Gefährliche Blutsauger Mehr Zeckenstiche, aber weniger Infektionen gemeldet

tsha

25.5.2020

Unangenehme Zeitgenossen: Zecken sind derzeit vermehrt aktiv.
Unangenehme Zeitgenossen: Zecken sind derzeit vermehrt aktiv.
Bild: Keystone

In den vergangenen Wochen wurden auffallend viele Zeckenstiche gemeldet, aber nicht mehr Fälle von Borreliose. Eine Erklärung dafür könnte die Corona-Pandemie liefern.

Das Frühjahr ist Hochsaison für Zecken – zum Leidwesen von Wanderern und anderen Naturfreunden. In diesem Jahr aber scheinen die kleinen Blutsauger noch hungriger zu sein als sonst. Oder sind doch andere Faktoren dafür verantwortlich, dass in den letzten Wochen so viele Stiche wie nie gemeldet wurden?

Klar ist auf jeden Fall: In den ersten vier Monaten des Jahres suchten die Schweizer zweieinhalbmal so oft wie sonst einen Arzt oder eine Ärztin wegen eines Zeckenstiches auf. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hervor, über die der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Die Zahl der Borreliose-Fälle hingegen ist offenbar nicht gestiegen. Auch die gemeldeten Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Hasenpest (Tularämie), die ebenfalls durch Zecken übertragen werden, waren nicht erhöht.

Ein Paradox, für das es mehrere mögliche Erklärungen gibt. Eine entscheidende Rolle dabei könnte die Corona-Pandemie spielen.

Verzerrte Statistik?

Die Tatsache, dass die Zahl der Stiche gestiegen ist, könnte laut «Tages-Anzeiger» darauf zurückgeführt werden, dass die Menschen zuletzt häufiger im Freien unterwegs gewesen seien. Schliesslich waren aufgrund der Corona-Massnahmen Fitnesscenter, Restaurants und andere Einrichtungen geschlossen. Ein warmer April könnte das veränderte Freizeitverhalten noch unterstützt haben; ausserdem könnte das trockene Wetter die Zecken aktiver gemacht haben.

Dass die Zahl der gemeldeten Erkrankungen gestiegen ist, könnte ebenfalls ein Nebeneffekt der Pandemie sein. So vermutet der «Tages-Anzeiger», dass von Zecken gebissene Patienten häufiger einen Arzt konsultiert haben könnten, weil in der Pandemie auch Menschen in der Natur unterwegs waren, die sonst eher zu Hause bleiben und nun ängstlicher auf Bisse reagierten.

Auch Präventionskampagnen könnten einen Einfluss gehabt haben, vermutet Werner Tischhauser, Zeckenexperte der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.



Eine weitere Erklärung: Aufgrund der Pandemie waren zuletzt viele Praxen oftmals leer, da sich Patienten nicht zum Arzt getraut haben. Deshalb sei es möglich, dass Ärzte Menschen mit Zeckenbiss eher einbestellt hätten, um freie Kapazitäten auszugleichen. Einen Beleg gebe es für diese These aber nicht. Zuletzt vermutet die Zeitung, dass manch Zeckenopfer die Symptome einer FSME-Infektion mit Covid-19 verwechselt haben könnte und deswegen zum Arzt gegangen sei.

Für das BAG ist all das allerdings reine Spekulation. Mediensprecher Daniel Dauwalder hält es für wahrscheinlich, dass die Zeckenstatistik verzerrt sei. Das Sentinella-Messsystem, bei dem schweizweit rund 180 Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte mitmachten, sei während der Krise beeinträchtigt gewesen.

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