Der FC Bayern München erledigt die Pflicht im Champions-League Halbfinal gegen Olympique Lyon, darf sich aber jetzt nichts vormachen. Cheftrainer Hansi Flick bleibt bis Sonntag Zeit die sich wiederholenden Fehler in der Defensive abzuschalten. Das wird eng – ein Kommentar aus Lissabon.
Der FC Bayern startet die Partie im Estádio José Alvalade genau so wie es die Fussballwelt erwartet. Nicht einmal fünf Sekunden dauert es, bis acht der elf Feldspieler des deutschen Meisters in der gegnerischen Hälfte stehen und Lyon mit dem von Hansi Flick implementieren hohen Pressing in den Würgegriff nehmen. Wer so spielt, gewinnt – lautet die moderne Fussballregel. Hoher Druck ist das derzeitige Wundermittel bei gegnerischem Ballbesitz. Jürgen Klopps Liverpool spielt so, Pep Guardiolas Manchester City spielt so, und seit Hansi Flick da ist, spielt auch der FC Bayern München so.
Das Problem dabei: Es braucht eine unglaublich gut organisierte und gleichzeitig sehr schnelle Defensive. Zu einfach ist das hoch stehende Mittelfeld mit ein oder zwei Pässen überspielt. Das weiss vor der Partie am Mittwochabend natürlich auch Rudi Garcia, Trainer bei Olympique Lyon, und trichtert seiner Mannschaft ein, den Erfolg im blitzartigen Umschaltspiel zu suchen. Etwas, das übrigens auch der FC Barcelona versuchte, aber dazu später mehr.
Ein langer Ball reicht
Die erste Möglichkeit bietet sich OL in der vierten Spielminute. Mit einem einzigen Pass hebelt Maxence Caqueret die komplette Bayern-Defensive aus und schickt Memphis Depay auf Entdeckungstour. Der blitzschnelle Holländer lässt Boateng und Alaba im Laufduell wie Schulbuben aussehen, scheitert aber letztlich an seiner eigenen Schusstechnik. Kylian Mbappé läuft beim Anblick solcher Szenen das Wasser im Mund zusammen.
Und auch Lyon wittert die Chance. Nach zwei weiteren Möglichkeiten von Depay ist es in der 17. Minute Ekambi, der den Ball aus kürzester Distanz an den Pfosten nagelt. Das Angriffsschema der Franzosen ist jedes Mal haargenau dasselbe: Ein langer Ball – und ab die Post. Die Bayern fallen wieder und wieder darauf rein.
Selbst wenn die Münchner kurz darauf durch Serge Gnabry in Führung gehen und das Spiel ab dem Zeitpunkt über grosse Strecken kontrollieren – ihre Schwachstelle im defensiven Umschaltspiel ist eklatant. Bereits im Spiel gegen Barcelona fielen beide Gegentreffer nach langen Bällen in die Spitze.
Die Uhr tickt
Die Bayern sind sich ihren Fehlern bewusst. «Wir hatten Glück», gestehen mit Manuel Neuer, Serge Gnabry und Hansi Flick gleich drei der Sieger während der Platzinterviews. Ob sie das im Finalspiel auch haben werden? «Wir schauen, dass wir die Defensive gegen PSG noch ein bisschen umstellen», erläutert Flick, dem allerdings nicht viele Möglichkeiten bleiben. Jérôme Boateng muss das Spiel gegen Lyon nach 45 Minuten aufgrund «muskulärer Probleme» beenden. Ob der 31-Jährige am Sonntag einsatzbereit ist, bleibt vorerst ungewiss. Auch ein Startelf-Einsatz von Benjamin Pavard ist weiterhin fraglich – im Halbfinal kommt der zuletzt verletzte Rechtsverteidiger aber zumindest für die letzten zehn Minuten ins Spiel.
Aber wer auch immer im Final die Abwehrkette hütet – Patzer im Umschaltspiel wie gegen Lyon sind für die Bayern strengstens verboten. Zu hoch ist die individuelle Klasse bei PSG. Inwiefern das mit dem von Flick gewünschten hohen Pressing überhaupt möglich ist, bleibt abzuwarten. Aber eines ist klar: Schalten die Bayern ihre sich wiederholenden Fehler in der Defensive nicht ab, wird sie das gegen die umschaltstarken Pariser teuer zu stehen kommen. Die Uhr tickt.