Klimaforscher widerspricht UN-Chef «Der ‹Point of no Return› ist noch nicht erreicht»

dpa/toko

22.7.2023 - 17:49

Klimaforscher Latif: «Point of no Return» noch nicht erreicht

Klimaforscher Latif: «Point of no Return» noch nicht erreicht

Trotz erschreckender Nachrichten über immer häufigere Hitzewellen, Waldbrände und Unwetter hält der Klimaforscher Mojib Latif den Kampf gegen die Erderwärmung nicht für aussichtslos.

22.07.2023

Die Warnung des UN-Generalsekretärs war dramatisch: Der Klimawandel sei nun «ausser Kontrolle». Ganz so fatalistisch ist die Lage nicht zu sehen, sagt der renommierte Klimaforscher Mojib Latif.

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  • Der Klimaforscher Mojib Latif hat dem UN-Chef António Guterres widersprochen und erklärt, ein «Point of no Return» bei der Erderhitzung sei noch nicht erreicht.
  • Es sei noch immer möglich, die globale Erwärmung auf das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Mass zu begrenzen.
  • Latif äusserte sich zu Warnungen des UN-Generalsekretärs António Guterres. Dieser hatte gesagt, der Klimawandel sei «ausser Kontrolle».

Trotz erschreckender Nachrichten über immer häufigere Hitzewellen, Waldbrände und Unwetter hält der Klimaforscher Mojib Latif den Kampf gegen die Erderwärmung nicht für aussichtslos.

«In der Wissenschaft geht man davon aus, dass der «Point of no return» noch nicht erreicht ist. Noch wäre es möglich, die globale Erwärmung auf das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Mass zu begrenzen – das heisst, auf deutlich unter 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, vorzugsweise auf 1,5 Grad», sagte der Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Latif äusserte sich zu Warnungen des UN-Generalsekretärs António Guterres. Dieser hatte gesagt, der Klimawandel sei «ausser Kontrolle».

Die Folgen des menschengemachten Klimawandels wie massive Dürren sind bereits jetzt katastrophal.
Die Folgen des menschengemachten Klimawandels wie massive Dürren sind bereits jetzt katastrophal.
Luca Bruno/AP/dpa (Symbolbild)

Auswirkungen bereits jetzt katastrophal

Der Weltklimarat IPCC hat vorgerechnet, dass zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels die globalen Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase gegenüber 2019 um 48 Prozent bis 2030 und um 80 Prozent bis 2040 sinken müssen.

Derzeit beträgt die Erwärmung des Planeten schon etwa 1,1 Grad, in Mitteleuropa bereits 1,6 Grad. Dazu sagte Latif: «Die Auswirkungen wie Hitze, Dürre und Starkregen sind bereits in vielen Regionen der Erde katastrophal.» Vergangenes Jahr sei der bisher wärmste Sommer in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen worden, mit zehntausenden Hitzetoten.

Der Klimaforscher Mojib Latif hält den Kampf gegen die Erderwärmung nicht für aussichtslos.
Der Klimaforscher Mojib Latif hält den Kampf gegen die Erderwärmung nicht für aussichtslos.
dpa

Zu den zurzeit extrem hohem Temperaturen der Weltmeere, darunter des Mittelmeers und des Atlantiks, sagte Latif: «Einerseits stresst die Erwärmung die Meeresökosysteme, zum Beispiel die tropischen Korallen – es kommt immer öfter zur gefürchteten Korallenbleiche. Andererseits führt die Erwärmung zu einem Rückgang des Sauerstoffgehalts in den Ozeanen. Und es besteht die Gefahr, dass die Meere weniger von dem CO2 aufnehmen, dass die Menschen in die Atmosphäre emittieren, mit der Folge einer sich beschleunigenden globalen Erwärmung.»

Ausserdem trage die mit der Erwärmung verbundene Ausdehnung des Wassers zum Anstieg der Meeresspiegel bei, sagte der Forscher. Höhere Temperaturen führten des Weiteren zu einer höheren Verdunstungsrate, wodurch mehr Energie in der Atmosphäre verfügbar ist und Wetterextreme häufiger und intensiver werden.

Anpassung an wärmere Welt kaum möglich

Erst kürzlich hatte Latif darauf hingewiesen, dass sich Deutschlands Gesellschaft und Wirtschaft nicht an eine zwei bis drei Grad wärmere Welt anpassen kann. «Das ist ein riesengrosser Irrtum. Es gibt Grenzen der Anpassungsfähigkeit», sagte Latif der dpa. «Wie will man sich an Temperaturen von deutlich über 40 Grad anpassen, wie auf häufigere sintflutartige Niederschläge? Wie soll eine Landwirtschaft ohne Regen auskommen?»

Im März hatte eine Studie im Auftrag der Bundesregierung ergeben, dass auf Deutschland durch die Erderwärmung bis 2050 Kosten von bis zu 900 Milliarden Euro zukommen können. Beispiel ist die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit Schäden von mehr als 40 Milliarden Euro.

dpa/toko