Lucien Favre war bei Borussia Mönchengladbach der Wunschkandidat. Mit dem Romand war schon alles aufgegleist, als Favre nochmals überraschend Skepsis zeigte.
Eigentlich sollte Favre nach seiner Amtszeit zwischen 2011 und 2015 am Niederrhein zu Borussia zurückkehren. Mit dem Schweizer wähnten sich die Gladbacher schon kurz vor dem Vertragsabschluss, ehe Sportdirektor Roland Virkus den enttäuschten Mitgliedern bei der Hauptversammlung des Klubs am 30. Mai von dessen Absage berichtete. «Wir haben wirklich alles versucht», meinte Virkus.
Doch warum scheiterten die Gespräche mit dem 64-jährigen Schweizer? Zwei Wochen sollen die Borussia-Bosse mit Favre verhandelt haben – und dann endlich eine Einigung erzielt haben. Dabei wurden ihm nicht nur seine Forderungen für seine beiden Co-Trainer erfüllt, man ging bereits die einzelnen Spielerpersonalien durch – Favre konnte dabei jeweils auch seine Wunschkandidaten anbringen.
Die Kehrtwende fand laut «Sport Bild» dann ausgerechnet am Tag der Mitgliederversammlung statt, als die Klub-Verantwortlichen nochmals mit Favre telefonierten. Einerseits nannte Favre offenbar die deutschen Medien, welche Stimmung gegen ihn machen würden, weshalb der Druck zu gross sei. Virkus & Co. waren völlig vor den Kopf gestossen, schliesslich herrschte ganz im Gegenteil vielmehr Euphorie. Der Vorwurf schien also mehr oder weniger aus der Luft gegriffen.
Einstiger Chef als Drahtzieher hinter den Kulissen?
Andererseits passte gemäss Bericht Favre nicht, dass Max Eberl im Hintergrund Stimmung gegen ihn mache. Der langjährige starke Mann bei Borussia holte Favre 2011 in einer schwierigen Phase an Bord. Zunächst rettete Favre Borussia vor dem Abstieg und führte den Traditionsverein bis in die Champions League. 2015 verliess er den Klub aus eigenen Stücken, zuletzt arbeitete der Waadtländer bei Borussia Dortmund, wo er 2020 nach einer 1:5-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt entlassen wurde.
Im vergangenen Januar schied Eberl aus dem Klub aus, weil der 48-Jährige keine Kraft mehr für das Amt des Sportchefs hatte und eine Auszeit bei den Fohlen brauchte. Sein Kontakt zum Klub beschränkt sich seither auf ein Minimum. Dass ausgerechnet er sich gegen seinen früheren Schützling vehement wehren soll, sorgte bei den Borussia-Bossen für grosse Fragezeichen. Zumal Eberl immer als grosser Befürworter Favres galt.
Favre kehrt Deutschland den Rücken
Mit Favres vorgeschobenen Argumenten sah die Klub-Führung keine Basis mehr, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihm haben zu können. Stattdessen fiel dann die Wahl auf Daniel Farke. Der Nachfolger von Adi Hütter muss nun mit dem Makel leben, nur die Alternativlösung des fünfmaligen deutschen Meisters gewesen zu sein.
Und Favre festigte mit seiner späten Absage das Bild des eigenwilligen und kauzigen Fussball-Professors, der für jeden Vorgesetzten eine grosse Herausforderung ist. Eine Zukunft in der Bundesliga scheint so ausgeschlossen. Immerhin deckt sich das auch mit Favres Vision. So erläuterte Virkus an der Mitgliederversammlung, warum Favre dem Klub absagte, folgendermassen: «Er hat uns aber gesagt, dass er die Raute im Herzen trägt, aber nicht wieder in Deutschland arbeiten will.»