Vor 30 Jahren Der Tag, als die Berliner Mauer ins Wanken geriet

tsha

3.11.2019

In den Tagen nach dem Mauerfall entlud sich der Zorn der DDR-Bürger.
In den Tagen nach dem Mauerfall entlud sich der Zorn der DDR-Bürger.
Bild: Keystone

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Aber schon einige Tage zuvor zeigten sich erste Risse, die nicht mehr zu flicken waren.

Es sind vor allem zwei Ereignisse, die man heute mit dem Herbst 1989 verbindet. Am 30. September verkündete der damalige deutsche Aussenminister Hans-Friedrich Genscher Hunderten DDR-Bürgern, die in die westdeutsche Botschaft geflohen waren, dass sie in die BRD ausreisen können. Und am 9. November fiel schliesslich die Berliner Mauer.

Dazwischen lag der 3. November: Jener Tag vor 30 Jahren sei «der tatsächliche, der schlechthin entscheidende Tag, an dem der Eiserne Vorhang für die DDR-Bürger» fiel, so der Politologe Karel Vodička vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden.

Rückblick: Am 4. September 1989 kam es in Leipzig zu den ersten Montagsdemonstrationen. Tausende DDR-Bürger forderten Reisefreiheit und eine Demokratisierung ihres Landes. Die Lage war angespannt: Schon den ganzen Sommer über hatten sich DDR-Bürger in die westdeutsche Botschaft in Prag geflüchtet.

Bis Ende September spitzte sich die Lage weiter zu. Bis zu 4'000 Menschen hielten sich auf dem Botschaftsgelände auf – unter miserablen hygienischen Bedingungen. Am Abend des 30. September traf schliesslich der damalige Bundesaussenminister Hans-Dietrich Genscher in Prag ein. Unter dem Jubel Tausender verkündete er vom Balkon der Botschaft, dass die Menschen, die sich auf dem Gelände aufhielten, in den Westen ausreisen durften. Wenig später verliessen die ersten Züge mit DDR-Flüchtlingen Prag in Richtung Westdeutschland.

Flucht aus Prag

Als in den folgenden Tagen erneut Tausende DDR-Bürger in der Botschaft eintrafen und in den Westen ausreisen konnte, reagierte die Führung in Ost-Berlin und führte eine Visumspflicht für die Tschechoslowakei (ČSSR) ein. Bis dahin konnten DDR-Bürger ohne Visum in das Bruderland der DDR reisen.

Doch die Visumspflicht war nur von kurzer Dauer. Schon ab dem 1. November reichte wieder ein Personalausweis, um von der DDR in die ČSSR zu gelangen. Die Nachricht verbreitete sich schnell in der DDR und führte zu einer erneuten Ausreisewelle. Schon drei Tage später, am 3. November 1989, fanden sich 5'000 Menschen auf dem Gelände der BRD-Botschaft in Prag ein. Rund 8'000 weitere DDR-Bürger waren auf dem Weg dorthin.

Was nun geschah, schien bis dahin noch unmöglich. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Miloš Jakeš, machte den Vorschlag, DDR-Bürgern generell die Ausreise aus der ČSSR in ein Drittland ihrer Wahl er ermöglichen. Nachdem auch DDR-Aussenminister Oskar Fischer den Vorschlag für sinnvoll erachtete, war es an SED-Chef Georg Krenz, eine Entscheidung zu treffen. Und tatsächlich: Am Abend des 3. November 1989 stimmte Krenz dem Plan seines tschechoslowakischen Kollegen zu. Erstmals gab es für DDR-Bürger einen offiziellen Weg, in den Westen auszureisen. Nötig war dafür nur ein Zwischenstopp in Prag.

«Wie geht‘s? – Über Prag!»

«Mit dieser folgenschweren SED-Politbüroentscheidung gibt es für die DDR-Bürger fortan keinen Eisernen Vorhang und keine Mauer mehr», so Politikwissenschaftler Vodička. Die Berliner Mauer war gefallen – zumindest ein Stück weit.

In den Tagen nach jenem 3. November verliessen Tausende DDR-Bürger ihr Land. «Wie geht‘s? – Über Prag!» wurde in jenen Tagen zum geflügelten Wort. In Prag reagierte man schnell auf die Flüchtlinge. Ein Umweg über die westdeutsche Botschaft war nun nicht mehr nötig.

Stattdessen warteten Botschaftsmitarbeiter und Helfer des Deutschen und des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes am Prager Hauptbahnhof auf die ankommenden DDR-Bürger, die nach ihrer Ankunft direkt in Züge nach Westdeutschland umsteigen konnten. Binnen fünf Tagen verliessen so 62'500 Menschen die DDR, um in den Westen überzusiedeln.

Historische Worte

Am 9. November entschied die DDR-Führung dann, die Ausreise in den Westen auch ohne den Umweg über die ČSSR zu ermöglichen. Als Grund wurden explizit die Zustände in der Tschechoslowakei genannt.

«Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen», erklärte SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski an jenem Abend in einer legendären Pressekonferenz.

Nach Rückfrage eines Journalisten folgte einer der wohl legendärsten Sätze der deutschen Geschichte: «Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das sofort, unverzüglich.» Nur Stunden später war die Berliner Mauer Geschichte.

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