Die Schweizer Nationalmannschaft verlor am Donnerstag gegen Spanien auch ihr drittes Spiel in der Nations League. Für einmal sorgte eine Niederlage aber für mehr positive als negative Gefühle.
Als die Schweizer Ersatzspieler am Freitagmittag im Stade des Arbères in Meyrin ihr öffentliches Training absolvierten, schien das 0:1 vom Vorabend gegen Spanien bereits wieder vergessen zu sein. Das Wetter war ebenso gut wie die Stimmung in der Mannschaft. Und die vielen Kinder, aber auch Erwachsene, freuten sich, als die Spieler nach dem Ende ihre Autogramm- und Selfie-Wünsche erfüllten. Der Rahmen schien zu passen, von einer sportlichen Krise keine Spur.
Fakt ist aber, dass die Schweiz nach der Hälfte des Pensums in der Nations League noch ohne Punkt dasteht. Der Abstieg aus der höchsten Liga droht. Bei einer weiteren Niederlage am Sonntag zuhause gegen Portugal ist sie in den verbleibenden zwei Runden im September auf die Schützenhilfe anderer angewiesen, will sie auch in der vierten Austragung des 2018 neu lancierten Wettbewerbs im Kreis der 16 Top-Nationen antreten.
In diesem Jahr ist die SFV-Auswahl noch immer ohne Sieg, in fünf Spielen erzielte sie gerade einmal drei Tore und kassierte deren zehn. Die Resultate entsprechen nicht dem Selbstverständnis, das sich die Schweizer Fussballer in den letzten Jahren angeeignet haben. Immer wieder betonten sie, dass sie sich auf Augenhöhe mit den Weltbesten bewegen. Den grossen Worten liessen sie je länger je mehr auch Taten folgen. Zwar waren Siege gegen grosse Nationen noch immer selten, viele dieser Duelle verlor die Schweiz aber eben auch nicht. In den neun Wettbewerbsspielen 2020 und 2021 gegen Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien resultieren aus dem Spiel heraus nur zwei Niederlagen.
Schweizer Frühlingserwachen
Von diesem Selbstverständnis war in diesem Frühjahr mit Ausnahme der ersten Halbzeit gegen England (1:2) allerdings nichts zu spüren, der Auftritt gegen Spanien liefert aber zumindest Grund für verhaltenen Optimismus. Die defensive Organisation stimmte wieder. Zwar hatte Spanien vor der Pause fast immer den Ball, gefährlich wurde es vor dem Schweizer Tor aber selten. Die Rückkehr von Manuel Akanji verlieh der Verteidigung Stabilität und Sicherheit. Auch die Stürmer und Mittelfeldspieler nahmen ihre Aufgaben in der Rückwärtsbewegung wahr. Und vom frühen Gegentreffer liessen sich die Schweizer diesmal nicht aus dem Konzept bringen.
Als sie nach dem Seitenwechsel das System etwas anpassten, mutiger auftraten und ein Pressing aufzogen, waren sie sogar die bessere Mannschaft. «Da haben wir das gezeigt, was uns in der Vergangenheit stark gemacht hat», sagte Yann Sommer. «Wir waren immer dann stark, wenn wir auf dem Platz als Team aufgetreten sind und zusammengehalten haben.» Das Schweizer Frühlingserwachen goutierten auch die Genfer Zuschauer, die im Stade de Genève einmal mehr für eine ausgezeichnete Stimmung an einem Länderspiel sorgten.
Fehlende Effizienz
Dass die Fans am Ende nichts zu jubeln hatten und das Team mit leeren Händen dastand, hatte verschiedene Ursachen: fehlendes Spielglück, einen (Video-)Schiedsrichter, der einen schwachen Tag einzog sowie – und vor allem – mangelnde Durchschlagskraft und eigenes Unvermögen im Abschluss. So sehr die Defensive in den letzten Tagen in der Kritik gestanden hat, auch der Angriff präsentiert sich derzeit nicht in Bestform. Breel Embolo, Haris Seferovic, Noah Okafor, Xherdan Shaqiri oder Renato Steffen haben alle schon bessere Länderspiele gezeigt. Ein Tor in 270 Minuten ist zu wenig.
Den Schweizern bleibt am Sonntag im Rückspiel gegen Portugal eine letzte Chance, den zwiespältigen Eindruck der letzten Tage mit einer weiteren guten Leistung und vor allem mit einem positiven Resultat zu korrigieren. Noch einmal sind die Spieler und Nationaltrainer Yakin gefordert, den nicht ganz einfachen Umständen zu trotzen – auch, um mit einem positiven Gefühl in den Herbst zu gehen. «Wir sind die Schweiz, wir haben Qualität», sagte Yann Sommer. «Aber es braucht eine Top-Leistung von uns allen, um gegen Mannschaften wie Portugal oder Spanien zu bestehen.» Es ist, gerade im Hinblick auf die WM in Katar, die wohl wichtigste Erkenntnis dieser Tage.