Eintracht Frankfurt gelingt in Marseille ein historischer Erfolg. Doch der Jubel darüber fällt angesichts einer hasserfüllten Stimmung auf den Rängen verhalten aus. Die Vorkommnisse sollen nun aufgearbeitet werden.
So richtig freuen konnten sich die Spieler und Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt über den ersten Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte nicht. Das 1:0 des hessischen Bundesligisten bei Olympique Marseille rückte angesichts der bedrückenden Begleitumstände auf den Tribünen des Stade Velodrome in den Hintergrund.
Bereits ausserhalb des Stadions stiessen die Anhänger von Olympique Marseille und Eintracht Frankfurt aufeinander. Im Stadion eskalierte die Situation dann noch vor Spielbeginn – Chaoten beider Verein schossen Pyrotechnik in die jeweils anderen, zu nahe nebeneinander platzierten, Fanblöcke. Wie verschiedene deutsche Medien schreiben, wurde ein Frankfurter Fan dabei schwer verletzt und in ein Krankenhaus eingeliefert. Es sei jedoch ausser Lebensgefahr.
Für Wirbel sorgten zudem Bilder im Internet, die einen Eintracht-Fan beim Hitlergruss zeigen sollen. Ein Sprecher der zuständigen Präfektur sagte, man habe die Bilder gesehen und sei dabei, sie zu überprüfen. Der europäische Dachverband UEFA sei bereits informiert worden. Am späten Dienstagabend veröffentlichte die Eintracht eine Stellungnahme: «Die Person hat sich eigenständig bei den Fanbeauftragten von Eintracht Frankfurt gemeldet und weist den Vorwurf einer antisemitischen Intention nachdrücklich zurück», heisst es.
«Freude mag nicht aufkommen»
«Wir haben solch einen Tag in dieser Form noch nicht erlebt und in dieser Weise auch nicht für möglich gehalten. So richtige Freude mag nicht aufkommen, weil es schon sehr befremdlich ist, welches Ausmass an Aggressivität und Hass uns da entgegenschlug und natürlich auch auf Reaktionen traf», sagte Vorstandsmitglied Philipp Reschke über die Vorfälle, bei denen am Dienstagabend ein Eintracht-Fan schwer verletzt wurde. Reschke kündigte an: «Wir müssen das Stück für Stück sauber aufarbeiten.»
Trainer Oliver Glasner verurteilte die Vorkommnisse auf das Schärfste. «Das geht einfach nicht. Da missbrauchen ein paar Chaoten die Fussballbühne, um Gewalt und Aggressionen auszuleben. Dafür haben wir alle null Verständnis», sagte der 48 Jahre alte Österreicher. «Wenn du beginnst, mit deinem Nachbarn Böller hin und her zu schiessen, dann landest du vielleicht irgendwann im Gefängnis. Von daher hat das hier nichts verloren. Da gibt es keine zwei Meinungen.»
Auch die Eintracht-Profis waren nach ihrem sportlichen Befreiungsschlag entsetzt. «Solche Szenen haben mit einem Champions-League-Spiel nichts zu tun», kritisierte Kapitän Sebastian Rode. Und Nationaltorwart Kevin Trapp stellte fest: «Es ist unheimlich schade, dass es so ausgeartet ist.»
Frankfurt bereits unter Bewährung
Welche Konsequenzen die Pyro-Schlacht beider Fanlager für die auf Bewährung spielende Eintracht haben wird, vermochte Reschke noch nicht abzuschätzen. Nachdem die UEFA den wegen des Platzsturms beim Europa-League-Halbfinale gegen West Ham United verhängten Zuschauerausschluss für ein Spiel in einem internationalen Clubwettbewerb zur Bewährung ausgesetzt hatte, dürfen die Frankfurter angesichts des Ausmasses der Ausschreitungen in Marseille wohl kaum auf Milde der UEFA hoffen.
Offen scheint lediglich, ob die Eintracht mit einem Geisterspiel bei der nächsten Heimpartie gegen Tottenham Hotspur am 4. Oktober bestraft wird oder in der Fremde auf die Unterstützung ihrer Anhänger verzichten muss. «Wenn ich eine Bestrafung fürchte, dann eher für ein Auswärtsspiel. Ich kann aber auch nicht ausschliessen, dass die Bewährung für das Heimspiel durch die Geschichte betroffen ist», sagte Reschke.
dpa