CERN Schweizer Forscher sind einer neuen Kraft auf der Spur

iw, sda

23.3.2021 - 13:46

Kernstück des CERN: Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (Pressebild).
Kernstück des CERN: Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (Pressebild).
Keystone

Forschende der Uni Zürich und des CERN haben etwas entdeckt, das ein fundamentales physikalisches Gesetz infrage stellt. Vermutet wird, dass eine neue, noch unbekannte Kraft im Spiel ist.

Bei Experimenten am Forschungszentrum CERN bei Genf sind Wissenschaftler auf eine spektakuläre Mess-Abweichung gestossen.  Bei Experimenten entsprach das Resultat nicht der erwarteten Lepton-Universalität. Sollte sich diese Abweichung bestätigen, würde dies eine Physik jenseits des Standardmodells implizieren, heisst es in einem Communiqué des CERN vom Dienstag.

Denkbar wäre eine neue fundamentale Kraft zusätzlich zu den vier Grundkräften: Gravitation, Elektromagnetismus, schwache Wechselwirkung, die für Radioaktivität verantwortlich ist, und starke Wechselwirkung, welche die Materie zusammenhält.

«Wenn sich das bestätigt, wäre es die grösste Entdeckung in der Teilchenphysik innerhalb der letzten Jahrzehnte», sagte Nico Serra dem «Tages-Anzeiger». Serra ist Professor für Experimentalphysik am Physik-Institut der Universität Zürich (UZH) und arbeitet am CERN unter anderem mit dem Detektor LHCb am Large Hadron Collider (LHC). Noch wiegelt Serra ab: «Wir haben noch zu wenig Messdaten, um zu wissen, ob die beobachtete Abweichung vom Standardmodell der Teilchenphysik tatsächlich vorhanden ist oder nicht».

Die im Fokus stehende Unregelmässigkeit wurde gemäss Mitteilung im Jahr 2014 am CERN erstmals beobachtet. Beim Zerfall von Mesonen in Elektronen und Myonen war das Resultat nicht – wie es die Theorie verlangt – eins. Aber so klar wie jetzt sei die Diskrepanz damals nicht gewesen, so Serra. Mittlerweile seien in Japan und den USA dieselben Abweichungen zum erwarteten Standard festgestellt worden.

Vergängliche Schönheit...

Beim im Zentrum stehenden Large Hadron Collider beauty-Experiments (LHCb-Experiment) entstehen bei der Kollision von hochenergetischen Protonenstrahlen im Teilchenbeschleuniger sogenannte Beauty-Quarks. Sie zerfallen praktisch sofort an Ort und Stelle. Forschende rekonstruieren die Eigenschaften der kurzlebigen, zusammengesetzten Teilchen anhand ihrer Zerfallsprodukte.

Nach den etablierten Gesetzen der Teilchenphysik – dem sogenannten Standardmodell – sollten die Beauty-Quarks mit der gleichen Wahrscheinlichkeit in einen Endzustand mit Elektronen beziehungsweise Myonen, den viel schwereren Geschwistern der Elektronen, zerfallen. In einigen Zerfällen widersprach aber die Messung diesem Theorem.

Gewissheit erst in ein paar Jahren

In der Elementarteilchenphysik werden Beobachtungen zu echten Entdeckungen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums unter Berücksichtigung aller bekannten Fehler weniger als eins zu drei Millionen oder 0,00003 Prozent beträgt. «Es ist also noch zu früh für eine endgültige Schlussfolgerung», lässt sich Serra im Communiqué zitieren.

«Doch die LHCb-Kollaboration verfügt über alle Voraussetzungen, um in Beauty-Quark-Zerfällen die mögliche Existenz von Effekten einer neuen Physik zu klären. Was wir dazu brauchen, sind viele weitere Messungen»,

Das LHCb «ist ein Experiment, mit dem erforscht werden soll, was nach dem Urknall geschah, damit die Materie überleben und das Universum aufbauen konnte, in dem wir heute leben», heisst es auf der Webseite des CERN.

iw, sda