Erneut bricht nach einer olympischen Entscheidung im Reiten eine Diskussion über den Wettkampfsport mit Pferden aus. Nachdem vor laufenden Kameras auf ein Tier eingeprügelt wird, machen sich immer mehr Stimmen für eine Systemänderung stark.
«Hau mal richtig drauf. Hau richtig drauf!» Es sind schockierende Bilder, die am Freitag aus Tokio um die Welt gehen. Im Modernen Fünfkampf kämpft die deutsche Athletin Annika Schleu wortwörtlich mit dem ihr zugelosten Pferd «Saint Boy» und anschliessend mit den Tränen. Sind solche Wettkämpfe noch tragbar?
Eigentlich läuft am Freitag für Annika Schleu alles wie am Schnürchen. Vor der letzten Disziplin ist die 31-Jährige im Modernen Fünfkampf klar auf Goldkurs. Doch dann das Drama. Schleu hat schon zum Start Mühe, das ihr zugeloste Pferd «Saint Boy» überhaupt auf den Parcours zu bekommen. Verzweifelt peitscht sie auf das Tier ein und zerrt an den Zügeln – doch das verstörte Pferd weigert sich.
«Hau mal richtig drauf. Hau richtig drauf!», wird Schleu von ihrer Trainerin angefeuert. Und erst als die gebürtige Berlinerin ihr Tier noch härter schlägt, bewegt sich «Saint Boy». Doch lange geht das nicht gut. Das Pferd reisst Stangen runter und will die Hindernisse nicht überqueren. Annika Schleu sitzt weinend auf dem Pferd, während es zur Disqualifikation kommt. Der Gold-Traum ist geplatzt.
«Das hat mit Reitsport nichts zu tun»
In den sozialen Medien verwandeln sich die Bilder umgehend in explodierende Benzinkanister. Denn das Feuer brennt schon. Noch nicht einmal eine Woche ist es her, da musste der Wallach «Jet Set» wegen einer Verletzung beim Geländeritt eingeschläfert werden. Die Wogen gingen hoch und entfachten eine seit Jahren andauernde Diskussion aufs Neue. Mit dem Drama um «Saint Boy» erreicht die Debatte einen vorläufigen Höhepunkt.
Auch Isabell Werth, die erfolgreichste Reiterin der Welt, kritisiert den Einsatz von Pferden im Modernen Fünfkampf deutlich. «Das hat mit Reitsport nichts zu tun, wie wir ihn betreiben und kennen», sagt die deutsche Dressurreiterin am Freitag. «Das ganze System muss geändert werden.»
«Das Pferd tut mir leid», sagt die siebenmalige Olympiasiegerin weiter. Das Tier sei im Fünfkampf «nur ein Transportmittel». Ihr tue aber auch «das Mädchen leid», die Opfer des Systems ihrer Sportart sei, betont Werth. Beim Fünfkampf wird nicht mit eigenen, sondern mit zugelosten Leih-Pferden geritten. «Saint Boy» musste dabei gleich zweimal durch den Parcours.