Raumfahrt Schweizer Technologie hilft, das frühe Universum zu erkunden

stsc, sda/tgab

1.6.2021 - 19:55

Das James-Webb-Weltraumteleskop wird das grösste und leistungsfähigste Teleskop sein, das jemals ins All gebracht wurde.
Das James-Webb-Weltraumteleskop wird das grösste und leistungsfähigste Teleskop sein, das jemals ins All gebracht wurde.
Keystone

Gegen Ende des Jahres soll das James-Webb-Weltraumteleskop seine Reise ins All beginnen, um Rätsel aus der Frühzeit des Kosmos zu lösen und dem Ursprung des Lebens seine Geheimnisse zu entlocken. Schweizer Technologie fliegt mit.

Mit einem grossen Knall vor 13,8 Milliarden Jahren entstand aus unvorstellbar viel Energie, auf winzigstem Raum zusammengepresst, das Universum. Das neue Weltraumobservatorium wird einen Blick in die Urzeiten des Universums eröffnen, Milliarden Jahre zurück in die Vergangenheit, als die ersten Sterne den Weltraum erhellten und Galaxien geboren wurden.

Astronominnen und Astronomen warten mit Spannung auf den bereits mehrmals verschobenen Start des James-Webb-Weltraumteleskops. «Die Mission wird die ganze Astronomie einen Meilenschritt voranbringen, wenn nicht gar revolutionieren», zeigte sich denn auch der Astrophysiker Adrian Glauser von der ETH Zürich im Gespräch mit Keystone-SDA überzeugt.

Riesiger Spiegel

Frühestens am 31. Oktober soll der Nachfolger des «Hubble-Teleskop» am Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana an Bord der Trägerrakete Ariane 5 aufbrechen. Sein Ziel ist 1,5 Millionen Kilometer entfernt im All, wo «Webb» mit der Erde um die Sonne kreisen wird.

Das Herzstück des Teleskops ist ein 25 Quadratmeter grosser ausfahrbarer Spiegel, der hinter einem riesigen Sonnenschutzschild von der Grösse eines Tennisplatzes auf rund minus 220 Grad gekühlt wird. Der Spiegel kann das schwache Licht ferner Galaxien und in Staubwolken gehüllter Sterne und Planetensysteme mit einer hundertfach höheren Empfindlichkeit als «Hubble» aufspüren. Denn anders als sein Vorgänger, der Aufnahmen vor allem im optischen und ultravioletten Frequenzspektrum macht, wird «Webb» im infraroten Bereich arbeiten.

Kältestes Instrument mit Schweizer Handschrift

Mit an Bord werden sich vier wissenschaftliche Instrumente befinden, die mit dem eingefangenen Licht des Riesenspiegels gefüttert werden. Bei dem Instrument des Namens MIRI (Mid Infrared Instrument), das im mittleren Infrarotspektrum arbeiten wird, waren Schweizer Forschende um Adrian Glauser massgeblich beteiligt.

MIRI braucht noch kältere Temperaturen als die anderen Instrumente, nämlich minus 266 Grad, wie der ETH-Astrophysiker erklärte. Solche extremen Bedingungen erfordern ausgeklügelte Technologien.

Sorgfältiges Testen

So entwickelten die Forschenden um Glauser einen Mechanismus, der das Instrument während der Abkühlphase unter diesen extremen Bedingungen zuverlässig verschliesst, um es vor Verschmutzungen zu schützen. Nach dieser Phase muss sich die von dem Technologiekonzern Ruag entwickelte Schutzkapsel wieder öffnen. «Wenn dieser Öffnungs- und Schliessmechanismus klemmt, wäre das Instrument verloren», sagte Glauser.

Aber Zuverlässigkeit sei bei einer solchen Mission das A und O. Deshalb testete das Team den Mechanismus auf Herz und Nieren, in einer Kältekammer sowie auf vibrierenden Tischen. Trotzdem: «Ein Restrisiko bleibt immer», so der Astrophysiker.

Ausserdem entwickelten die Forschenden gemeinsam mit dem Unternehmen Syderal sogenannte Kryokabel, die so wenig Wärme wie möglich von der Elektronik zum Instrument leiten sollen.

Freier Blick auf Exoplaneten

Das astronomische Instrument MIRI wird gemäss Glauser nicht nur das Licht von fernen Sternen und frühen Galaxien erfassen, sondern insbesondere auch für die Entdeckung und Charakterisierung von Exoplaneten wertvoll sein. «Mit der zugrundeliegenden Technologie ist es möglich, das Licht der Sterne auszulöschen, so dass der Blick auf die Planeten freigelegt wird», erklärte er.

Erdähnliche Planeten zu finden, die flüssiges Wasser aufweisen und in einer habitablen Zone um ihren Stern kreisen, sei dabei allerdings nicht das Hauptziel der Mission. Denn dafür brauche man einen noch grösseren Spiegel als denjenigen von «Webb» .

Dem Ursprung des Lebens auf der Spur

Demgegenüber soll MIRI aber organische Moleküle in protoplanetaren Scheiben, dem Geburtsort von Exoplaneten, aufspüren. «Das wird uns helfen, gewisse Annahmen zum Ursprung und den Bausteinen des Lebens zu bestätigen oder zu verwerfen», sagte der Astrophysiker.

Bevor die Instrumente autonom arbeiten könnten, würden die meisten Abrufe zuerst von der Erde aus gesteuert, erklärte Glauser. So wird auch er nach dem Start des Weltraumteleskops in der Einsatzzentrale der Mission in Baltimore (USA) die ersten sechs Monate des neuen Observatoriums im Weltall mit Argusaugen verfolgen.

Die «Webb»-Mission ist eine Zusammenarbeit zwischen der europäischen Raumfahrtagentur ESA, der US-Raumfahrtbehörde Nasa und der kanadischen Weltraumbehörde CSA.

stsc, sda/tgab