Atom-Spione Die Rosenbergs und der Tod – ein Agentenkrimi des Kalten Krieges

Von Philipp Dahm

5.4.2021

Vor 75 Jahren erging das Todesurteil gegen Ethel und Julius Rosenberg wegen Spionage für die Sowjetunion. Die Exekution der zweifachen Eltern in den USA sorgte weltweit für Empörung und Verschwörungstheorien.

Von Philipp Dahm

Der Prozess, der am 6. März 1951 beginnt, bewegt die Nation. Ethel und Julius Rosenberg sind in New York als erste Zivilisten überhaupt wegen Spionage angeklagt. Und in den USA geht die Angst um: the red scare.

Denn mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Schrecken leider nicht vorbei: Nach der Kapitulation von Nazideutschland und Japan fällt der Eiserne Vorhang, und im nächsten Akt tritt US-Senator Joseph McCarthy auf die Bühne, um zum Kreuzzug gegen den Kommunismus aufzurufen.

Das Zeitgeschehen der Nachkriegstage gibt McCarthy scheinbar recht: Die Spannungen zwischen Ost und West eskalieren 1946, als in Kanada ein Ring sowjetischer Spione auffliegt, während der Berlin-Blockade 1948 bis 1949, durch den Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg 1949 und den Beginn des Koreakriegs 1950.

Dass Ethel und Julius Rosenberg in Verdacht kommen, Atomgeheimnisse an Moskau verraten zu haben, ist einer Kettenreaktion zu verdanken. An deren Anfang steht Klaus Fuchs, ein Physiker aus Deutschland, der ab 1941 für das britische und später für das amerikanische Atomprojekt arbeitet. Von 1947 bis 1949 gibt er Details über die Atombombe an die Sowjets weiter, bevor er 1949 auffliegt.

Kettenreaktion: Atomspione fliegen auf

Fuchs macht einen Deal mit den Behörden und verrät andere Spione – darunter auch den Amerikaner Harry Gold. Der wiederum beschuldigt David Greenglass, einen jüdischen Wissenschaftler aus New York. Und auch der packt aus – und liefert seine Schwester und seinen Schwager ans Messer: die Rosenbergs. Doch hier hören die Deals auf: Das Ehepaar weigert sich, zu den Spionagevorwürfen auszusagen.

Ein Schock für den Westen: Am 29. August 1949 testet die Sowjetunion ihre erste Atombombe RDS-1. Amerika ist klar, dass erst Technologie-Verrat die Zündung ermöglicht hat.
Ein Schock für den Westen: Am 29. August 1949 testet die Sowjetunion ihre erste Atombombe RDS-1. Amerika ist klar, dass erst Technologie-Verrat die Zündung ermöglicht hat.
Bild: Gemeinfrei

Julius und Ethel Rosenberg werden 1918 und 1915 als Kinder jüdischer Einwanderer in New York geboren und wachsen in der Lower East Side auf, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein Hort amerikanischer Sozialisten ist. Julius wird Ingenieur, tritt 1940 in die Army ein und wird 1945 entlassen, als sein kommunistischer Hintergrund bekannt wird.

Ethel ist eine begabte Künstlerin, arbeitet dann aber als Sekretärin und kommt so in Kontakt mit der Arbeiterbewegung. Sie lernt Julius 1936 kennen, drei Jahre später heiraten sie. Ab 1942 sollen die beiden für Moskau gearbeitet, Geheimnisse verraten und weitere Spione rekrutiert haben, lautet später die Anklage. 1943 und 1947 bekommt das Paar je einen Buben.

Vom Bruder verraten

Am 17. Juli 1950 klingelt das FBI an der Tür der Rosenbergs und nimmt Julius mit. Rund einen Monat später wird auch Ethel verhaftet, und der Prozess gegen das Paar beginnt am 6. März 1951 in New York. In den USA erregt ihr Fall viel Aufsehen, weil erstmals Zivilisten in Friedenszeiten wegen Spionage angeklagt sind.

Im Ausland gibt es Demonstrationen (siehe obige Bildergalerie): Viele vermuten einen antisemitischen Hintergrund der Rosenberg-Anklage. Und dann sind da noch die Kinder der beiden, Michael und Robert, die vier und acht Jahre alt sind.

Künftige Waisenkinder: Der neunjährige Michael Rosenberg (links) und sein fünf Jahre alter Bruder am 14. Februar 1953 vor dem New Yorker Gefängnis Sing Sing.
Künftige Waisenkinder: Der neunjährige Michael Rosenberg (links) und sein fünf Jahre alter Bruder am 14. Februar 1953 vor dem New Yorker Gefängnis Sing Sing.
KEYSTONE

Sie können nicht verstehen, dass die Anklage sich allein auf die Aussagen von David Greenglass stützt, der sagt, der Schwager und seine Schwester hätten ihn angeheuert. Und am 5. April vor 70 Jahren müssen sie vernehmen, dass ihre Eltern dafür zum Tod verurteilt werden.

Der Richter argumentiert, dass der Geheimnisverrat an die Sowjets direkt mit dem Tod von Amerikanern in Korea verbunden ist. Die Reaktion: eine weltweite Kampagne, in der um Gnade für die Rosenbergs gebeten wird.

Keine Gnade

Grosse Namen sind unter ihren Fürsprechern: Albert Einstein und Jean-Paul Sartre, Bertolt Brecht und Fritz Lang, Frida Kahlo, Pablo Picasso und selbst Papst Pius XII. bitten um ihr Leben.

Präsident Dwight D. Eisenhower lehnt im Februar 1953 ab. Am 19. Juni 1953 landen Julius und Ethel Rosenberg im berüchtigten New Yorker Sing-Sing-Gefängnis auf dem elektrischen Stuhl.

Die Exekution des 35-Jährigen verläuft wie geplant. Seiner 37-jährigen Frau bleibt dieses Glück verwehrt, wie ein Zeuge Reportern berichtet, der notabene von der Schuld Rosenbergs überzeugt ist. Eine Warnung: Die Beschreibung ist nichts für schwache Nerven.

Ermittler wussten mehr, als sie zugaben

Nicht zuletzt, weil die Rosenbergs geschwiegen haben und die Anklage auf tönernen Füssen stand, bleiben nach ihrem Tod lange Zweifel. Die Söhne Michael und Robert versuchen bald, den Namen ihrer Eltern reinzuwaschen, doch es soll noch Jahrzehnte dauern, bis ans Licht kommt, was den Prozess beeinflusst hat.

Erst nach dem Ende des Kalten Krieges werden Akten freigegeben, die zeigen, dass die Behörden sehr viel mehr Informationen besassen, als gedacht. Der US-Geheimdienst hatte russische Codes geknackt (Projekt Venona), hatte jede Menge Meldungen belauscht und wollte vermeiden, dass zu detaillierte Anklageschriften die Sowjets warnen.

Julius Rosenberg war tatsächlich ein Spion, wenn auch nicht so hochkarätig wie ein Klaus Fuchs. Für Ethel war das Todesurteil vollkommen überzogen, wie sich Jahrzehnte später herausstellt.
Julius Rosenberg war tatsächlich ein Spion, wenn auch nicht so hochkarätig wie ein Klaus Fuchs. Für Ethel war das Todesurteil vollkommen überzogen, wie sich Jahrzehnte später herausstellt.
Bild: Keystone

Nach weiteren Enthüllungen durch Ex-Agenten nach der Jahrtausendwende steht heute fest, dass Julius Rosenberg für die Sowjets spioniert hat – auch wenn er keine bahnbrechenden Atomgeheimnisse preisgeben konnte. Er hat jedoch mehrere Spione angeworben, die unter anderem Flugzeug-Baupläne, Radar-Spezifikationen und andere technologischen Informationen verraten haben.

Ethel jedoch war nur eine Mitläuferin, die Büroarbeiten für Julius und andere kleinere Aufträge erledigt hat und für die das Todesurteil völlig unverhältnismässig war. Das hat die Anklage 1953 in Kauf genommen: Ethel Rosenberg musste sterben, um ein Geheimnis zu wahren. Eine Bitte ihrer Söhne, sie posthum zu begnadigen, blieb zuletzt von der Regierung von Präsident Barack Obama unbeantwortet.