Am 22. Juni 1986 schrieb Diego Maradona mit zwei Toren innerhalb von 240 Sekunden Fussball-Geschichte: das erste erzielte er mit der Hand, das zweite nach dem genialsten Sololauf der WM-Geschichte.
Die erste Halbzeit zwischen Argentinien und England im WM-Viertelfinal 1986 war zum Vergessen gewesen. Es gab kaum Spielfluss, praktisch jeder Angriff wurde durch ein Foul gestoppt. Die Kreativen auf beiden Seiten mühten sich in der Mittagshitze von Mexiko-Stadt erfolglos ab – bis Diego Maradona seine Show vor den 114'600 Zuschauern begann und alle überragte. Innerhalb kürzester Zeit schrieb Argentiniens Nummer 10 das wichtigste Kapitel seiner Karriere.
Noch heute dreht sich vieles um diesen einen Match, wenn Maradona befragt wird. Erst vor Kurzem blickte der heute 59-Jährige in einem Beitrag des argentinischen Fussball-Verbandes zurück auf das 1:0, das er in der 51. Minute mit der Hand erzielt hatte: «Als ich den Ball hoch, hoch, hoch gehen sah, sagte ich mir: 'Ich erreiche ihn nie, bitte komm runter!' Und dann kam mir eine Idee: 'Geh mit dem Kopf und der Hand auf den Ball.'»
Der Engländer Steve Hodge lieferte mit einem missglückten Befreiungsschlag unfreiwillig die Vorlage für Maradona, der zwischen der Abwehrreihe und Goalie Peter Shilton stand. Der Spielmacher sprang hoch und erreichte den Ball mit seiner linke Faust, ganz knapp bevor der 20 Zentimeter grössere Shilton mit seiner rechten die Situation klären konnte. «Es war ein bisschen Maradonas Kopf und ein bisschen die Hand Gottes», sagte Maradona nach dem Spiel und kreierte damit den berühmten Ausdruck.
Der tunesische Schiedsrichter Ali Bin Nasser gab den Treffer trotz der lauten Proteste einiger englischer Spieler, die danach behaupteten, das ganze Stadion habe gesehen, dass es ein Handspiel war. Ganz so eindeutig war die Aktion aber zunächst nicht. Der Kommentator des englischen Senders BBC etwa hatte das Handspiel nicht gesehen und wagte auch nach der zweiten Zeitlupe kein definitives Urteil. Bin Nasser schob später die Schuld am Fehlentscheid auf seinen bulgarischen Assistenten und umgekehrt.
«Ich werde ihm nie vergeben»
Maradona wurde nicht von Schuldgefühlen geplagt – ganz im Gegenteil: «Es war ein gutes Gefühl, wie eine Art Rache gegen England.» Vier Jahre nach dem Falklandkrieg, den Argentinien gegen England verloren hatte, waren diesmal die Südamerikaner die Sieger. So schwierig die Verbindung zwischen einem Krieg, der über 1000 Menschen das Leben gekostet hat, und einem WM-Viertelfinal scheint, Maradona stand mit seinem Vergleich nicht alleine. Auch in England war die Rede vom «Falklandkrieg II».
Die englischen Spieler tun sich zum Teil bis heute schwer mit Argentiniens Fussball-Idol. Der damalige Abwehrchef Terry Butcher meinte zum Thema Maradona: «Ich werde ihm nie vergeben.» Und auch Peter Shilton äusserte sich Anfang Jahr in einem Interview mit dem «Guardian» deutlich: «Er ist der grösste Spieler aller Zeiten, aber ich respektiere ihn nicht als Sportsmann und werde es nie tun.» Hätte es damals den Videoschiedsrichter gegeben, wäre das fantastisch gewesen, meinte der frühere Keeper. Dabei vergisst er, dass seine Mitspieler in jener Partie auch unzimperlich zu Werke gingen. Nach heutigem Massstab hätte es gleich mehrere Platzverweise gegeben. Die Argentinier wurden mit allen Mitteln gestoppt.
Umso eindrücklicher ist, was Maradona vier Minuten nach dem 1:0 schaffte. Er startete hinter der Mittellinie, umdribbelte auf dem Weg zum englischen Fünfmeterraum fünf Spieler und überwand auch Shilton. Das 2:0, von der FIFA 2002 als Tor des Jahrhunderts ausgezeichnet, war die Vorentscheidung. Erst in der Schlussphase gelang Gary Lineker noch der Anschlusstreffer. Argentinien marschierte daraufhin zum Titel. Maradona schoss in den letzten beiden Partien gegen Belgien und Deutschland noch zwei Tore und bereitete eines genial vor.