Ernüchternder Saisonstart Sind die guten Mercedes-Jahre endgültig vorbei?

Martin Abgottspon

28.3.2022

Lewis Hamilton muss sich im zweiten Saisonrennen mit dem 10. Platz begnügen.
Lewis Hamilton muss sich im zweiten Saisonrennen mit dem 10. Platz begnügen.
Getty Images

Mercedes liefert in den ersten beiden Rennen alles andere als einen bestechenden Eindruck ab. Teamchef Toto Wolff glaubt zwar an eine Auferstehung, es ist aber gut denkbar, dass die Silberpfeile dieses Jahr nicht um den WM-Titel mitreden werden.

M. Abgottspon

Zum Saisonauftakt kam Mercedes durch den Doppel-Ausfall von Red Bull noch mit einem blauen Auge davon. Beim Grossen Preis von Saudi-Arabien konnte das Team die offensichtlichen Schwächen des Autos nicht mehr verbergen. 

Lewis Hamilton belegte den 10. Platz, Teamkollege George Russel landete immerhin auf Rang 5. Auch Sicht der Serien-Sieger der letzten Jahre ist das eindeutig zu wenig. 

«Haben überall Defizite»

Am fahrerischen Können liegt es nicht. Dies betont auch Teamchef Toto Wolff nach der jüngsten Schlappe und schlägt bereits Alarm. «Das Gesamtbild ist ernüchternd, und es ist klar, dass wir weiter hart arbeiten müssen, wenn wir in Melbourne eine bessere Performance zeigen wollen. Wir haben überall Defizite.» 

Diese Einschätzung ist unübersehbar. Schon im Qualifying kämpft das Auto mit Performance- und Balanceproblemen. Aktuell sind Hamilton und Russell gezwungen mit mehr Bodenhöhe zu fahren, was starke Auswirkungen auf den Top-Speed des Boliden hat. Gegenüber Ferrari waren die Silberpfeile auf den schnellen Geraden um bis zu 10,7 km/h langsamer. Die jüngsten Bemühungen, das Auto durch Modifikationen am Heckflügel schneller zu machen, sind ebenso gescheitert, wie andere Optimierungsmassnahmen.

«Die niedrigen Höchstgeschwindigkeiten sind nicht unser einziges Problem. Wir haben viele Teile am Auto, die nicht funktionieren, die wir nicht verstehen, die nicht gut genug performen. Das ist einfach nicht, wo wir mit unserem Auto erwarten zu stehen», so Wolff.

Was ist aus dem «wir» geworden?

So besorgniserregend die Situation bei Mercedes ist, umso bedenklicher ist die Kommunikation von Toto Wolff. Vor allem, wenn man sich auf Details achtet. So sprach Wolff etwa von «die», als es darum ging, das Auto wieder flott zu machen. Das «wir» scheint für den Moment Geschichte. Allerdings ist es nicht die erste Krise, die der Teamchef zu bewältigen hat. «Wir haben zwei der besten Fahrer, und ich werde nicht zulassen, dass wir mit einer Sekunde Rückstand im Niemandsland herumfahren. Fakt. Das ist nicht das erste Mal, das mir das passiert.»

Das ist eine Kampfansage. Allerdings ist Wolff auch realistisch genug, um zu wissen, dass sich dieser Rückstand nicht in wenigen Wochen aufholen lässt. Für den Moment bedeutet dies, das Punktemaximum rauszufahren mit dem, was man hat. Den WM-Titel will man deswegen aber noch lange nicht aus den Augen verlieren.

Der Beginn einer neuen Ära?

Doch haben die Silberpfeile dieses Jahr tatsächlich noch realistische Chancen in diesem Punkt ein Wörtchen mitzureden? Es ist noch sehr früh, um das abschätzen zu können. Aktuell sieht es aber eher danach aus, als ob Ferrari und Red Bull diese Ehre unter sich ausmachen.

Wolff aber klammert sich an Strohhalme: «Das jetzt erinnert mich an 2013, als wir nicht so schnell wie die Red Bulls und Ferraris waren, aber nie aufgehört haben zu kämpfen. Wir müssen kämpfen.»

Mit Kampf allein wird es schwierig werden und vielleicht muss Mercedes auch einfach lernen, mit Misserfolgen umzugehen. Zumindest ist von der damals guten Basis, die Ross Brawn und Norbert Haug bei Mercedes vor zehn Jahren geschaffen haben nicht mehr viel übrig, wie etwa Formel-1-Experte Ralf Schumacher bei «Motorsport Total» sagt. «Die letzten zehn Jahre von Toto Wolff hätte ich trotzdem gerne gehabt.»