Neue James-Webb-Bilder Wasserdampf auf Exoplaneten entdeckt

dpa/sda/tgab

12.7.2022 - 16:02

Galaxien und Galaxiengruppen, ein Gasriese ausserhalb unseres Sonnensystems und interstellare Nebel aus Staub und Gas: Diese kosmischen Schauspiele hat das Weltraumteleskop «James Webb» mit einer noch nie dagewesenen Schärfe und Detailtreue enthüllt.

«Die bislang tiefste und schärfste Infrarot-Aufnahme des weit entfernten Universums»: Mit grossem Bahnhof hat die Nasa in der Nacht auf Dienstag die erste Aufnahme des 10 Milliarden Euro teuren Weltraumteleskops «James Webb» präsentiert. US-Präsident Joe Biden persönlich wohnte der Zeremonie bei.

Das James-Webb-Teleskop befindet sich mehr als anderthalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Es konzentriert sich auf Infrarot-Strahlung. Dieses Lichtspektrum erlaubt, extrem weit zurück in die Vergangenheit zu blicken sowie durch Staubwolken im Kosmos hindurchzuspähen. So soll «Webb» die Frühzeit des Universums vor 13 Milliarden Jahren erkunden und damit nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zurückblicken. Astronomen versprechen sich Rückschlüsse auf die Bildung der ersten Sterne und Galaxien. Ausserdem sucht das Teleskop das All nach Exoplaneten ab.

Was ist auf dem ersten Bild zu sehen?

In der Mitte sind mehrere helle weisse Punkte (nicht die mit den Sternenstrahlen) zu erkennen. Das ist der Galaxie-Cluster «SMACS 0723», wie Ulrich Walter, Professor für Raumfahrttechnik an der TU München, auf Anfrage erklärt. Das Licht dieses Cluster war 4,6 Milliarden Jahre unterwegs, bis es von «James Webb» empfangen wurde.

Nasa

«SMACS 0723» agiert dabei wie eine Linse, die das Licht wesentlich weiter entfernter, dahinterliegender Galaxien vergrössert und sichtbar macht. Diese sind laut Walter auf dem Bild als kreisförmig angeordnete, langgezogene orangene Flecken zu erkennen. «Diese Galaxien haben winzige, schwache Strukturen, die man nie zuvor gesehen hat, einschliesslich Sternen-Clustern und diffusen Merkmalen», schreibt die Nasa.

Warum sind diese Galaxien so spannend?

Nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren habe das Universum nur aus Wasserstoff und etwas Helium bestanden, erklärt Walter. «Die Elemente, aus denen wir hauptsächlich bestehen (Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff) wurden vor etwa 13 Milliarden Jahren in den Sternen dieser ersten Galaxien erbrütet.» Durch Supernova-Explosionen seien sie in unseren Bereich des Universums geschleudert worden. Dort sei dann unser Sonnensystem und unsere Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden.

Sind unabhängige Experten auch begeistert?

Walter spricht von «sehr beeindruckenden Bildern». Stefan Dreizler, Astrophysik-Professor an der Uni Göttingen, sagt: «Es ist keine Frage, dass das «James Webb»-Teleskop in vielen Bereichen einen neuen Massstab setzen wird. Von daher bin ich auch sehr gespannt auf die ersten Daten.»

Welche Vorteile gibt es im «Hubble»-Vergleich?

Anders als das Vorgänger-Teleskop Hubble dreht sich das Webb-Teleskop nicht um die Erde, sondern um die Sonne. Es übertrifft seinen Vorgänger Hubble zudem an Grösse und Komplexität bei Weitem. Es blickt weiter in den Weltraum als Hubble und damit auch weiter zurück in die Vergangenheit.

«James Webb» liefert laut Walter Bilder mit wesentlich besserer Schärfe und auch einem grösseren Sichtbarkeitsbereich. Es gebe aber auch einen Nachteil im Vergleich zu Hubble. «Leider wird das «James Webb»-Teleskop, obwohl etwa 5 Mal teurer als Hubble, nur etwa 10 Jahre arbeiten können.» Hubble sei von 1992 bis heute aktiv. Dreizler betont, dass das neue Teleskop weit entfernt von der Erde positioniert ist. Es werde also ungestörter und effizienter als Hubble beobachten. «James Webb» werde auch die Atmosphären von Planeten anderer Sterne untersuchen können. «Das wird sehr viele extrem spannende Resultate bringen, die vorher nicht machbar waren.»

Das Teleskop war teuer. Was muss es liefern?

Raumfahrttechnik-Experte Walter antwortet mit einer Gegenfrage: «Wann ist ein Teleskop, das etwa 10 Milliarden US-Dollar kostet, ein Erfolg? Wenn es das tut was es soll! Und es hat bewiesen, dass es das kann.» Jetzt müsse das Teleskop «einfach weiter liefern». Es sei zu hoffen, dass keine Systeme ausfallen. «Dann wäre vieles in den Sand gesetzt.» Für Dreizler hat das «James Webb» bereits mit dem ersten Bild gezeigt, dass es die Erwartungen an die erreichbare Auflösung auch liefert.

Sind schweizer Forscher an Projekten beteiligt?

Dank der direkten Beteiligung an der Entwicklung des Weltraumteleskops haben der ETH-Astrophysiker Adrian Glauser und sein Team das Privileg einer garantierten Beobachtungszeit. In ihren Fokus rückt die Charakterisierung von Exoplaneten. Auf einigen von diesen könnte sich flüssiges Wasser befinden.

Sichern konnten sich auch andere Forschende aus der Schweiz Beobachtungszeit mit dem Weltraumteleskop, insgesamt seien es acht Schweizer Projekte, sagte Pascal Oesch, Professor an der Universität Genf, an einer Medienkonferenz am International Space Science Institute (ISSI) in Bern. Er etwa wird gemeinsam mit internationalen Kollegen versuchen, die ersten Galaxien im Universum aufzuspüren, die 300 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurden.

dpa/sda/tgab