Sergio Agüero hat nun für Manchester City gleich viele Tore erzielt wie Thierry Henry für Arsenal. Trotz der herausragenden Bilanz zählt der Argentinier für viele Fans nicht zu den ganz Grossen seiner Zunft. Wir machen uns auf Spurensuche nach möglichen Ursachen.
Die «BBC» rief letzte Woche in einer Online-Umfrage ihre User dazu auf, den besten Ausländer in der Geschichte der Premier League zu wählen. Eine Viertelmillion Menschen folgten dem Aufruf und kürten Thierry Henry zum klaren Sieger.
Am Samstag erzielte Sergio Agüero beim Spiel Manchester City gegen Fulham den Treffer zum 2:0-Endstand. Damit baute der 1,73 Meter kleine Stürmer nicht nur seine Führung in der Torschützenliste aus (19), sondern schrieb einmal mehr Premier-League-Geschichte. So egalisierte der Ex-Schwiegersohn von Diego Maradona mit seinem Treffer die Rekordmarke von Thierry Henry, der für Arsenal 228 Mal (in 328 Spielen) einnetzen konnte. Agüero notabene brauchte dafür nur 280 Spiele, also 48 weniger als der Franzose. Dies obwohl der Argentinier in seinen acht Saions bei City summiert fast zwei davon aufgrund Verletzungen verpasste, was bei seinem Schnitt gegen 50 Tore ausmacht. Zwar attestiert man dem 30-Jährigen sicher das Attribut «Weltklasse», dennoch kriegt er nicht die Aufmerksamkeit, die man bei einem Spieler mit seiner Bilanz und Klasse erwarten würde. Wieso eigentlich?
Agüero machte überall seine Tore und Assists
Ein Blick in die Vergangenheit: Bereits mit 15 Jahren, 1 Monat und 3 Tagen feierte er sein Debüt für Independiente in der höchsten argentinischen Liga. In knapp drei Jahren schoss er für den Vorstadtklub aus Buenos Aires in 38 Spielen 18 Treffer. Danach wechselte der Teenager für kolportierte 23 Millionen Euro zu Atlético Madrid. In der spanischen Hauptstadt skorte «Kun», so sein von einer Comic-Figur inspirierter Rufname, munter weiter: In fünf Jahren gelingen ihm in 230 Spielen 100 Tore und 46 Assists. Als 23-Jähriger wechselt er 2011 für 40 Millionen auf die Insel. Und auch bei ManCity beweist er seither seinen Torinstinkt. Und wird es wohl noch mindestens bis 2021 tun. Solange läuft sein gut dotierter Vertrag (220'000 Pfund Wochenlohn) noch.
Der Mittelstürmer ist fast in allen Kategorien überdurchschnittlich, aber vielleicht nirgends der Beste. Er ist beidfüssig, schnell, dribbelstark und spielintelligent. Aufgrund seiner Körpergrösse lauert «Kun» nicht nur im Strafraum auf Bälle, sondern ist auf dem ganzen Feld zu finden. Bei City steht er dank seinem Torinstinkt meistens am Ende der Verwertungskette. Dennoch ist er kein egoistischer Spielertyp und legt auch viele Treffer auf. Seine Leistungen sind also durchwegs auf hohem Niveau. Die Konstanz hat aber auch seine Schattenseite: So skort er zwar regelmässig, aber es gelang ihm vielleicht nie die «Super-Saison» wie etwa letzte Saison Mo Salah.
Obwohl er inzwischen schon seit acht Jahren auf der Insel lebt, sucht er nicht das Rampenlicht und spricht erst in jüngerer Zeit fliessend Englisch. Für die nach News lechzenden einheimischen Medien nicht unbedingt ideal. So verbringt er lieber viel Zeit mit den spanischsprechenden Spielern oder zockt zuhause auf der Konsole FIFA.
Teilt das Schicksal
Wie Robert Lewandowski oder Luis Suarez hat Sergio Agüero das Pech, in der Ära mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo zu leben, die mit ihren Leistungen alle anderen in den Schatten stellen. Immerhin ist Landsmann Messi ein guter Freund von ihm. Die beiden sind im Nationalteam so etwas wie Schicksalgenossen. In 89 Länderspielen skorte «Kun» stolze 39 Mal, aber abgesehen vom Sieg bei den Olympischen Spielen 2008 musste er dort viel Enttäuschungen (mit-)erleben.
Auch deshalb ist seine Titelbilanz zwar ordentlich, aber eben nicht herausragend. Mit Atlético gewann er die Europa League (2010), mit City dreimal die Meisterschaft (2012/2014/2018) und viermal den Ligapokal (2014/2016/2018/2019). Mit den mit viel Geld alimentierten Citizens ist er auch bei einem Verein tätig, der mit seiner Strategie bei den meisten Fans nicht auf grosse Sympathie stösst. Ausserdem ist es bei einem solchen Top-Klub wie City einfacher, Tore zu erzielen als anderswo. Dies gilt aber auch für die anderen Top-Stars.
Kurzum: Es gibt viele mögliche Ursachen, wieso Sergio Agüero etwas unter dem Radar der Fussball-Euphorie läuft. Gründe dafür gibt es dafür eigentlich nicht. Der beinahe klinischen Effizienz des kompletten Stürmers sollte (viel) mehr Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt werden. Immerhin: Trainer-Guru Pep Guardiola weiss, was er an Agüero hat. Das ist wohl auch für Agüero selbst die Hauptsache.