Frühreife Fussballer Diese neun Beispiele zeigen, wie unterschiedlich eine Karriere als Wunderkind ausgehen kann

Von Syl Battistuzzi

28.3.2022

Mike Wisdom – ein Name, der bei den Scouts momentan hoch gehandelt wird.
Mike Wisdom – ein Name, der bei den Scouts momentan hoch gehandelt wird.
Bild: Twitter/@Bayern-Portal

Der Schritt vom umjubelten Talent in den Erwachsenenfussball ist gross. Nur wenige schaffen es tatsächlich, die hohen Erwartungen danach auch zu erfüllen. Hier sind neun prominente Beispiele, wie unterschiedlich eine Karriere als Wunderkind verlaufen kann.

Von Syl Battistuzzi

Vor ein paar Tagen meldete «Bild»: Bayern will Megatalent von Bundesliga-Konkurrent. So will der deutsche Rekordmeister Stürmer Mike Wisdom von Borussia Mönchengladbach. Für den 13-Jährigen, an dem auch Dortmund und Leverkusen Interesse zeigen, soll gemäss «Sky» ein Angebot in Höhe von insgesamt 300'000 Euro abgegeben worden sein.

Wenn Wisdom beziehungsweise seine Eltern ein wenig Weisheit an den Tag legen, führen sie sich noch die Erfahrungen weiterer «Wunderkinder» zu Gemüte. 


Bojan Krkic

Der Sohn eines serbischen Vaters und einer spanischen Mutter tritt als Neunjähriger der Jugendakademie des FC Barcelona – der sagenumwobenen La Masia – bei. Dort bricht Krkic in seinen sechs Jahren zahlreiche Vereinsrekorde. Im Alter von 17 Jahren und 52 Tagen krönt er sich in der ersten Mannschaft dann zum jüngsten Torschützen der Klubgeschichte und knackt damit den Rekord eines gewissen Lionel Messi. 

Der steile Aufstieg flacht bald ab. Später gibt Krkic zu, schon früh unter Panikattacken zu leiden. «Ich fühlte mich andauernd träge und krank, den ganzen Tag lang. Ich verspürte einen Druck, der nie verschwand.»

So lässt Barça ihn nach vier Jahren im Fanionteam für zwölf Millionen Euro zur AS Roma ziehen. Danach heissen seine weiteren Stationen Milan, Ajax, Mainz, Stoke City, Alaves und Montreal. Seit 2021 spielt er bei Vissel Kobe. Für den japanischen Klub steht der inzwischen 31-Jährige dabei noch nie über 90 Minuten auf dem Platz. 

Doch der Spanier, der ein Länderspiel für La Furia Roja absolvierte, scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben, wie Krkic bereits vor ein paar Jahren dem «Guardian» erklärt: «Ich bin stolz auf meine Karriere, stolz darauf, was ich geschafft habe. Ich liebe den Fussball und werde ihn immer lieben.»

Bojan Krkic ist bei Vissel Kobe nur Teilzeitkraft.
Bojan Krkic ist bei Vissel Kobe nur Teilzeitkraft.
Bild: Getty 

Alen Halilovic

Der bei Dinamo Zagreb ausgebildete Wunderknabe debütiert schon als 16-Jähriger in der Champions League. Halilovic wird zudem jüngster Spieler und Torschütze der kroatischen Liga sowie jüngster Nationalspieler Kroatiens.

Seinen Feinschliff will er jedoch im Ausland holen und schliesst sich Barcelona an, wo er zunächst in der zweiten Mannschaft Spielpraxis holen soll und danach bei den Grossen durchstarten. Den Durchbruch schafft der Linksfüsser mit viel Ballgefühl in Katalonien aber nicht. Bei der ersten Leihstation Sporting Gijón steht er dann wieder öfters auf dem Platz, sodass der HSV fünf Millionen Euro für den «Mini-Messi» hinblättert.

In der Bundesliga findet er sich nicht zurecht. Mit dem nächsten Klub Las Palmas steigt Halilovic ab, bei Milan, Standard Lüttich, Heerenveen oder Birmingham City kann er den hohen Ansprüchen des Umfelds ebenfalls nie wirklich genügen. Der 25-Jährige steht heuer beim FC Reading (zweite englische Liga) unter Vertrag, wo er mehr oder weniger regelmässig zum Einsatz kommt.

Alen Halilovic im Trikot von Reading.
Alen Halilovic im Trikot von Reading.
Bild: Getty Images

Muhammed Demirci

Mit Zwölf kennt ihn schon die ganze Welt. Wie Slalomstangen lässt der Knirps seine Gegenspieler stehen, seine Technik und vor allem Spielübersicht sind bereits überraschend weit ausgereift. Sein stolzer Vater schnippelt ein Video zusammen und stellt es auf Youtube – der Hype um den Besiktas-Junior ist schnell riesig. 

Als dann «das grösste türkische Talent aller Zeiten» in einer TV-Sendung von Barcelona träumt, werden die Katalanen hellhörig. Doch Besiktas verlangt drei Millionen für ihr Juwel, der Transfer platzt. Als 16-Jähriger debütiert er bei Besiktas für die erste Mannschaft, erneut klopft Barça an. Nach dem Probetraining bekommt Demirci zwar ein Angebot, doch er will sich zuerst in der Heimat durchsetzen.

Das gelingt bei seinem Stammklub nicht, wo damals Stars wie Guti oder Quaresma kicken. Verletzungen, gepaart mit Disziplinlosigkeiten, sorgen für sein Aus in Istanbul. Ein Umweg über die zweite Liga fruchtet ebenfalls nicht, sodass er sein Glück beim belgischen Erstligisten Royal Mouscron versucht. Leider ist dort das Chaos gross, spätestens da wird klar – ein grosser Starspieler wird Demirci nicht mehr. Aktuell spielt der 27-Jährige bei Erzincanspor in der 3. Liga.


Hachim Mastour

Der Sohn marokkanischer Einwanderer wechselt 2012 für die Rekordablöse von 850'000 Euro in die Jugend von Milan. In den sozialen Medien beweist Mastour sein Können – ob im Spiel gezeigte Übersteiger oder irre Tricks. Der «marokkanische Messi» darf bereits als 15-Jähriger mit der ersten Mannschaft mittrainieren, für einen Einsatz reicht es aber nicht. 

Den nötigen Feinschliff soll sich Mastour in Leihklubs holen. Doch weder in Málaga noch in Zwolle funktioniert das Konzept mit Spielpraxis holen, sodass er 2018 vereinslos dasteht. Mit dem griechischen Erstligisten PAS Lami findet er zwar bald einen neuen Arbeitgeber, doch die Wege trennen sich bald, als er sich nach einer schweren Verletzung in Italien behandeln lässt. Auch bei Urbs Reggina und in Carpi klappt es nicht, seine Karriere zu lancieren.

Fast genau zehn Jahre nach seinem Transfer zu Milan befindet sich Mastour an einem Scheideweg. Er ist entschlossen, nicht aufzugeben, um seinen Traum weiterzuverfolgen: «Ich möchte einfach nur Fussball spielen und wie ein normaler 23-jähriger Junge behandelt werden, der Fehler macht und entschlossen ist, sich jeden Tag zu verbessern, um mit Aufopferung, Demut und Arbeit eine Karriere auf hohem Niveau zu machen», hält Mastour fest. Zumindest sein Instagram-Kanal deutet noch immer auf einen Vollprofi hin. 


Freddy Adu

Seine Mutter gewinnt in der Green Card Lottery und schlägt mit der Familie in den USA ein neues Kapitel auf. Der aus Ghana stammende Adu ist die Hoffnung für die US-Amerikaner auf einen Superstar im Fussball. Das Ausnahmetalent landet einen Millionendeal mit Nike und weckt schon früh Begehrlichkeiten – Manchester United oder Inter drängen auf einen Wechsel.

Sein Debüt gibt er aber in der Major League Soccer: 2004 absolviert er im Alter von 14 Jahren sein erstes Spiel für D.C. United und erzielt zwei Wochen später sein erstes Tor als Profi. Damit ist er bis heute der jüngste eingesetzte Spieler und Torschütze in der MLS-Geschichte.

Doch der «Heilsbringer des Soccers» wird zum Synonym für geplatzte Träume eines Supertalents. Nach Washington stehen Real Salt Lake, Benfica Lissabon, Monaco, Belenenses, Aris Thessaloniki, Çaykur Rizespor, Philadelphia Union, Bahia Jagodina, Kuopion, Kuopio Futis, Tampa Bay Rowdies und Las Vegas Lights in seiner Vita. Sein letzter Klub ist Österlen FF in der dritten schwedischen Liga. 2021 wird der Vertrag seitens des Vereins gekündigt, da Adu nach Auffassung der Verantwortlichen weder körperlich noch geistig in der Division 1 konkurrenzfähig ist.

Freddy Adu schloss einst mit der Major League Soccer einen Mehrjahresvertrag ab.
Freddy Adu schloss einst mit der Major League Soccer einen Mehrjahresvertrag ab.
Bild: Getty

Martin Ödegaard

2014 debütiert der Norweger mit 15 Jahren und 151 Tagen in der Tippeligaen und krönt sich wenig später auch zum jüngsten Torschützen in der Heimat. Sein Nati-Debüt gibt Ödegaard ebenfalls noch als 15-Jähriger. Kein Wunder, kann er nach Probetrainings bei Bayern, Manchester United und Real Madrid seinen nächsten Arbeitgeber auswählen. 

Als 16-Jähriger schliesst er sich 2015 Real an. Bei den Königlichen gilt er als Jahrhunderttalent. In der 1. Mannschaft von Real reicht es allerdings nur selten zu Einsätzen in Ernstkämpfen. Dabei lobt Cristiano Ronaldo: «Ein guter Spieler. Ich sehe viel Potenzial in ihm. Er hat einen guten linken Fuss.»

Bei den Leihstationen Heerenveen, Vitesse Arnhem und Real Sociedad bekommt der Mittelfeldspieler dann aber die gewünschte Spielpraxis, sodass Arsenal bei ihm anklopft. Auch dort überzeugt Ödegaard die Verantwortlichen, die ihn Real abkaufen. Der heute 23-Jährige hat sich bei den Gunners inzwischen einen Stammplatz erkämpft und begeistert mit seiner Spielübersicht die Fans. Darüber hinaus steht Ödegaard auch schon bei 38 Länderspielen. 

Martin Ödegaard spielt in London neben Granit Xhaka.
Martin Ödegaard spielt in London neben Granit Xhaka.
Bild: Getty 

Youssoufa Moukoko

2016 holt Borussia Dortmund den in Kamerun aufgewachsenen Stürmer zu sich. Kurz zuvor ist das Talent nach Deutschland emigriert, wo sein Vater lebt. Der frühreife Torjäger mit Nike-Vertrag schiesst in der Jugend alles kurz und klein und darf als 15-Jähriger mit Reus, Haaland, Sancho und Co. mittrainieren.

Seine Ambitionen sind vor dem Debüt im Fanionteam gross: «Wenn ich ehrlich bin, ist es mein Ziel, Profi in Dortmund zu werden, mit der Borussia die Champions League zu holen und den Ballon d’Or zu gewinnen.» Der frühere Weltklasse-Stürmer Samuel Eto’o sieht in Moukoko schon den neuen Messi und wünscht sich, dass sich der FC Barcelona das Supertalent angelt.

2020 wird Moukoko mit 16 Jahren und einem Tag der jüngste Bundesliga-Spieler, wenig später noch der jüngste Champions-League-Spieler (16 Jahre und 18 Tage) aller Zeiten. In den ersten 14 Ligapartien kann das Wunderkind sich dreimal in die Torschützenliste eintragen.

Die kometenhafte Karriere gerät aber seither ins Stocken. Immer wieder machen Moukoko dabei Verletzungen zu schaffen. In der laufenden Spielzeit kommt der 17-Jährige noch nie über 90 Minuten zum Einsatz. So soll sich sein Umfeld ernsthaft überlegen, den BVB im Sommer zu verlassen. Der Klub hingegen will ihn (noch) nicht ziehen lassen, weshalb ein Leihgeschäft als denkbare Option bleibt. 

Wohin führt der Weg von Youssoufa Moukoko?
Wohin führt der Weg von Youssoufa Moukoko?
Bild: Getty Images

Xavi Simons

Den Weg vom Knirps hin zum Profifussballer bestens mitverfolgen kann man bei Xavi Simons. Der Sohn des ehemaligen Profifussballers Regillio Simons bekommt schon mit dem Vornamen der Barça-Legende Xavi einen klaren Auftrag mit ins Leben. 

Als Siebenjähriger kommt er bei Barça unter. Dort fällt er in der Jugendmeisterschaft mit dem passenden Namen «LaLiga Promises» nicht nur durch seine Haarpracht auf, sondern auch durch seine exquisite Ballbehandlung. Der frühreife Simons zeigt seine Künste auch in den sozialen Medien und hat ein eigenes Logo und professionelle Fotografen, die ihn begleiten. Kein Wunder, knackt der Mittelfeldspieler schon vor seinem ersten Profispiel locker die Millionengrenze. Einen Sponsorenvertrag mit Nike unterschreibt der frühreife Niederländer bereits mit 13 Jahren. 

Als 16-Jähriger kann er – oder sein berühmt-berüchtigter Berater Mino Raiola – sich nicht mit Barcelona auf eine Vertragsverlängerung einigen. Seine Popularität soll ihm etwas zu Kopf gestiegen sein, meint ein Juniorentrainer hinter vorgehaltener Hand. PSG ist hingegen bereit, seine Forderungen (eine Million Jahresgehalt) zu erfüllen. Inzwischen steht der 18-Jährige auch schon für das erste Team im Einsatz. Doch Simons muss auch schon die Schattenseiten seines Berufes kennenlernen. Im Pokal-Achtelfinal gegen Nizza scheitert Simons mit seinem Versuch am Nizza-Torhüter, die Überraschung ist perfekt.

Paris statt Barcelona: Xavi Simons.
Paris statt Barcelona: Xavi Simons.
Bild: Getty

Christian «Cricri» Madeo

Doch nicht nur im Ausland, auch in der Schweiz gab es schon Ausnahmetalente, bei denen die Topklubs Schlange standen. Der berühmteste Vertreter der Zunft ist «das Goldfüsschen aus Bümpliz» – Christian «Cricri» Madeo. Mit acht Jahren wechselt er zu YB und absolviert ein Probetraining bei Inter – den Vorvertrag hat «il Svizzero» danach in der Tasche. 1997 geht der 14-Jährige zu Inter. In der Schweiz schiesst er in acht Jahren 440 Tore. 

Die kleingewachsene Nummer 10 – die mit Puma bereits einen langjährigen Ausrüstervertrag besitzt – ist in Mailand aber bald nicht mehr «der Auserwählte», sondern einer unter vielen. «Schon mit 16 merkte ich, dass es mit der ganz grossen Karriere nichts werden wird», resümiert Madeo. Als er sich in der Serie C mit 21 Jahren das Kreuzband reisst, zieht er einen Schlussstrich unter die kurze Fussballerlaufbahn. 

Christian Madeo schoss in der Schweiz in acht Jahren 440 Tore.
Christian Madeo schoss in der Schweiz in acht Jahren 440 Tore.
Bidl: SRF