht verändert. Auch wenn ich mich heute mental besser fühle als noch vor drei Jahren.» Die Medaille habe ihr Glaubwürdigkeit in ihrem Sport gegeben, vor allem gegenüber jenen Leuten von ausserhalb des BMX. «Aber ansonsten tue ich immer noch das Gleiche: Ich fahre Velo, mache das, was ich gern tue.»
«Die Flamme brennt»
Ducarroz kann sich dank Sponsoren ganz und exklusiv auf ihren Sport konzentrieren. Aber reich wird sie nicht und schätzt jedes ihrer Räder, die einen Wert von zirka 2000 Franken haben. Die Westschweizerin, die immer ihre liebste Ausrüstung und ein Ersatzrad dabei hat, muss oft die Mechanikerin spielen, wenn eines ihrer Räder ein technisches Problem hat, auch wenn die Konkurrenz sich immer hilft. «Wir sind immer noch eine grosse Familie», sagt sie über den BMX-Zirkus.
Ducarroz, die auch mal den Skatepark nach Regenfällen selber trocknet, gibt zu, dass es auch Schattenseiten gibt. Nicht immer habe sie Lust zu trainieren. «Es ist nicht möglich, immer glücklich zu sein.» Auch deshalb sei es wichtig, den Spass an der Sache nicht zu verlieren. «Diese Flamme brennt noch in mir. Manchmal vergesse ich es. Aber es reicht, mich daran zu erinnern, wie viel Freude mir das Velo beschert, um den Spass zurückzuholen.»
sda