Interview Süsses Blut, Licht, Alkohol – Mythen über Mücken im Check

Von Gil Bieler

9.8.2020

Wohl bekomm's: Eine Mücke tut sich an einem Menschen gütlich.
Wohl bekomm's: Eine Mücke tut sich an einem Menschen gütlich.
Bild: Keystone

Zum Thema Mücken schwirren fast so viele Theorien wie Tiere herum: Werden die Plagegeister von Alkohol oder Licht angezogen? Fliegen sie auf bestimmte Blutgruppen? Insektenforscher Pie Müller klärt auf.

Herr Müller, werden Mücken vom Licht angezogen?

Die Mücke findet ihre Opfer primär über das CO₂, das ausgeatmet wird – sie können dieses über grössere Distanzen wahrnehmen. Verschiedene Reize wie Körperduft und -temperatur weisen ihr dann den Weg. Einige wenige Mückenarten werden zwar tatsächlich vom Licht angezogen, aber es sind nicht die, die wir in der Schweiz kennen. Darum können wir uns nicht schützen, indem wir einfach das Licht ausmachen. 

Werden Menschen mit gewissen Blutgruppen häufiger gestochen als andere?

Da sind die Forschungsergebnisse nicht eindeutig. Gewisse Studien weisen einen solchen Zusammenhang aus, andere keinen.

Zur Person

Pie Müller ist Entomologe (Insektenforscher) am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) in Basel.

Bevorzugen Mücken Menschen mit ‹süssem Blut›?

Im übertragenen Sinn ist da was dran. Menschen sind für Stechmücken unterschiedlich attraktiv. Das hat vor allem mit dem Körperduft zu tun, aber auch gewisse Krankheiten können einen Einfluss haben. Zum Beispiel gibt es spannende Studien, wonach Malariainfizierte attraktiver sind für Stechmücken.

Und gilt das auch für Krankheiten, die in der Schweiz verbreitet sind?

Darüber gibt es meines Wissens keine Studien.

Zieht dunkle Kleidung Mücken an?

Es gibt eine Tendenz, dass Mücken – oder generell Insekten, die stechen – tatsächlich auf dunkle Kleidung ansprechen. Das liegt daran, dass dunkle Kleider einen Kontrast zum Himmel bilden. Deshalb empfehlen wir zum Schutz, dass man nicht nur lange, sondern auch helle Kleidung trägt, um sich vor den Plagegeistern zu schützen.

Und zieht Alkohol Mücken an?

Es ist so, dass man durch den Konsum von Alkohol attraktiver für Mücken wird – es wird vermutet, dass sich beim Konsum von Alkohol der Körpergeruch ändert.

Gibt es auch gewisse Nahrungsmittel, auf die Mücken fliegen?

Dazu ist mir nichts bekannt. Es gab Versuche, ob die Einnahme von Vitamin-B-Tabletten vor Mückenstichen schützt. Das funktioniert aber leider nicht.

«Es ist so, dass man durch den Konsum von Alkohol attraktiver für Mücken wird.»

Sind Mücken nur in der Dämmerung unterwegs?

Das ist abhängig von der Art der Mücke. Es gibt solche, die nur nachts und bei Dämmerung stechen. Dazu zählen auch die bekannten Hausmücken, wie wir sie in der Schweiz kennen. Andere Arten, wie die Asiatische Tigermücke, sind dagegen tagaktiv.

Wie viele Mückenarten gibt es überhaupt in der Schweiz?

Zirka vierzig.

Und wie viele stechen davon?

Alle! Aber manche haben sich auf Tiere spezialisiert, andere auf Menschen, manche stechen sowohl als auch.

Mücken fliegen nicht bei Regen: Wahr oder Mythos?

Mücken können auch bei Regen fliegen, da sie durch ihre kleine Masse bei einer Kollision mit einem Regentropfen keinen Schaden nehmen.

Und wie sieht es bei Wind aus?

Wenn der Wind zu stark ist, dann verunmöglicht es den Mücken, den Flug zu kontrollieren. 

Tigermücken haben Sie bereits angesprochen: Geht von diesen eine erhöhte Gefahr aus?

Die Asiatische Tigermücke kann nachweislich Krankheiten übertragen, insbesondere Dengue- und Chikungunya-Fieber sowie Zika-Virus-Erkrankungen. Solche lokalen Übertragungen wurden auch in Europa beobachtet, wo sich die Tigermücke verbreitet hat.

Auch in der Schweiz?

In der Schweiz gibt es bisher keinen nachgewiesenen Fall, theoretisch wäre das aber auch hier möglich. Das Risiko hierfür hängt von der Grösse der Mückenpopulation ab und davon, ob Menschen von einer Reise zurückkehren und genügend Viren im Blut haben, damit die Mücke diese aufnehmen kann. Die Mücke ist ja nur die Überträgerin der Krankheit – und sie muss auch lange genug leben, damit sich die Viren vermehren können. Um dem vorzubeugen, sind wir auch so bemüht, die Tigermücken-Population kleinzuhalten, um das Risiko zu minimieren.

«Alle Mückenarten stechen! Aber manche haben sich auf Tiere spezialisiert.»

Und das scheint zu gelingen, oder?

Auch wenn die heutigen Massnahmen die Verbreitung der Asiatischen Tigermücke nicht vollständig eliminieren, so zeigen sie ihre Wirkung. In der Schweiz kommt die Asiatische Tigermücke vorwiegend in Kanton Tessin vor. In der Nordschweiz gibt es nur vereinzelte Populationen, zum Beispiel in Basel oder in den vergangenen zwei Jahren in Zürich. Hier hilft sicher auch das für die Mücke weniger günstige Klima, im Vergleich zum Tessin.

Die Frage muss sein: Kann auch das Coronavirus durch Mücken übertragen werden?

Nein, das wird es nicht. Es gibt sehr viele Viren, die nicht durch Mücken übertragen werden, beispielsweise das HI-Virus. Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Krankheitserreger in der Mücke nicht überleben und sich vermehren können.

Letzte Frage: Hilft Spucke, um nach deinem Stich den Juckreiz zu lindern?

Kühlen hilft generell, von daher kann auch ‹Speuz› einen solchen Effekt haben.

Muss man vor der Tigermücke Angst haben?

Muss man vor der Tigermücke Angst haben?

Tessin, Graubünden, Basel und seit Sommer 2019 auch in Zürich: Die asiatische Tigermücke ist auf dem Vormarsch und beunruhigt die Bevölkerung. Schliesslich gilt das Insekt als Überträger tropischer Virus-Erkrankungen. Sind wir in Gefahr?

17.01.2020

Zurück zur Startseite