Nach emotionaler Rede im Bundestag Hier kämpft Marcel Reif mit den Tränen

Von Michael Wegmann

9.2.2024

Marcel Reif: «Es war eine surreale Situation»

Marcel Reif: «Es war eine surreale Situation»

Mit seiner Rede rührte Marcel Reif den versammelten Bundestag zu Tränen. Bei Claudia Lässer hält er Rückschau auf den Moment – und die Reaktionen seiner Familie.

09.02.2024

Vor wenigen Tagen rührte er mit seiner Rede den Bundestag zu Tränen, jetzt verrät Marcel Reif im Talk bei Claudia Lässer, wie schwer es ihm fiel, diese Rede zu halten und was ihn emotional besonders berührte. 

Von Michael Wegmann

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Die emotionale Rede von Marcel Reif vor dem Bundestag ist noch immer in aller Munde. 
  • Bei «Lässer – die Talkshow» verrät der blue Sport-Experte nun, dass er diese erst gar nicht halten wollte und wie er von der Bundestagspräsidentin überzeugt wurde. 
  • Reif zum Gang zum Rednerpult: «Das war irre. Ich bin da vorgelaufen und als ich dann am Pult stand, war das eine surreale Situation.» 

Am 31. Januar rührt blue Sport -Experte Marcel Reif den deutschen Bundestag zu Tränen. Seine ergreifende Rede zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus geht tief unter die Haut. 

Tiefgründig, bewegend, am Ende stehen alle im Saal, Standing Ovation mit Tränen in den Augen. 

«Er sprach nicht und ich fragte nicht»

Reif hat die Geschichte seines Vaters Leon erzählt. Dieser hatte als polnischer Jude den Holocaust überlebt und sich entschieden, über seinen schrecklichen Erlebnisse, seinen Schmerz zu schweigen. Seinen Kindern zuliebe. Er wollte seinem Sohn und seiner Tochter eine unbeschwerte Kindheit in Deutschland, im Land der Täter, ermöglichen. «Er sprach nicht und ich fragte nicht», so Marcel Reif. 

Bei «Lässer – die Talkshow» verrät Reif nun, welche Überwindung ihn dieser Auftritt gekostet habe. Erst hat er der Bundestagspräsidentin sogar einen Korb gegeben. «Ich sagte ihr: 'Ich habe nichts zu sagen, ich bin nur der Sohn eines Holocaust-Überlebenden. Ich kann und will nicht für meinen Vater sprechen. Er hätte doch selbst gesprochen, wenn er hätte sprechen wollen.' Sie hat dann gemeint, ich solle doch als Sohn sprechen. Da wurde mir bewusst, dass ich es machen muss, dass ich diesen Stab weitergeben muss.»

Dieser Auftritt vor der ganzen Polit-Prominenz war auch für Reif, der in seinem Leben unzählige TV-Auftritte absolviert hat, etwas ganz Besonderes. «Das war irre. Ich bin da vorgelaufen und als ich dann am Pult stand, war das eine surreale Situation» (im Video am Anfang des Artikels).

Reif hat sie meisterlich gemeistert. Der berühmte Sportreporter bewegte mit seiner Rede «Sei ein Mensch» nicht nur die Menschen im Saal, sondern  in ganz Deutschland und dank Social Media auch weit über die Grenzen hinaus. 

«Dann ist in diesem Moment grosser Frieden»

Auch seine Kinder waren im Saal. Auch ihnen habe es die Sprache verschlagen, so Reif. «Danach wurde in der Familie nicht so viel geredet, sondern mehr geschwiegen. Sie sind sonst alle nicht auf den Mund gefallen, weder die Enkel noch die Söhne.»

Danach habe er gesehen, was sie auf Social Media gepostet haben, erzählt Reif und kämpft mit den Tränen.  «Wenn mein mittlerer Sohn, der sonst immer zurückhaltend ist, schreibt, dass er nach diesem Tag stolz auf mich sei und über seinen Grossvater: 'Ich bin stolz deinen Namen tragen zu dürfen', dann ist in diesem Moment grosser Frieden...»

Reif ringt mit den Worten. Dabei gilt er seit vielen Jahren rhetorisch als einer der besten Journalisten im deutschsprachigen Raum.

Vom Aussenseiter zum Sprachvirtuosen

Ein Naturtalent? Vielleicht. Aber sicher nicht nur. Seine Geschichte als Flüchtlingsbub hat dazu beigetragen. Als Junge kam er von Polen über Israel, wo er in einem belgischen Internat unterrichtet wurde, nach Deutschland. Er beherrschte keine einzige Sprache richtig, nicht polnisch, nicht deutsch. Deshalb musste er als Achtjähriger mit Sechsjährigen in die Schule. «Das war ein Trauma. Es war die Hölle. Deshalb habe ich sehr intensiv Deutsch gelernt. Ich glaube, meine Liebe zur Sprache hat sich damals entwickelt.»

Sein grosser Antrieb Fremdsprachen zu lernen, käme auch aus dieser frühen Kindheit, ist Reif überzeugt, «ich hatte Panik, ich könnte mich nicht verständlich machen ...»

Reif: «Ich hatte Panik, ich könnte mich nicht verständlich machen»

Reif: «Ich hatte Panik, ich könnte mich nicht verständlich machen»

Marcel Reif gilt als einer der rhetorisch versiertesten Sport-Kommentatoren der Geschichte. Gerade auch bei Fremdsprachen hatte er immer einen grossen Antrieb, diese zu lernen.

09.02.2024

Auf's Maul gefallen ist Reif definitiv nicht, weiss ganz Fussballdeutschland, weiss die ganze Fussballschweiz. Einmal hat es aber auch ihm die Sprache verschlagen. Als er Berthold Beitz getroffen. Jenen Mann, der seinen Vater vor dem sicheren Tod durch die Nationalsozialisten gerettet hatte, als er ihn aus dem Zug herausgeholt hatte, der ins KZ gefahren war. Reif erzählt: «Dann ging die Tür auf und Berthold Beitz kommt mit seiner Frau an der Hand auf mich zu. Er war zwei Meter gross, 97-jährig und hatte eine eindrückliche Statur. Er gab mir die Hand und ich brachte kein Wort heraus, stammelte nur. Da hat er mir die Hand auf die Schulter gelegt und meinte: 'Es ist gut'.»

Marcel Reif: «Da legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte: 'Es ist gut'»

Marcel Reif: «Da legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte: 'Es ist gut'»

Mit seiner Rede in Gedenken an die Opfer der NS-Zeit rührte er den Deutschen Bundestag kürzlich zu Tränen. Im Gespräch mit Claudia Lässer erzählt Marcel Reif weitere Erlebnisse, die ihn in diesem Zusammenhang berührten.

09.02.2024

Das alles sei viel zu gross gewesen, sagt Reif und verrät überglücklich: «Jetzt nach der Rede im Bundestag hat mir seine Tochter geschrieben. Das reicht für drei Leben ...»

Der ganze Talk mit Marcel Reif

LÄSSER – mit Marcel Reif

LÄSSER – mit Marcel Reif

Marcel Reif ist der profilierteste Fussballexperte im deutschsprachigen Raum. Er arbeitet für blue Sport, und ist seit 2013 Schweizer Bürger. Mit seiner Rede in Gedenken an die Opfer der NS-Zeit rührte er den Deutschen Bundestag kürzlich zu Tränen.

09.02.2024